Staat kommt günstiger weg denn je

Staat kommt günstiger weg denn je
Für seine Neuschulden zahlt Österreich 2013 nur 1,5 Prozent Zinsen – ein historischer Tiefstand. OeBFA-Vorstand Martha Oberndorfer im Interview.

Ob Schwarzseher oder Frohnatur: Österreichs Schuldenstatistik liefert für jedes Temperament passende Zahlen.

- Für Pessimisten Die Republik zahlt so viel Zinsen wie nie? Stimmt. Österreich muss für seinen Schuldenberg seit einigen Jahren einen immer höheren Betrag aufbringen. Heuer wird sich dieser Zinsaufwand auf rund 7,6 Milliarden Euro belaufen.

- Für Optimisten Österreich zahlt für seine Staatsschulden so niedrige Zinsen wie nie zuvor? Stimmt auch. Gemessen an der Wirtschaftsleistung sinkt der Anteil der Zinsen deutlich (siehe Grafik).

Staat kommt günstiger weg denn je

Betrachtet man die Kredite, die der Staat 2013 aufgenommen hat, so sind die Zinsen überhaupt auf einem historischen Tief, sagt Martha Oberndorfer, oberste Schuldenmanagerin des Landes, zum KURIER. Österreich zahlt für seine Neuschulden heuer nur 1,5 Prozent Zinsen – das ist der Wert quer über alle Schuldpapiere, die von Jänner bis Ende November ausgegeben wurden. Die Laufzeit war mit 10,4 Jahren überdurchschnittlich hoch.

Oberndorfer sieht die günstigen Konditionen selbst dann gut abgesichert, wenn die Europäische Zentralbank die Zinsen in ferner Zukunft anhebt: „Mehr als 95 Prozent der Schulden haben einen festen Zinssatz – da ändert sich nichts, wenn die Zinsen steigen.“ Betroffen wären nur Altschulden, die fällig werden, und die laufende Neuverschuldung.

Muss Österreich wegen des „Budgetlochs“ künftig mehr Schulden aufnehmen? Dazu äußert sich Oberndorfer nicht; das zu beschließen sei Sache des Finanzministeriums und Parlaments: „Ich bin die Marktfrau, die am Kapitalmarkt die Summen besorgt, die benötigt werden.“ 2014 werden das zwischen 28 und 30 Milliarden Euro sein – nach 29 Milliarden im heurigen Jahr: So sieht es der am Donnerstagabend veröffentlichte Auktionskalender vor.

Kredit auf 70 Jahre

Ziemlich sicher ist, dass die Staatsschulden die meisten der jetzt Erwachsenen überleben: Im Jänner 2012 hat die OeBFA eine Anleihe begeben, die 2062 fällig wird – europaweit die derzeit längste Laufzeit. Österreich hat heuer die Gesetze geändert, sodass sogar 70-Jahres-Kredite möglich wären; also Anleihen, die erst 2084 zurückgezahlt werden müssten. „Wir haben das momentan nicht auf der Agenda“, sagt Oberndorfer. Der Markt werde ständig sondiert – der Käuferkreis für so lange Laufzeiten sei „potent, aber sehr klein“: Lebensversicherungen und Pensionskassen. Die Zinsen sind nicht einmal für diese sehr attraktiv: Die Anleihe, die 2062 fällig wird, wird aktuell mit weniger als 3 Prozent Rendite gehandelt.

... sind die wichtigste Kreditform, mit der sich Staaten finanzieren. Anleihen haben feste Zinssätze (Kupon) und werden meist nach 2 bis mehr als 30 Jahren zurückgezahlt. Sie können ständig gehandelt werden – der Kurs der Papiere entwickelt sich dabei gegenläufig zur Rendite. Sie signalisiert, welchen Zinssatz der Markt gerade erwartet. Vor der Eurokrise gab es kaum Unterschiede – jetzt reicht die Spanne von 1,8% auf 10 Jahre (Deutschland) bis 8,9% (Griechenland). Mit 2,09% zahlt Österreich die drittniedrigsten Zinsen im Euroraum.

KURIER: Sie sind seit Februar 2008 im OeBFA-Vorstand und damit Österreichs führende Schuldenmanagerin. Dieser Zeitraum deckt sich annähernd mit der Finanzkrise. Was waren im Rückblick die intensivsten Momente?

