Spurensuche im Debakel um die Kärntner Hypo

FOTOS: Logo Hypo: APA/Barbara Gindl 16.11.2009 Hand mit Lupe: iStockphoto
Die Verantwortung für das Debakel der Hypo müssen viele schultern: Die Kärntner Landespolitik unter Jörg Haider, die früheren Manager, die Bayerische Landesbank und die Aufsichtsbehörden.

Wer ist für das Hypo-Debakel verantwortlich?

Die irrwitzige Expansion der Hypo Kärnten begann um das Jahr 2000, nach dem Ende des Balkankonfliktes. Wolfgang Kulterer war seit 1992 Vorstandssprecher. Er hatte damals eine kleine Regionalbank mit zwei Milliarden Euro Bilanzsumme übernommen. Zwischen 2000 und 2006 explodierte diese jedoch von 5,4 auf 31 Milliarden Euro. Im Oktober 2006 musste Kulterer nach Spekulationsverlusten (Swap-Affäre) den Chefsitz räumen – zum Missfallen von Landeshauptmann Jörg Haider, der den „Visionär“ direkt in den Aufsichtsrat hievte. Nachfolger Siegfried Grigg von der Grazer Wechselseitigen waren nur wenige Monate im Chefsitz vergönnt. Im Juli 2007 löste ihn nämlich der deutsche Investor Tilo Berlin ab, der sich einige Monate zuvor in einem strittigen Deal an der Bank beteiligt hatte. Im Mai verkündete die BayernLB den Einstieg – die Bayern setzten den Expansionskurs mit einem Einstieg in der Ukraine und Bulgarien fort. Die Geschäfte in diesem Ländern wurden zu einem Total-Flop. Berlin blieb bis April 2009 Bankchef. Noch im Oktober 2008 sah er „keine nennenswerten Belastungen“ durch die Krise – im November musste sich die Hypo um Geld aus dem Bankenhilfspaket anstellen.

Wer war in dieser Zeit in Kärnten am Ruder?

Die Beziehungen der Bank zu ihrem Haupteigentümer, dem Land Kärnten, waren in all den Jahren eng. Von 1991 bis 1999 war Christof Zernatto (ÖVP) Landeshauptmann. In der Zeit des kometenhaften Hypo-Aufstiegs ab 2000 (siehe Grafik) ist die FPÖ (ab 2005 als BZÖ) am Ruder: Landeshauptleute sind Jörg Haider und (nach dessen Unfalltod) Gerhard Dörfler.

Was lief bei den Hypo-Geschäften schief?

Wachstum um jeden Preis: Das war lange die Devise der Hypo Kärnten. Die Managementstrukturen und interne Risikokontrolle hielten damit nicht Schritt. Kredite waren mangelhaft besichert, Leasinggeschäfte wurden ohne ausreichende Prüfung eingegangen. Am Balkan waren zudem der Verdacht von Mafiakontakten unter Geschäftspartnern ständiger Begleiter.

Wo waren in all den Jahren die Aufsichtsbehörden?

Der Hypo-Skandal ist für die Aufseher kein Ruhmesblatt. Gegen kriminelle Machenschaften ist eine Aufsicht machtlos, lautet die Rechtfertigung. Allerdings hat die Aufsicht die Hypo mehrmals geprüft – ohne nennenswerte Vorwürfe zu erheben. Tatsächlich waren die Behörden schlicht überfordert: Ihr Personalstand wuchs mit den Banken nicht mit, die länderübergreifende Kontrolle war nur begrenzt möglich. Zudem herrschte die Ideologie vor, möglichst wenig in den Markt einzugreifen. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) entstand unter Finanzminister Karl-Heinz Grasser 2002 als weisungsfreie Behörde. Der Polit-Druck blieb aber groß: Noch 2006 drohte Haider den damaligen FMA-Aufständen Heinrich Traumüller und Kurt Pribil mit Klagen.

Warum durfte das Land Kärnten so hohe Garantien für die Hypo abgeben?

Die EU beschloss schon 2003, dass Bundesländer ihre Garantien für die Landes-banken einstellen müssen. Brüssel sah diese als Wettbewerbsverzerrung, weil diese Banken günstiger an Geld herankamen. Allerdings räumte die EU eine großzügige Übergangsfrist ein: Erst ab April 2007 durften keine neuen Haftungen eingegangen werden, bestehende mussten bis zum Jahr 2017 auslaufen. Ähnlich wie die deutschen Landesbanken nützte besonders die Hypo Kärnten die Zeit und warf garantierte Anleihen in großer Stückzahl auf den Markt. So explodierten die Landeshaftungen in der Spitze 2006 auf fast 25 Milliarden Euro – weit mehr, als Kärnten je verkraften könnte.

