Steuerausfall geringer als erwartet

Die von Richard Murphy errechneten 1000 Milliarden Euro hält der österreichische Schwarzarbeitsexperte Schneider für unrealistisch.

Die von der EU angekündigte verschärfte Jagd auf Steuersünder dürfte den Steuereintreibern deutlich weniger einbringen als erhofft. Denn der Steuerausfall in den 27 EU-Staaten ist laut Experten wesentlich geringer als die vom Briten Richard Murphy berechnete eine Billion Euro. Murphy ist Direktor und einziger Mitarbeiter des Finanz-Blogs „Tax Research“, der das Ausmaß der Steuerhinterziehung für die Fraktion der Sozialdemokraten im EU-Parlament errechnet hat.

Seither gelten seine 1000 Milliarden Euro unwidersprochen als schier unüberwindbare Hürde für eine Sanierung der EU-Haushalte.

„Unsinn“

Die 1000 Milliarden Euro sind freilich weit überzogen. Das kritisiert ausgerechnet der Linzer Volkswirtschaftprofessor Friedrich Schneider, dessen Studien über das Volumen der Schwarzarbeit in der EU Richard Murphy als Basis für seine Berechnung dienten. Schneider sagte empört zum KURIER: „Diese Zahl ist grottenfalsch. Es ist ein haarsträubender Unsinn, so etwas zu behaupten.“ Denn „Murphy hat bei seiner Rechnung einen Denkfehler. Er setzt das ganze Volumen der im Pfusch erbrachten Leistung gleich mit dem daraus resultierenden Steuerentgang.“ Der Fiskus verliere aber nur die Steuer auf diese Leistungen, die Summe sei daher wesentlich niedriger.

300 bis 400 Millionen

Nach Schneiders Schätzung macht die entgangene Steuer statt der kolportierten Billion „irgendetwas zwischen 300 und 400 Milliarden Euro“ aus. Seine Rechnung: Von rund 580 Milliarden Wertschöpfung, die in den 27 EU-Staaten im Pfusch erbracht werden, entgehen dem Fiskus bei einem durchschnittlichen Steuersatz von 20 Prozent 116 Milliarden Euro Mehrwertsteuer. Rechnet man – wie Murphy – zu diesen Ausfällen weitere 150 Milliarden Euro aus legalen Steuertricks und Schlupflöchern, die vor allem von Konzernen genutzt werden, dazu, kommt man auf gut 260 Millionen. Der „Rest“ stammt aus nicht deklarierten Vermögen, die in Steueroasen verschoben und so am Fiskus vorbei geschleust werden. Diese Größenordnung will Schneider nicht konkreter aufschlüsseln: „Das kann niemand auch nur annähernd einschätzen.“

Experten halten auch die Steuereinnahmen aus einer verschärften Bekämpfung der Schwarzarbeit für geringer als erwartet. Denn viele Arbeiten würden überhaupt nur vergeben, weil sie wegen der hinterzogenen Steuer billiger als zum offiziellen Tarif seien. Koste die Leistung – etwa die Renovierung des Badezimmers – durch die korrekte Versteuerung das Eineinhalbfache bis Doppelte, würde der Großteil der potenziellen Auftraggeber die Investition absagen. Beim Pfusch würden Fiskus und Wirtschaft zumindest vom Material-Kauf profitieren.

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