Martha Oberndorfer: Ich habe wohl die spannendste Zeit für eine Staatsschuldenmanagerin gewählt. Besonders interessant war die Woche mit der Lehman-Insolvenz im September 2008, aber auch das Entstehen der Krisenlösungsmechanismen auf europäischer Ebene, EFSF und ESM. Da waren die Staatsschuldenmanager gefragt, um zu klären, welche Konzepte vom Markt angenommen werden. Und nicht zuletzt hat die Bundesfinanzierungsagentur heuer ihr 20-Jahres-Jubiläum gefeiert.

KURIER: Sie haben jetzt nicht die Debatte über eine mögliche Staatspleite Österreichs erwähnt, die US-Nobelpreisträger Paul Krugman 2009 losgetreten hatte. Oder waren deren Folgen gar nicht so dramatisch?

Oberndorfer: Es war sehr unangenehm, weil es Österreich in die Schlagzeilen gebracht hat. Das wird schon auf dem Markt registriert. Aber was letztlich zählt, ist der absolute Zinssatz, zu dem sich die Republik finanziert. Hier liegen wir sehr gut. Da haben wir heute eine enorme Spanne unter den Eurostaaten– zwischen 1,8 Prozent für zehnjährige Staatsschulden in Deutschland und 8,91 Prozent für Griechenland. Österreich zahlt mit 2,09 Prozent den drittniedrigsten Satz.

KURIER: Unsere Staatsschulden könnten – wegen der Hypo Kärnten, ÖBB, Gemeindeauslagerungen –über 80 Prozent des BIP steigen. Wäre ein weiterer Ratingverlust für Österreich gar nicht so schlimm? Die Zinskosten sind ja durch den AAA-Verlust nicht gestiegen…

Oberndorfer: Die Bonität spielt für das Standing im Markt eine große Rolle. Österreich hat ein Toprating, bei drei der vier größeren Agenturen (Moody’s, Fitch, DBRS, Anm.) hat Österreich ein Triple-A, bei einer (Standard&Poor’s, Anm.) ist es auf der zweitbesten von 21 Ratingstufen. Viele Marktteilnehmer beobachten sehr genau, wie die Konsolidierung vorangeht und beleuchten die Solidität der Staatsfinanzen und vor allem die Schuldentragfähigkeit.

KURIER: Wie viele Zinsen muss Österreich für seine Schulden denn aktuell zahlen?

Oberndorfer: Der Bundesvoranschlag 2013 sieht 7,6 Milliarden Euro für Zinsen vor. Heuer wurde ein sehr tiefes Zinsniveau erreicht. Zwischen Januar und Ende November haben wir Schulden mit einer Durchschnittslaufzeit von 10,4 Jahren und einem Zinssatz von 1,5 Prozent aufgenommen. Das ist ein historischer Tiefstand.

KURIER: Wie viel müsste Österreich zahlen, wenn die Europäische Zentralbank die Zinsen anhebt?

Oberndorfer: Das Schuldenportfolio des Bundes ist relativ gut abgesichert gegenüber einem Zinsanstieg. Mehr als 95 Prozent der Schulden haben einen festen Zinssatz – da ändert sich nichts, wenn die Zinsen steigen. Betroffen wäre nur das, was neu finanziert werden muss: Tilgungen von Altschulden und die Neuverschuldung. Die durchschnittliche Laufzeit der Schulden liegt per Ende November bei 8,7 Jahren. Daraus erkennen Sie, dass in einem Jahr nicht wahnsinnig viel fällig werden kann. Das, was schwanken kann, ist somit relativ wenig – bezogen auf die Schwankung der Zinsausgaben unter einem halben Prozent des Gesamtportfolios pro Jahr.

KURIER: Georg Kapsch, der Präsident der Industriellenvereinigung, hat kürzlich erwähnt, dass „alleine wenn der Zinssatz für Staatsschulden auf zwei Prozent steigen würde, uns weitere sechs Milliarden Euro fehlen." Was sagen Sie dazu?

Oberndorfer: Ich kenne diese Rechnung nicht im Detail und kann sie deswegen auch nicht kommentieren.

KURIER: Muss Österreich wegen des „Budgetlochs“ mehr Schulden aufnehmen?

