Stickoxide: Renault Espace Diesel unter Verdacht

Renault Espace soll die Stickoxid-Grenzwerte überschreiten - Hersteller bestreitet das
Laut Deutscher Umwelthilfe soll getesteter Renault Espace Diesel massiv überhöhte Stickoxide-Werte ausweisen.

Nach dem Volkswagen-Konzern gerät nun auch der französische Autobauer Renault in den Verdacht, dass seine Diesel-Fahrzeuge deutlich mehr Stickoxide in die Luft abgeben, als bisher bekannt war. Im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH), ein eingetragener Verein, hat die Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule (Schweiz) die Stickoxid (NOx)-Emissionen eines Renault Espace 1.6 dCi mit Frontantrieb, einer Laufleistung 12.300 Kilometer und der aktuellen Abgasnorm Euro 6b untersucht.

"Dabei wiesen insbesondere die im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) gefahrenen Tests mit warmem Motor sehr hohe NOx-Emissionen auf", hält die Deutsche Umwelthilfe fest. "Die Werte überschreiten den geltenden Grenzwert für Euro-6-Fahrzeuge um das 13- bis 25-fache. Die Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule kommt in ihrem Prüfbericht zu dem Ergebnis: Die gemessenen NOx-Werte von sechs NEFZ Messungen überschreiten den Grenzwert von 80 mg/km. Zwei Tests zeigen Werte tiefer als 80 mg/km.“

Auffällige Real-Emissionen

„Den Renault Espace Diesel haben wir für eine Überprüfung ausgesucht, weil er bereits in anderen Tests mit erschreckend hohen Realemissionen aufgefallen ist. Bei unseren Nachprüfungen zeigte sich ein bestimmtes Muster", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Nur wenn er in einer ganz bestimmten Form auf die am Folgetag stattfindende Prüfung vorbereitet wurde, bestand er diese mit Bravour. Alle Abweichungen in der Vorkonditionierung beziehungsweise Tests mit warmem statt kaltem Motor führten zu Dieselabgaswerten, die wir in dieser Höhe noch nie gemessen haben.“

Die DUH fordert nun das Bundesverkehrsministerium dazu auf, "sowohl den bereits vor einem Monat übermittelten Prüfbericht über einen Opel Zafira Diesel als auch diese neuen Prüfergebnisse des Renault zum Anlass zu nehmen, um eigene behördliche Nachprüfungen anzustellen".

Der Ablauf der Tests

Im Schweizer Prüflabor wurden insgesamt neun Einzelmessungen durchgeführt, acht im offiziellen Prüfzyklus NEFZ, ein weiterer in einem von der DUH entwickelten eigenen Zyklus. Vor jedem der NEFZ-Durchläufe wurde zur Vorkonditionierung des Testfahrzeuges entweder ein gesamter NEFZ gefahren oder drei Wiederholungen des Außenstadtanteils des NEFZ (EUDC). Die Vorkonditionierung ist im Testverfahren vorgeschrieben, um die Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen.

2061 mg Stickoxide pro Kilometer?

"Die Messergebnisse im NEFZ mit warmem Motor zeigten extrem hohe NOx-Emissionen mit Werten von bis zu 2061 mg/km", heißt es weiter Erlaubt sind 80 mg/km. "Eine Einhaltung beziehungsweise Unterschreitung des Grenzwertes wurde bei zwei Zyklen mit kaltem Motor und einer Vorkonditionierung mit Außenstadtzyklus erreicht. Eine Messung mit kaltem Motor und Vorkonditionierung mit einem NEFZ-Zyklus ergab ebenfalls eine Überschreitung mit einem Wert von 235 mg NOx/km."

Emissionswerte wie in 80er Jahren

„Emissionswerte in dieser Höhe kennen wir aus den späten 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, vor der Einführung der Euro-Abgasstandards. Es ist unglaublich, dass auch heute noch sogenannte moderne Diesel-Fahrzeuge unterwegs sind, die die Atemluft derartig belasten“, erklärt der international tätige Verkehrsexperte Axel Friedrich. „Das macht deutlich, dass wir mit der heutigen Form der Zulassungsverfahren nicht weiterkommen, sondern einen umfassenden Umbau des Systems brauchen, in das regelmäßige Kontrollmessungen auf der Straße verbindlich integriert werden.“

Klagen gegen Behörden

Die DUH hat am 19. November 2015 Klagen gegen die zuständigen Behörden mehrerer Städte eingereicht, in denen die NO2-Grenzwerte in der Atemluft anhaltend überschritten werden. In Wiesbaden, Darmstadt und München reichte sie Vollstreckungsklagen ein, da in diesen Städten trotz geltender Urteile aus früheren Verfahren die Einhaltung der Grenzwerte nicht absehbar ist.

