Das ändert sich jetzt bei Erbschaften

Helmut Siegler: "Man sollte sich jetzt anschauen, ob die Rechtswahlklausel im Testament verankert gehört."
Im August kommt das neue EU-Erbrecht, 2016 die Steuerreform – zwei Daten, die Erblasser beachten sollten.

Vererben und Erben haben Hochkonjunktur. Noch nie wurde so viel an die nächste Generation weitergegeben wie jetzt und in naher Zukunft. Österreichweit werden jährlich rund 17 Milliarden Euro an reinem Geldvermögen vererbt, geht aus den Daten der Bank Austria hervor. Dazu kommen weitere zehn Milliarden Euro an Immobilienwerten. Viele Milliarden Gründe, sich mit dem Erbrecht auseinanderzusetzen und eventuell das Testament zu überprüfen. Es stehen etliche Änderungen an – von neuen EU-Regeln bis zur heimischen Steuerreform.

EU-Erbrechtsverordnung Diese Gesetzesänderung wird mit 17. August 2015 wirksam und in der gesamten EU mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks gelten. "Der wichtige Punkt ist, dass das Aufenthaltsprinzip die Staatszugehörigkeit ablöst", sagt Helmut Siegler, Leiter der Finanz- und Vermögensplanung im Private Banking der Bank Austria. Künftig sei im Erbfall das Recht des Wohnorts und nicht mehr die Nationalität maßgeblich.

Für Österreicher, die auf Teneriffa überwintern, das restliche Jahr aber in der Heimat verbringen, wird sich nichts ändern. Sehr wohl aber für jene, deren Lebensmittelpunkt im Ausland ist – in der EU-Verordnung "gewöhnlicher Aufenthalt" genannt. Verstirbt ein Österreicher mit Lebensmittelpunkt in beispielsweise Nizza, trifft künftig französisches Erbrecht zu. Der Vorteil: Die Abwicklung werde um einiges einfacher und billiger, so Siegler. Der mögliche Nachteil: Das jeweilige Erbrecht könne erheblich vom heimischen abweichen. Erblasser, die dem ausländischen Recht entkommen wollen, haben die Möglichkeit dazu. Laut EU-Verordnung gibt es die sogenannte Rechtswahl. Im Testament kann festgelegt werden, dass nicht der "gewöhnliche Aufenthalt", sondern doch die eigene Staatsangehörigkeit für den Erbfall anzuwenden ist. "Man sollte sich jetzt darüber Gedanken machen und die Rechtswahlklausel eventuell im Testament verankern", rät Bank-Austria-Manager Siegler.

Erbrechts-Änderungsgesetz Das wird voraussichtlich erst 2017 in Kraft treten. Fix ist aber, dass künftig Pflegeleistungen abgegolten werden sollen. Und dass Lebensgemeinschaften berücksichtigt werden.

Steuerreform Ab Anfang 2016 wird das unentgeltliche Übertragen von Immobilien innerhalb der Familie – also durch Schenken oder Vererben – durch die Steuerreform spürbar teurer. Aktuell zahlen Beschenkte oder Erben zwei Prozent Grunderwerbssteuer plus 1,1 Prozent Grundbucheintragungsgebühr vom dreifachen Einheitswert. Ab Jahreswechsel werden Steuer und Gebühr nicht mehr vom Einheitswert, sondern vom vielhöheren Verkehrswert berechnet.

Bei der Steuer wird eine Staffelung kommen: Bis zum Verkehrswert von 250.000 Euro macht sie 0,5 Prozent, bis 400.000 Euro zwei Prozent und darüber 3,5 Prozent aus.

Ein Rechenbeispiel: Bei einer Immobilie im Verkehrswert von einer Million Euro fällt derzeit noch eine Grunderwerbssteuer (vom dreifachen Einheitswert) von 2000 Euro an. Künftig sind 25.250 Euro zu zahlen. Die Gebühr für die Grundbucheintragung verteuert sich in diesem Fall von 1100 auf 11.000 Euro.