Oberndorfer: Zwischen Finanzministerium und Schuldenmanagement gibt es eine ganz klare Trennung. Die Budgets werden im Finanzministerium gemacht und im Parlament werden Beschlüsse gefasst, wie viel zu finanzieren ist. Ich bin die „Marktfrau“, die am Kapitalmarkt die Summen besorgt, die benötigt werden. Da gibt es jedes Jahr Schwankungen, weil sich das Steueraufkommen ändert. Da gibt es einen laufenden Austausch, um die Finanzierungspläne anzupassen.

KURIER: Der Finanzrahmenplan blickt mehrere Jahre in die Zukunft. Da müssen Sie doch auch jetzt wissen, wie viel künftig neu finanziert werden muss, oder?

Oberndorfer: Wir wissen, wie viele Tilgungen wann anfallen. Diese Refinanzierungen sind eine wesentliche Dimension des Emissionsvolumen. Wir haben einen sehr ausgewogenen Verlauf, das sehen Sie an der hohen durchschnittlichen Laufzeit.

KURIER: Apropos Laufzeit: 2013 wurde ein Gesetz geändert, sodass die OeBFA neuerdings Anleihen mit 70 Jahren Laufzeit ausgeben könnte. Ist das geplant?

Oberndorfer: Wir haben im Jänner 2012 eine 50-jährige Anleihe begeben. Das ist bis dato die längste Staatsanleihe in der Eurozone, die es gibt. Längere Laufzeiten hat es in kleineren Volumina bereits gegeben, aber eine öffentliche Anleihe mit 70 Jahren haben wir momentan nicht auf der Agenda.

KURIER: Könnte das kurzfristig geplant werden?

Oberndorfer: Natürlich, wir beobachten den Markt laufend - das ist immer ein Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Der Käuferkreis für so lange laufende Anleihen ist sehr klein, aber potent. Das sind im Wesentlichen Lebensversicherungen und Pensionskassen. Die Nachfrage am sehr langen Ende hat auch mit dem absoluten Zinsniveau zu tun. Je höher, umso größer die Nachfrage. Unsere 50-jährige Anleihe, die 2062 fällig wird, hätte bei einer Aufstockung derzeit einen Zins von unter 3 Prozent. Das spiegelt das aktuelle Marktniveau wider.

KURIER: Deshalb wäre ein 70jährige Anleihe aus Anlegersicht momentan nicht interessant?

Oberndorfer: Wir haben punktuell Anfragen für ultra-lange Laufzeiten. Nächste Woche werden wir bei der Auktion die 2034er-Laufzeit aufstocken, in diesem Segment besteht derzeit rege Nachfrage des Marktes.

KURIER: Bei kurzen Laufzeiten gab es vereinzelt sogar negative Zinsen. Das bedeutet, dass ein Geldgeber praktisch noch etwas draufzahlen musste, um Österreich Geld borgen zu dürfen. Das kann doch kein Normalzustand sein, oder?

Oberndorfer: Sie haben völlig recht, das ist eine Anomalie. Viele Leute am Markt würden sich leichter tun, wenn wir ein höheres Zinsniveau hätten.

KURIER: Wer?

Oberndorfer: Denken Sie an sehr konservative Investoren, die sehr langfristig investieren müssen, wie Lebensversicherungen oder Pensionskassen. Sie haben das Spannungsfeld, dass sie im Wesentlichen in eher risikoarme Veranlagungen gehen müssen. Aber auch die Konsumenten wollen einen Return sehen und auch die Kosten müssen verdient werden. Marktteilnehmer, die in Margen denken, tun sich da mit einem absoluten Zinsniveau von 2 Prozent für 10 Jahre deutlich schwerer als wenn dieses bei 4 oder 6 Prozent liegt.

KURIER: Kommen negative Zinsen bei österreichischen Staatspapieren jetzt auch noch vor?

Oberndorfer: Das war bei Laufzeiten im kurzfristigen Bereich der Fall, vor allem 2012. Im Juli 2012 gab es sogar für zweijährige Bundesanleihen negative Zinssätze. Derzeit sind die Zinsen für kurzes Geld in der Nähe von Null.

