Steuersünder-Jagd in der Sackgasse

Frechheit siegt? Wer auf die Amnestie gepfiffen hat, kommt womöglich ungeschoren davon.
Österreich beißt sich in der Schweiz die Zähne aus – just das heimische Bankgeheimnis bietet Schutz.

Dumm gelaufen: Österreich beißt bei seiner Jagd auf die dreistesten Steuersünder bei den Schweizer Behörden auf Granit. Konkret geht es um jene Personen, die ihr Vermögen rechtzeitig vor dem 1. Jänner 2013 in Sicherheit gebracht und aus der Schweiz weg überwiesen haben. An diesem Stichtag trat nämlich das Steuerabkommen zwischen den Nachbarländern in Kraft, das reinen Tisch mit Schwarzgeld machen sollte.

Ein herber Rückschlag für die Finanz: Am 16. Dezember 2014 hat Finanzminister Hans Jörg Schelling eine sogenannte Gruppenanfrage an Bern gerichtet. Damit wollte Österreich erfahren, welche Personen ihr Geld 2012 noch rasch aus der Schweiz abgezogen haben. Aus der Information dürfte nun aber nichts werden. Die Eidgenossen stellen offenbar auf stur. Zur konkreten Anfrage aus Wien äußert sich die Eidgenössische Steuerverwaltung zwar nicht, das sei vertraulich. Aber: "Gruppenanfragen sind grundsätzlich für den Zeitraum ab 1. Februar 2013 möglich", stellt ein Sprecher auf KURIER-Anfrage klar. Was auch für das Österreich-Abkommen gelte.

10 Milliarden futsch?

Wien dürfte also über Abflüsse im brisanten Zeitfenster – zwischen der Unterzeichnung am 13. April 2012 und dem In-Kraft-Treten gut acht Monate später – nichts erfahren. Just die "Abschleicher" kämen vorerst ungeschoren davon. Das sind die dreistesten Steuerhinterzieher, die sogar auf die angebotene Amnestie gepfiffen haben. Die Idee des Abkommens war nämlich: Österreicher, die unversteuertes Vermögen bei Schweizer Banken hatten, sollten dieses offenlegen (und allenfalls nachversteuern). Das taten 21.400 Personen mit 5,9 Milliarden Euro Guthaben. Wem die Wahrung der Anonymität wichtiger war, musste eine teurere Einmalzahlung akzeptieren. Das brachte Österreichs Fiskus noch einmal 740 Millionen Euro (aus rund vier Mrd. Euro Vermögen) ein.

Damit ist aber längst nicht alles abgedeckt. In der Branche kursiert die Schätzung, wonach ursprünglich 20 Milliarden Euro heimisches Vermögen in der Schweiz lag. Davon wurden nur etwa 10 Milliarden unter dem Abkommen legalisiert, ebenso viel wäre also verschwunden.

Plausibel, meint Roman Leitner von der Steuerberatungskanzlei LeitnerLeitner: "Da sind riesige Geldbeträge überwiesen worden." Er glaubt aber nicht, dass sich "Abschleicher" in Sicherheit wiegen dürfen: "Das große Kesseltreiben geht erst richtig los, wenn der automatische Informationsaustausch von Bankdaten kommt."

Rückkehr ohne Reue

Zumindest fürs Erste ist das Gros der Hinterzieher aber gut geschützt. Und das ironischerweise durch das heimische Bankgeheimnis. Denn die mit Abstand meisten Schweiz-Abtrünnigen suchten Zuflucht in Österreich. Die Zielländer Israel und Singapur folgen weit abgeschlagen auf Platz zwei und drei.

Für Geld, das auf heimische Konten "kalt repatriiert" wurde, sind zwar künftige Kapitalerträge erfasst, die steuerliche Vergangenheit bleibt aber unaufgearbeitet. Paradox: Um österreichische Steuerhinterzieher bei österreichischen Banken zu überführen, ist Wien auf Goodwill der Schweizer Behörden und Banken angewiesen. "Das würde mich sehr überraschen", sagt Daniel Holenstein, Rechtsanwalt und Steuerexperte in Zürich. Kommen die Hinterzieher also besser weg als die, die reinen Tisch gemacht haben – und als alle braven Steuerzahler ohnedies? "Das wäre extrem bitter. Da kann man nicht von Steuergerechtigkeit sprechen", sagt Grünen-Finanzsprecher Bruno Rossmann. Die einzige Lösung, die er sieht: Das Bankgeheimnis für Inländer abschaffen.

