Sportartikelhandel: Die Fahrradkette hängt an der Lieferkette
KURIER: Wie erlebt der Sportfachhandel das Jahr 2022 bisher?
Holger Schwarting: Im Jänner waren wir hinter den erwarteten Umsätzen, vor allem in den Tourismusgebieten, zurück. Von Februar bis März haben wir zumindest einiges aus den Winter-Lockdowns aufholen können. Doch dann kam die Ukraine-Krise. Hinzu kommen Lieferkettenprobleme. Wir haben nicht das Sortiment verfügbar, das wir normalerweise haben. Das hat uns Umsatz gekostet.
Spüren Sie durch den Krieg eine Kaufzurückhaltung?
Je länger der Krieg in der Ukraine dauert und die Inflation durchschlägt, desto mehr spüren wir eine Kaufzurückhaltung. Die Frequenz ist niedriger, etwa auch im Vergleich zum Modehandel.
Wie macht sich das bemerkbar?
Statt des großen Booms bei hochpreisigeren Sportartikeln, wie E-Fahrräder, ist eine gewisse Stagnation eingetreten. Viele fragen sich, ob sie sich das jetzt kaufen oder abwarten sollen. Langfristig sehen wir schon einen Boom bei E-Fahrrädern, aber derzeit ist er unterbrochen. Trotz allem ist der Umsatz des Sportfachhandels im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um einen hohen einstelligen Prozentbereich größer. Wir sind aber immer noch nicht beim Niveau von 2019 vor dem Ausbruch der Pandemie.
Verschärft der russische Angriff auf die Ukraine die Lieferkettenproblematik im Sportfachhandel?
Es gibt einige Lieferanten, die in der Ukraine produzieren, wie zum Beispiel Fischer. Die sind zum Glück im westlichen Teil des Landes. Die Frage ist, ob die in der Ukraine bestellten Mengen geliefert werden können. Aber insgesamt ist das ein kleiner Anteil im Sportfachhandel, der Großteil kommt aus Fernost. Es trifft uns viel mehr, wenn in China Fabriken geschlossen werden, weil irgendwo ein Covid-Fall aufgetreten ist. Das wird uns weiter treffen. Außerdem zeigte ein Kauflust-Barometer aus Deutschland im Juni den tiefsten Wert seit Messbeginn 1992. Mit Freude gehen die Menschen gerade nicht einkaufen.
Wie schlagen sich die unterbrochenen Lieferketten konkret nieder?
Da kommt es zu echten Umsatzverlusten, wenn die Ware nicht zum richtigen Zeitpunkt kommt, wie in dieser Saison die Fahrräder. Im März und April werden die meisten verkauft, Kinderfahrräder zu Ostern. Die Fahrräder waren einfach nicht da. Das holt man nachher nicht mehr auf. Da muss man die Räder fürs nächste Jahr auf Lager legen.
Welche Waren sind leichter, welche schwieriger zu beschaffen?
Bei den Fahrrädern hat es sich ein wenig entspannt, am schwierigsten sind derzeit Sportschuhe, egal ob Lauf-, Wander- oder Trekkingschuhe. Ein Großteil kommt aus China. Und wir haben große Sorge, ob die Wintersportartikel geliefert werden. Auch wenn die Industrie dies derzeit zusagt.
Wie wird sich das weiterentwickeln?
2022 wird die Warenverfügbarkeit noch instabil bleiben, 2023 soll es dann besser werden. Aber über die Preise lässt sich noch nichts Konkretes sagen. Die Industrie hat die Bestelltermine um sechs bis acht Wochen nach vorne gelegt, dadurch wurde das Risiko vermehrt auf die Händler verlagert. Denn diese wissen da noch nicht so genau, wie viel sie bestellen sollen.
Was belastet die Branche noch?
Die Preistreiber sind die Energie- und Containerpreise. Für einen Container zahlen wir das Fünf- bis Sechsfache wie in normalen Zeiten. Wir können das nicht in der Kostenstruktur unterbringen, daher kommt es zu Preissteigerungen. Die Preise dürfen aber nicht zu sehr steigen, damit sie die Kunden nicht ablehnen.
Ist der Sporthandel ein Inflationstreiber?
Die Inflation liegt im Sporthandel im Durchschnitt bei rund zehn Prozent. Die Containerpreise sollten mal wieder hinuntergehen, aber wir haben einen extrem schwachen Euro. Vieles kommt aus Fernost. Da wird in Dollar gehandelt, das ist ein Kostentreiber.
Wie läuft es im Online-Handel?
Der ist während der Pandemie stark gestiegen. Gleichzeitig zeichnet den österreichischen Markt auch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern aus, dass der Kunde die Beratung im spezialisierten Sportfachhandel sehr schätzt. Manche Hersteller wollen jedoch immer mehr selbst direkt an den Endkunden verkaufen. Bei Engpässen geben sie die Ware in ihre eigenen Absatzkanäle, der Fachhandel zieht dann den Kürzeren.
Wie ist Ihr Ausblick für das restliche Jahr?
Das hängt von der Lieferfähigkeit ab, vor allem, ob die Winterware kommt. Und von der Frage, wie es mit der Kaufzurückhaltung weitergeht. Auch der Personalmangel ist ein Problem. Es gab viele Saisonkräfte aus dem Ausland. Wegen der Corona-Pandemie sind sie in den vergangenen zwei Jahren zu Hause geblieben.
Mit welchen Trends können wir rechnen?
Laufen, Radfahren, Outdoor-Aktivitäten wie Wandern, oder Klettern werden weiterhin gefragt sein.
Zur Person: Holger Schwarting (57)
Der Vorstand von Sport 2000 Österreich und Aufsichtsratsvorsitzender von Sport 2000 International, ist seit März neuer Sprecher des vierköpfigen VSSÖ-Präsidiums. Der VSSÖ (Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs) besteht seit 1946.
Während viele Jahre vor allem Aus- und Weiterbildung im Sportfachhandel und in der Industrie im Mittelpunkt standen, hat sich der Verband nach den beiden Lockdown-Wintern, die vor allem in der Skiindustrie und im touristischen Sportfachhandel Spuren hinterlassen haben, mit einem vierköpfigen Präsidium als Interessensvertretung neu aufgestellt.
Ziel ist eine starke Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel, um mit einer Stimme gegenüber politischen Entscheidungsträgern aufzutreten.
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