Warum durfte die Hypo nicht pleitegehen?

Der Hauptgrund waren die Landeshaftungen, die schlagend geworden wären. Zudem hätte es andere Hypo-Banken und kleinere Banken mit in die Pleite gerissen. Denn die Hypos haften für die Spareinlagen der Kärntner Hypo mit. Zudem waren sie über Zwischenbankgeschäfte eng mit der Kärntner Krisenbank verbunden. Hätten die Hypos nicht zahlen können, hätte es schließlich die anderen Banken getroffen – ein Dominoeffekt, den man vermeiden wollte.

Welche Rolle haben die Bayern gespielt?

Zum Zeitpunkt der Notverstaatlichung im Dezember 2009 war die Bayerische Landesbank Haupteigentümer der Hypo. Kritiker beanstanden, dass sie viel zu billig davongekommen ist. Sie hätte als Hypo-Mutter eigentlich für ausreichende Kapitalausstattung und Liquidität sorgen müssen. Doch die Bayern taten das Gegenteil. Sie zogen über Monate Geld aus der Hypo ab und drängten Österreich in die Enge. Die Republik konnte die Hypo aber nicht pleitegehen lassen – unter anderem wegen der Haftungen des Landes Kärnten.

Könnte Ähnliches noch einmal passieren?

Ja, es kann wieder passieren. Das Bankgeschäft besteht darin, Risiken zu managen – und ist somit von Haus aus risikobehaftet. Krisen, schlechtes Management und kriminelle Aktionen lassen sich nie ganz ausschließen. Ein Hoffnungsschimmer sind die Brüsseler Pläne für eine Bankenunion: Das geplante Abwicklungsregime soll verhindern, dass sich Bankeigentümer aus der Verantwortung stehlen und die Probleme dem Staat umhängen. Die Steuerzahler sollen erst am Schluss – nach Aktionären, Anleihenbesitzern und dem Finanzsektor insgesamt – zur Kasse gebeten werden. Und die neue Bankenaufsicht bei der EZB soll den Schiedsrichter spielen, wenn sich zwei Länder nicht über eine Bankpleite einigen können. Hätte es die EU-Bankenunion 2009 gegeben, wäre Österreich wohl besser ausgestiegen.

Welche Fehler passierten nach der Verstaatlichung?

Die Regierung schaffte es nicht, sich mit der Bankführung auf einen Sanierungsplan für die Hypo zu einigen. Unnötig war vor allem das Gezerre um eine mögliche Bad Bank, das zu den Rücktritten von Aufsichtsratschef Johannes Ditz und Bankchef Gottwald Kranebitter führte. Dadurch ging viel Zeit verloren, der Kapitalbedarf stieg zugleich enorm. Die EU-Kommission kritisiert, auch nach 2009 seien mangelhaft besicherte Kredite vergeben worden. Aufsichtsratschef Klaus Liebscher bestätigt eine „Handvoll“ Fälle in Italien. Die dortige Hypo-Tochter darf aber seit Juli kein Neugeschäft mehr machen.

Freitag, 11. Dezember 2009: Die Bayerische Landesbank entzog ihrer Kärntner Tochter die lebensnotwendige Liquidität – Geld also, das die Bank zur Aufrechterhaltung ihrer täglichen Geschäfte brauchte.

Ein Regierungskommissär, der ab Montag die Geschäfte der finanziell ausgehungerten Hypo im Auftrag der Aufsicht lenken sollte, machte sich umgehend auf den Weg nach Kärnten. „Damit war klar: Wenn wir nichts tun, ist die Hypo am Montag pleite. Ein Bank-Run war zu erwarten, die Kunden würden massenhaft Geld abziehen – mit unabsehbaren Auswirkungen auf andere Banken.“ Staatssekretär Andreas Schieder erinnert sich heute noch mit Schaudern an jene entscheidenden Stunden in der Nacht von Sonntag, 13. auf Montag, 14. Dezember 2009. Alle hochrangigen Vertreter von Notenbank, Finanzmarktaufsicht und Finanzminister Josef Pröll mit seinen Beratern sowie Staatssekretär Schieder debattierten bis in die frühen Morgenstunden. Pleitegehen lassen oder nicht?, lautete die brisante Frage. Die SPÖ tendierte dazu, die Hypo fallen zu lassen. Die Bank sei klein und für Österreich nicht systemrelevant, lautete ihr Argument. Erst als sich der damalige Chef der Europäischen Zentralbank, Claude Trichet, bei Notenbank-Chef Ewald Nowotny persönlich meldete und darauf drang, inmitten der Finanzkrise keine Bank pleite gehen zu lassen, entschloss sich die Regierung zur Verstaatlichung. Immerhin war die Hypo in Kroatien die größte Bank. Ein Zusammenbruch hätte die Wirtschaft destabilisiert: Private und Unternehmer wären wochenlang nicht zu ihrem Geld gekommen.

