Staudingers Ruf reicht bis Brüssel

Staudingers Ruf reicht bis Brüssel
EU-Kommissar Barnier traf in Wien den Waldviertler Schuhrebellen.

Der vornehme EU-Kommissar aus Frankreich und der erdige Rebell aus dem Waldviertel – der Kontrast könnte größer kaum sein. Und doch hörte Michel Barnier, Kommissar für Binnenmarkt und Finanzaufsicht, interessiert zu, was Heini Staudinger zu seinem Herzensanliegen zu sagen hatte.

Das Thema der Veranstaltung am Donnerstagabend in Wien: Crowdfunding, also das Einsammeln von Geld bei privaten Investoren zur Finanzierung unternehmerische Zwecke. Dazu hat die EU im Dezember Meinungen eingeholt, im März will sie einen Aktionsplan vorlegen.

Zwei Interessen prallen aufeinander: Klein- und Mittelbetriebe, die Schwierigkeiten haben, bei Banken Kredite zu erhalten, versprechen sich alternative Geldquellen. Dem steht der Schutz für Anleger entgegen, die manchmal beträchtliche Geldbeträge bereitstellen. Ein heikler Spagat. Die Betreiber von Crowdfunding-Plattformen wünschen sich jedenfalls weniger Vorschriften: Erst ab fünf Millionen Euro Investitionssumme sollen umfangreiche Informationspflichten gelten – das ist in Ländern wie Großbritannien schon der Fall. In Österreich wurde die Schwelle im Vorjahr von 100.000 auf 250.000 Euro angehoben.Besonders emotional kämpft Schuhfabrikant Heini Staudinger für seine Vorstellung von einer gerechteren Finanzierung – und hat es durch seinen Streit mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) zu europaweiter Bekanntheit gebracht. „In Brüssel wurde mir von Ihnen erzählt“, sagte Barnier.

„Minimum an Rechten“

Die Vorgeschichte: Der Schuhfabrikant („Waldviertler“) hat bei 197 privaten Geldgebern knapp drei Millionen Euro eingesammelt. Damit werden Fotovoltaikanlagen, die Schuhfabrik in Schrems und seine Handelsfirma GEA finanziert. Den Gläubigern verspricht Staudinger vier Prozent Zinsen.

So lief das fast zehn Jahre lang, bis 2012 die Finanzmarktaufsicht (FMA) vor der Tür stand: Er betreibe ein Einlagengeschäft, das nur Banken erlaubt sei – das haben inzwischen auch der Verwaltungsgerichtshof und der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) bestätigt. „Wir geben w.o.“, sagte Staudinger nun.

Seine Geldgeber müssen unterschreiben, dass sie im Pleitefall durch die Finger schauen – das nennt sich Nachrangdarlehen und ist FMA-konform. „Na, dann spielen wir halt dieses blöde, unwürdige Spiel mit“, wetterte Staudinger. Er hätte gerne persönlich gebürgt – auch das ist ihm nicht erlaubt. Der Behörde wirft er „Wortklauberei“ vor – sie wolle nur das Monopol der Banken absichern.

FMA-Vorstand Klaus Kumpfmüller dreht den Spieß jedoch um: „Herr Staudinger hat sich für den einfachsten Weg entschieden, der seinen Geldgebern nur ein Minimum an Rechten einräumt.“ Die Gesetze und der Anlegerschutz hätten für alle gleich zu gelten. 2013 habe die FMA für 80 Anfragen zu alternativen Finanzierungen „problemlos“ gesetzeskonforme Lösungen gefunden.

Ein wenig kämpft Staudinger doch noch weiter. Die 2000 Euro Verwaltungsstrafe für die jahrelange Gesetzesübertretung will er nicht zahlen. Gut möglich also, dass in Schrems demnächst der Exekutor anklopft.

Crowdfunding: Massen-Finanzierung

Wenn Kleinunternehmen von Privaten kleine Geldbeträge einsammeln, damit sie investieren können, nennt man das Crowdfunding. In Österreich ist bis 250.000 Euro eine Ausnahme möglich: Bis zu diesem Limit können sich Unternehmer finanzieren, ohne teure Prospekte veröffentlichen zu müssen. Zwei Internet-Plattformen, 1000 x 1000 und Conda, suchen für Kleinfirmen online Financiers. Conda hat zuletzt 70.000 Euro für ein Wohnwagen-Projekt aufgetrieben. Geht das Projekt gut, können Geldgeber sogar mit einer Rendite rechnen.

Der oberösterreichische Massivholz-Möbelhersteller Grüne Erde, der Bio-Großbauer Achleitner, die auf fairen Handel spezialisierte EZA und die Hilfsorganisation „Don Bosco – Jugend Eine Welt“ haben eines gemeinsam: Sie haben Geld von Kunden und Unterstützern eingesammelt, um in ihre Unternehmen oder Organisationen zu investieren und haben prompt Probleme mit der Finanzmarktaufsicht bekommen. Obwohl sie alle diese Finanzierungen auf gesetzeskonforme „nachrangige Darlehen“ umgestellt haben, zeigen sie wenig Verständnis für das Ansinnen der Aufsicht. „Ich bin ratlos und verständnislos. Unsere Darlehensgeber gewähren uns das Geld zinsenlos und werden zu Gläubigern zweiter Klasse degradiert. Banken, die Zinsen verlangen, sind besser gestellt“, sagt Marion Fercher von Don Bosco – Jugend Eine Welt.

Geld von Banken hätten all diese Unternehmen und Organisationen allerdings kaum bekommen. „Seit dem Finanz-Crash ist es für Klein- und Mittelbetriebe wie die Grüne Erde schwierig geworden, von Banken Geld für Investitionen zu leihen“, heißt es bei der Grünen Erde. Die Warenlager werden von Banken nicht mehr als Sicherheit akzeptiert.

Aufsicht und Arbeiterkammer sehen diese Gründe zwar, pochen aber auf Verbraucherschutz. „Anleger, die gutes Geld in derlei Projekten anlegen, verzichten auf viele Sicherheiten“, warnt AK-Expertin Gabriele Zgubic. Daher seien Regeln dafür nötig.

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