KURIER: Einerseits ist das Zinstief ein Ausnahmezustand, andererseits warnen viele Experten vor steigenden Zinsen. Soll man auf eine Normalisierung der Zinsen hoffen oder sich davor fürchten?

Oberndorfer: Das kann ich nicht in einem Satz beantworten. Zinsvorhersagen gebe ich prinzipiell nicht ab – meine Aufgabe ist, für die bestmögliche Finanzierung der Republik zu sorgen, in jedem Zinsumfeld. Es gibt eine große Vielfalt von Laufzeiten – da findet jeder Investor, was er nach seinen spezifischen Bedürfnissen braucht.

KURIER: Tatsache ist aber, dass der Kurs österreichischer Staatsanleihen kaum noch steigen kann. Wenn wieder höhere Zinsen kommen, kann der Kurs fast nur fallen. Sind sie damit nicht weniger attraktiv?

Oberndorfer: Investoren, die Staatsanleihen mit sehr guter Bonität kaufen, tun das oft aus Gründen der Aktiv-Passiv-Steuerung …

KURIER: … womit Finanzinstitute die Risiken zwischen Vermögenspositionen und Verpflichtungen ausgleichen oder die Zinsrisiken steuern…

Oberndorfer: … und wir müssen zudem zwei Themen unterscheiden: Kursschwankungen, die mit den unterschiedlichen Laufzeiten von Anleihen zu tun haben und solche, die von der Kreditqualität abhängen. Für viele Investoren ist die Sicherheit das Allerwichtigste, ihnen geht es nicht um kurzfristige Ertragsmaximierung.

KURIER: Die Bundesschätze, die für Privatanleger gedacht sind, dürften bei einem Zinssatz von 0,4 Prozent für zwei Jahre momentan nicht besonders gefragt sein, oder?

Oberndorfer: Bei höheren Zinsen wäre die Nachfrage sicher größer. Andererseits gibt es auch hier eine Gruppe von Anlegern, bei denen die Sicherheit im Vordergrund steht. Denken Sie an die Veranlagung von Mündelgeldern.

KURIER: Wie viele Bundesschätze sind denn momentan in Hand privater Investoren?

Oberndorfer: Auf Bundesschatzscheine entfallen insgesamt 5,33 Milliarden Euro – das umfasst auch Austrian-Treasury-Bills (Geldmarktpapiere mit Laufzeit von maximal 12 Monaten, Anm.), welche primär von sicherheitsorientierten, institutionellen Anlegern erworben werden. Die Bundesschätze für Privatanleger werden von uns nicht gesondert ausgewiesen.

KURIER: Die OeBFA sorgt dafür, dass die Republik „flüssig“ ist. Wie sind diese Kassenmittel veranlagt?

Oberndorfer: Das Cash-Management ist eine sehr wichtige Aufgabe. Der Haupt-Steuertermin ist Mitte des Monats, da gibt es viele Eingänge. Die Auszahlungen des Bundes sind meistens Anfang des Monats. Wir bewegen uns hier im sehr kurzfristigen Bereich – typischerweise sind das Veranlagungen von Übernacht bis zwei Wochen. Kassenmittel dürfen maximal 12 Monate veranlagt sein. Kassenstände werden möglichst eng geplant und sind konservativ veranlagt – da kommen nur Geldmarktinstrumente in Frage.

KURIER: Der Privatanleger verliert auf dem Girokonto Geld. Die Republik auch?

Oberndorfer: Liquidität kostet fast immer. Wenn man kurzfristige Mittel parkt, und gleichzeitig den Zinssatz für langfristige Schulden zahlen muss, hat das negative ökonomische Implikationen.

KURIER: Würde die OeBFA ein negativer Einlagenzinssatz der Europäischen Zentralbank, also ein Minuszins für geparktes Geld der Banken, treffen?

Oberndorfer: Die Republik Österreich ist keine Bank und das Schuldenmanagement kontrahiert nicht mit der EZB. Aber selbstverständlich spielen die Marktzinssätze auch für uns eine große Rolle.

KURIER: Indirekt wäre die OeBFA davon also auch betroffen, zum Beispiel mit den Kassenmitteln?

Oberndorfer: Es ist derzeit so, dass die Zinssätze auf dem Geldmarkt nahe Null sind – für uns sowohl auf der Haben-, als auch auf der Sollseite.

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