Umwelthilfe fordert Fahrverbot

Die DUH fordert unter anderem ein Einfahrverbot für Dieselfahrzeuge, solange nicht nachgewiesen ist, dass diese die geltenden Abgasgrenzwerte der Eurostufe 6 einhalten. Dieser Forderung hatte sich unter anderem ein Aktionsbündnis von Anwohnern des Stuttgarter Neckartors angeschlossen und das mit einer Demonstration am 21. November 2015 unterstrichen.

Die DUH hat auch das Regierungspräsidium Stuttgart verklagt. Baden-Württembergs Landeshauptstadt weist deutschlandweit die höchsten Belastungswerte auf. „Alle Klagen sind mittlerweile nachweislich bei den Gerichten eingegangen. Wir sind zuversichtlich, dass sie innerhalb eines Jahres entschieden werden“, erläutert Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in den verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzungen vertritt.

Illegale Abgassteuerungssoftware

Am vergangenen Wochenende war bekannt geworden, dass die US-Behörden weitere 75.000 Fahrzeuge von VW ins Visier genommen haben. Auch bei sämtlichen Diesel-Fahrzeugen der Marken VW und Audi mit 3,0-Liter-Motoren aus den Modelljahren 2009 bis 2015 sei eine von den amerikanischen Behörden bei VW, Audi und Porsche als illegal klassifizierte Abgassteuerungssoftware zum Einsatz gekommen. Das haben die Hersteller inzwischen eingeräumt.

„Es stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse die deutschen Kontrollbehörden über diese ‚zweite‘ beziehungsweise ‚dritte‘ Software haben, die offensichtlich bei VW, Audi und Porsche auch in Europa im Einsatz ist", so die deutsche Umwelthilfe. Verkehrsminister Dobrindt geht offensichtlich davon aus, dass deren Einsatz in Europa legal ist.

Stinkige Regierungslimousine Audi A8

"Wir fordern eine sofortige Offenlegung der den Behörden bekannten technischen Details und Wirkungsweise dieser Abgasbeeinflussungs-Software. Messungen einer Audi A8 Limousine durch unseren Dachverband T&E zeigten auf der Straße eine Überschreitung des NOx-Grenzwertes um das fast 22-fache “, betont Resch. "Diese von Regierungsmitgliedern gern genutzte Diesel-Limousine zählt damit zu den dreckigsten Euro 6 Diesel Pkw überhaupt."

Verkehrsminister reagiert bisher nicht

Das deutsche Verkehrsministerium zeigt nach Auffassung der DUH weiterhin kein wirkliches Interesse an einer Aufklärung des Diesel-Abgasskandals. Die DUH habe dem Ministerium nach ihrer Pressekonferenz am 23.Oktober 2015 neben dem veröffentlichten Prüfbericht zu einem Opel Zafira Diesel weitere Informationen angeboten. Bis heute sei das Verkehrsministerium nicht zu einem Gespräch über weitere vorliegende technische Hinweise bereit.

Stellungnahme von Renault

Die Deutsche Umwelthilfe, die von Renault Deutschland Antworten auf sieben detaillierte Fragen haben wollte, hat von Renault am 19. November 2015 folgende Stellungnahme erhalten: "Renault steht mit den Zulassungsbehörden, die die Typengenehmigungen für die Fahrzeuge unsrere Konzernmarken ausstellen oder diese Fahrzeuge überwachen, in einem ständigen Informationsaustausch", schreibt Arne Möller, Rechtsabteilungsleiter von Renault Deutschland. "Die von Ihnen gewünschten Angaben betreffen technische Beurteilungen durch die zuständigen Behörden und können von uns daher nicht anderweitig veröffentlicht werden."

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