Reiche Erbinnen – oder doch Tarnangaben? Bei den Konten der Schweizer HSBC Privatbank schien überdurchschnittlich oft die Berufsbezeichnung "Hausfrau" auf – nämlich 7300-mal. Das ist viel häufiger als Ärzte oder Rechtsanwälte.

4000 Einträge entfielen auf Menschen "ohne Beruf" oder Studenten, berichtet das Journalistenkonsortium ICIJ, das gut 100.000 gestohlene Datensätze ("Swiss Leaks") ausgewertet hat. Nicht jedes dieser Konten aus den Jahren 1988 bis 2007 führt Schwarzgeld. Dennoch hat ICIJ viele Inhaber geoutet; von Spitzensportlern über Schauspieler bis zu Industriellen.

Konto mit 149 Millionen

Auch zu den 399 Klienten mit Österreich-Bezug wurden mehr Details bekannt. Von 1975 bis 2006 haben demnach laut dieser Liste bei der HSBC-Schweiz 399 Kunden "mit Österreich-Bezug" 1200 Konten eröffnet.

Steuersünder-Jagd in der Sackgasse
epa04611292 (FILE) A filoe photo dated 12 May 2003 nshowing customers going up the escalator at the HSBC bank headquarters in Central, Hong Kong, China. Reports on 09 February 2015 state HSBC's Swiss-based private bank helped wealthy clients evade millions of dollars in taxes, according to an investigation of thousands of leaked documents. Among those helped to evade tax were several clients who had been linked to arms trafficking, corruption and other crimes by the United Nations, the Washington-based International Consortium for Investigative Journalism said. The leaked data was jointly examined by international media including the BBC and the Guardian. EPA/DAVID G. MCINTYRE *** Local Caption *** 99261083
Im Jahr 2007 gab es aber nur noch 250 aktive Konten. Davon hatten nur 52 Prozent der Kunden, die Österreich zugeordnet wurden, einen österreichischen Pass. Der größte Einzelbetrag auf einem Konto lag bei beachtlichen 149 Mio. Dollar. Österreich ist dennoch ein kleiner Fisch und liegt unter den HSBC-Kunden nach Vermögen gewichtet nur auf Rang 41. Die fünf wichtigsten Herkunftsländer für HSBC-Schweiz-Kunden waren – nach den Schweizern – Großbritannien, Venezuela, USA, Frankreich und Israel.

In Deutschland fordern SPD-Politiker eine härtere Gangart: Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans ist dafür, Banken die Lizenz zu entziehen, wenn sie das Geschäftsmodell des organisierten Steuerbetrugs nicht aufgeben.

Das Steuerabkommen mit Liechtenstein, das von Ex-Finanzministerin Maria Fekter mit einem Betrag von 500 Millionen Euro ins Budget des Vorjahres eingeplant wurde, stellt sich laut der Tageszeitung Die Presse doch nicht als so lukrativ heraus. Die nachträgliche Versteuerung von österreichischem Schwarzgeld in Liechtenstein brachte tatsächlich nur 220 Millionen Euro.

Im Budget von Finanzminister Hans Jörg Schelling, das durch die deutlich schlechtere Konjunkturprognose ohnehin schon belastet wurde, klafft somit ein weiteres Loch auf. Eine Sprecherin des Finanzministeriums bezeichnete die fehlenden Steuer-Millionen aus Liechtenstein laut Die Presse als „keine große Summe“. Das Gesamtbudget mache 75,3 Milliarden Euro aus, zudem sei es in einigen anderen Bereichen „besser gelaufen als veranschlagt“. Die Sprecherin rechnet daher mit einer budgetären "Punktlandung". Gewissheit gibt es im April, wenn der Rechnungshof den Bundesrechnungsabschluss vorlegt.

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