Ob eine Schenkung jetzt Sinn mache, müsse von Fall zu Fall geprüft werden, meint Experte Siegler.

Gegen die da oben, die Reichen, lässt sich gut Stimmung machen. Von Millionärssteuern war im Wahlkampf von roter Seite zu hören – unter lautem Applaus der Anhängerschaft. Wer ohne Arbeit zu Vermögen kommt, soll abkassiert werden, tönt es immer wieder von links.

Dass das Stimmvolk keineswegs so blind auf derartige Propagandarufe reagiert, wie es sich so mancher Politiker wünscht, war kürzlich in der Schweiz zu sehen. Wollt ihr, dass Erbschaften und Schenkungen, die mehr als zwei Millionen Franken ausmachen, mit einer bundesweiten Steuer von 20 Prozent belegt werden? Diese Frage beantworteten die wahlberechtigten Eidgenossen in einer Volksabstimmung mit einem klaren Nein: 71 Prozent waren dagegen. Die Besteuerung bleibt daher weiterhin Sache der Kantone. Und dort sind direkte Nachkommen fast überall von Erbschafts- und Schenkungssteuern befreit.

Die Schweiz gilt als Erbenparadies. Heuer sollen bis zu 76 Milliarden Franken an die nächste Generation übergehen. Nur wenige werden aber darauf hoffen dürfen, große Vermögen übertragen zu bekommen. Eine neue Steuer hätte die Mehrheit nicht betroffen. Trotzdem war das Votum eindeutig. Hände weg von unseren Erbschaften, Hände weg vom Steuerwettbewerb in den Kantonen, so der Tenor. Es wäre wirklich zu wünschen, wenn die Österreicher bald über einen derartigen Wettbewerb der Bundesländer abstimmen dürften.

Dass ein Österreicher seinen Lebensmittelpunkt im Ausland hat, ist bei Weitem kein Einzelfall. Laut Schätzungen des Außenministeriums wohnen 552.300 Österreicher außerhalb ihres Geburtslandes (Stand Juli 2014). Davon 250.000 und damit die meisten hatten sich in Deutschland niedergelassen. In Spanien und Italien waren es 10.400 bzw. 10.300, in Frankreich 7000. Nach Polen und Slowenien zog es jeweils nur 1000.

Die angegebenen Zahlen beziehen sich auf eine Mindestaufenthaltsdauer von zwölf Monaten. Das neue EU-Erbrecht wird voraussichtlich aber auch jene treffen, die nicht das ganze Jahr hindurch im Ausland wohnen. „Der Rechtsbegriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird noch zu klären sein“, ist Helmut Siegler, Leiter der Finanz- und Vermögensplanung im Private Banking der Bank Austria, überzeugt. Dieser Rechtsbegriff sei im neuen EU-Erbrecht nicht genau definiert.

Hohe Geldvermögen

Die Österreicher besitzen Vermögen in Höhe von rund 1,3 Billionen Euro. In den nächsten drei Jahrzehnten werden jährlich rund 17 Milliarden Euro reines Geldvermögen vererbt – das macht in Summe 510 Milliarden Euro aus.

Durchschnittlich erhält jeder Österreicher 80.000 Euro Erbe. Der Durchschnitt sagt aber nichts über die tatsächlichen Verlassenschaften aus, weil die Erbschaften sehr ungleich verteilt sind. Im obersten Vermögensfünftel der heimischen Haushalte werden im Durchschnitt rund 237.000 Euro geerbt, im untersten Fünftel dagegen nur 14.000 Euro.

Zwei Drittel der Österreicher haben kein Testament. Und 60 Prozent von denen, die doch eines haben, haben es noch nie aktualisiert. Laut einer Online-Umfrage durch Margektagent.com im Auftrag der Österreichischen Notariatskammer sind die Kärntner die Eifrigsten: 32,4 Prozent haben ein Testament gemacht. In Wien und Salzburg sind es dagegen nur rund 20 Prozent.

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