Spione, Lügen, Geldwäsche: Die Skandale der Credit Suisse
"Ein Zugunglück in Zeitlupe" - so beschreibt ein Analyst die tiefe Vertrauenskrise der Credit Suisse, die am Mittwoch in einem Kursrutsch und einer Rettungsaktion der Schweizerischen Notenbank (SNB) gipfelte. Die Liste der Skandale, mit denen die Schweizer Großbank in den vergangenen Jahren zu kämpfen hatte, liest sich wie ein Kriminalroman.
Wegen der Beschattung eines abtrünnigen Managers musste 2020 der Chef gehen, eine Hedgefonds-Pleite verursachte Milliardenverluste, der Verwaltungsratspräsident verlor seinen Job wegen Verstößen gegen Quarantäne-Regeln, wegen eines Geldwäschefalls rund um einen mutmaßlichen bulgarischen Kokainhändlerring wurde die Bank zu einer Geldstrafe verurteilt. Es folgt eine Übersicht:
Credit Suisse verschiebt Geschäftsbericht
Im letzten Moment stoppte die Credit Suisse Anfang März die Veröffentlichung des Geschäftsberichts, weil die US-Wertpapieraufsicht SEC noch mit Fragen zu früheren Abschlüssen an das Institut herangetreten war. Sie sah Klärungsbedarf bei technischen Aspekten der Buchführung und damit zusammenhängenden Kontrollmechanismen. Fünf Tage später publizierte die Bank den Geschäftsbericht, mit dem Hinweis, dass die interne Kontrolle der Finanzberichterstattung wesentliche Mängel aufweise. Konzernchef Ulrich Körner und Finanzchef Dixit Joshi seien nach einer Überprüfung zum Schluss gekommen, dass die Offenlegungskontrollen und -prozesse zum Jahresende 2022 nicht wirksam gewesen seien.
Potenziell irreführende Aussage zu Kundengeld-Abflüssen
Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma nahm zuletzt möglicherweise irreführende Aussagen von Verwaltungsratschef Axel Lehmann zu den Abflüssen von Kundengeldern unter die Lupe, sah aber keinen ausreichenden Anlass, um ein aufsichtsrechtliches Verfahren zu eröffnen. Lehmann hatte am 1. Dezember 2022 in einem Interview mit der "Financial Times" erklärt, nach starken Abflüssen im Oktober hätten sich diese "völlig abgeflacht und teilweise gedreht". Am Tag darauf sagte er zu "Bloomberg Television", die Abflüsse seien "im Wesentlichen gestoppt". Danach waren aber nochmals Milliarden von dem krisengeplagten Institut abgezogen worden, wie aus der Quartalsbilanz hervorging. Eine Verletzung des Finanzmarktrechts sah die Finma darin nicht. Sie erklärte aber, sie habe der Bank "ihre klaren Erwartungen in Bezug auf ihre künftige Kommunikation mitgeteilt."
Der Greensill-Skandal
Im März 2021 fror die Bank überraschend zusammen mit der Investmentgesellschaft Greensill Capital aufgelegte Fonds im Volumen von 10 Mrd. Dollar (aktuell 9,5 Mrd. Euro) ein. Berater der Credit Suisse hatten jahrelang Geld von Investoren eingeworben und es in den als risikoarm geltenden Fonds angelegt. Sie warben damit, dass die dahinter stehenden Kredite voll versichert seien. Als Versicherungsfirmen ihren Schutz entzogen, musste die britisch-australische Greensill Capital Insolvenz anmelden.
Die Finanzmarktaufsicht Finma kam nach einer Untersuchung zu dem Schluss, dass die Credit Suisse im Fall Greensill in schwerer Weise gegen aufsichtsrechtliche Pflichten verstoßen hat. Sie ordnete eine Reihe von Maßnahmen an und setzte einen Prüfbeauftragten ein, um deren Einhaltung zu kontrollieren. Auch die Credit Suisse ließ den Verfall extern untersuchen, veröffentlichte die Ergebnisse allerdings nicht. Zahlreiche Investoren verklagten das Institut.
Der Archegos-Skandal
Nur wenige Wochen nach dem Greensill-Schock folgte der nächste Paukenschlag: Die Bank musste einen Verlust von 5 Mrd. Franken (aktuell 5,1 Mrd. Euro) einräumen, weil der Kunde Archegos Capital Management in die Insolvenz rutschte. Fast der gesamte Halbjahresgewinn wurde deshalb aufgefressen. Der Hedgefonds hatte sich mit Aktienwetten verspekuliert, die mit Krediten finanziert waren. Auch Banken in den USA waren davon betroffen, keine aber so stark wie die Credit Suisse.
Erneut stellte ein externes Gutachten dem Institut ein vernichtendes Urteil aus: Credit Suisse sei länger und intensiver bei Archegos involviert gewesen als andere Geldgeber und mehrere Warnsignale seien ignoriert worden. Es habe massive Versäumnisse bei Kontrollen im Investmentbanking gegeben.