Bei der Hypo Alpe-Adria, deren Ende als am Markt agierende Bank mit der EU-Entscheidung für Mitte 2015 fixiert ist, dreht sich jetzt alles um die Bad Bank: Wird es überhaupt eine geben und wenn ja, in welcher Form und was bringt sie überhaupt?

Letzteres ist am leichtesten zu beantworten. Werden nämlich alle faulen Kredite und derzeit nicht verkäuflichen Immobilien oder Leasingobjekte in eine Bad Bank übertragen, erspart sich die Hypo einiges an Eigenkapital – und der Steuerzahler damit zusätzliche Zuschüsse. Denn eine Bad Bank ist nicht mehr am Markt aktiv und braucht laut Gesetz weniger Eigenkapital als eine funktionierende Bank. Dieses Gesetz allerdings muss die neue Bundesregierung erst schaffen, am besten vor Jahresende. Denn damit kann die Bad Bank noch für die Hypo-Bilanz 2013 genutzt werden.

Im Finanzministerium arbeiten Experten der Taskforce Hypo mithilfe deutscher Spezialisten unter Hochdruck an möglichen Modellen. Acht verschiedene Ausgestaltungen einer Bad Bank gibt es laut Hypo-Aufsichtsratschef Klaus Liebscher. Ende September sollen sie vorgestellt werden.

Banken-Beteiligung

Finanzministerin Maria Fekter wünscht sich, dass sich Österreichs Banken an einer Bad Bank für die Hypo zumindest zur Hälfte beteiligen. Auch internationale Investoren oder Hedgefonds könnten dafür infrage kommen. Wenn eine Bad Bank nämlich zu mehr als der Hälfte nicht dem Staat gehört, erhöht sie auch nicht die Staatsschulden. Die Banken fordern als Ausgleich für ihre Unterstützung eine Aussetzung der Bankenabgabe und der künftigen Finanztransaktionssteuer.

Etwa 18 Milliarden Euro an Bankgeschäften will die Hypo in eine Bad Bank verschieben: Das ist das gesamte Italien-Geschäft sowie uneinbringliche Kredite am Balkan und der Großteil der Leasing-Aktivitäten. Sollte diese Verschiebung in eine Bad Bank noch heuer gelingen, könnte der notwendige Staatszuschuss in diesem Jahr statt drei Milliarden weniger als 1,9 Milliarden Euro ausmachen. Doch Achtung: Die Verluste verschwinden damit nicht, sie werden nur auf die lange Bank geschoben.

Die Haftungen Kärntens sind Wahlkampfthema geworden. Die Opposition behauptet, die Regierung hätte mit der Verstaatlichung der Hypo den Freistaat Bayern bzw. die Bayern LB, die damals Hypo-Eigentümerin war, aus Haftungen entlassen.

Auf KURIER-Anfrage stellt nun die Finanzmarktaufsicht (FMA) klar:

Zum Zeitpunkt der Notverstaatlichung betrugen die Haftungen Kärntens 19 Milliarden Euro. Die Gläubiger der Bank, für deren Anleihen Kärnten haftete, sind in konkreten Fällen nicht bekannt, aber in der Regel institutionelle Investoren wie Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Investmentfonds.

Wäre über die Hypo die Insolvenz eröffnet worden – was ohne Verstaatlichung drohte – hätten diese Gläubiger auf den Ausfallsbürgen zugreifen können, sagt die FMA. Der Ausfallsbürge war Kärnten. Zitat der FMA zur Frage, warum nicht die bayrischen Eigentümer bürgen mussten: „Wenn es keine zusätzlichen Garantien und Bürgschaften eines Aktionärs gibt, kann ein Aktionär grundsätzlich nicht über sein bereits eingezahltes Kapital hinaus verpflichtet werden.“ Das heißt: Da Jörg Haider 2007 beim Verkauf der Hypo an die Bayern keine Zusatz-Garantien vereinbart hatte, konnten die Bayern nicht zu Haftungen über ihr eingezahltes Kapital hinaus belangt werden. Für die 1,4 Milliarden Spareinlagen in Österreich haftete letztlich die Republik für bis zu 100.000 € pro Sparer.

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