Diebstahl von Vergütungsdaten
Im Februar 2023 musste die Credit Suisse ein weiteres Sicherheitsproblem einräumen. Vor einigen Jahren hatte ein ehemaliger Angestellter Mitarbeiter-Daten gestohlen. Die entwendeten Daten sollen Informationen über Gehälter und Boni zwischen 2013 und 2015 sowie Bankkontoinformationen enthalten haben. Einer mit der Sache vertrauten Person zufolge handelt es sich um einen Ex-Angestellten, der in Indien stationiert gewesen war, wo die Bank viele Informatiker beschäftigt.
Der Kokainhändler-Skandal
Im Juni 2022 sprach das Schweizer Bundesstrafgericht die Credit Suisse in einem Geldwäschefall für schuldig und verdonnerte das Institut zu einer Buße von zwei Millionen Franken. In dem Prozess musste das Gericht in Bellinzona darüber entscheiden, ob die Bank und eine ehemalige Mitarbeiterin genug unternommen hatten, um Geldwäsche eines mutmaßlichen bulgarischen Kokainhändlerrings in den Jahren 2004 bis 2008 zu vereiteln. "Das Unternehmen hätte den Verstoß verhindern können, wenn es seinen organisatorischen Pflichten nachgekommen wäre", sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung. Die frühere Kundenberaterin wurde zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten sowie zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Bank kündigte Berufung an. Credit Suisse habe die Vorkehrungen zur Verhinderung von Geldwäsche inzwischen verstärkt.
Betrug am Georgischen Premier
Im März 2022 brummte ein Gericht auf den Bermudas der Bank eine Schadenersatzzahlung von über 500 Mio. Dollar auf, weil ein ehemaliger Kundenberater den früheren georgischen Premierminister Bidzina Iwanischwili und seine Familie über Jahre betrogen hatte. Credit Suisse will gegen das Urteil Berufung einlegen. Iwanischwili, der von 2005 bis 2015 Kunde der Bank war, soll Hunderte von Millionen an Verlusten erlitten haben, weil der mit der Verwaltung seines Vermögens betraute Banker Transaktionen gefälscht haben soll. Der Berater war 2018 von einem Genfer Gericht wegen Betrugs, Fälschung und kriminellen Missmanagements zu fünf Jahren Haft und zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von rund 130 Mio. Dollar verurteilt worden.
Der Quarantäne-Skandal
Nach nur acht Monaten im Amt erklärte Verwaltungsratschef Antonio Horta-Osorio wegen Verstößen gegen Quarantäne-Regeln im Jänner 2022 seinen Rücktritt. Der Portugiese hatte selbst gegen Quarantänebestimmungen in der Schweiz verstoßen, indem er das Land zu früh verließ. Wenige Wochen später berichtete Reuters, dass Horta-Osorio im Juli bei einer Reise nach England zum Wimbledon-Endspiel britische Covid-Regeln missachtet hatte.
Horta-Osorio hatte immer betont, dass die Unternehmenskultur in der skandalgeplagten Bank reformiert werde, ausgerichtet auf Verantwortung und Rechenschaftspflicht. Zudem gab es Insidern zufolge Konflikte mit Konzernchef Thomas Gottstein. Nachfolger an der Spitze des Verwaltungsrats wurde Mitglied Axel Lehmann.
Suisse Secrets
Medienberichten zufolge soll die Credit Suisse über viele Jahre hinweg korrupte Politiker und Autokraten, mutmaßliche Kriegsverbrecher sowie Menschenhändler, Drogendealer und andere Kriminelle als Kunden akzeptiert haben. Die der "Süddeutsche Zeitung" und anderen Medien zugespielten Unterlagen geben Aufschluss über mehr als 18.000 Konten mit einem Gesamtvermögen von über 100 Mrd. Dollar, hinter denen mehr als 30.000 Kunden stehen sollen. Die Finanzmarkaufsicht Finma hat sich die Bank deswegen vorgeknöpft. Die Credit Suisse wies die Vorwürfe zurück und erklärte, die Berichterstattung basiere auf unvollständigen, fehlerhaften oder selektiven Informationen, die aus dem Zusammenhang gerissen seien. Rund 90 Prozent der geprüften Konten seien geschlossen oder im Begriff geschlossen zu werden.
Der Mosambik-Skandal
Behörden in den USA und Großbritannien brummten der Credit Suisse im Oktober 2021 eine Strafe von fast einer halben Milliarde Dollar auf, um ein Bestechungs- und Betrugsverfahren in Zusammenhang mit Krediten an Mosambik beizulegen. Die Bank bekannte sich schuldig, Investoren wegen eines Darlehens in Höhe von 850 Mio. Dollar an das Land betrogen zu haben. Das Geld sei zur Finanzierung einer Thunfischfangflotte bestimmt gewesen.
Doch rund 200 Mio. Dollar davon sollen als Kickback-Zahlungen an Credit-Suisse-Banker und Mitarbeiter der Regierung in Mosambik geflossen sein.
Der Beschattungs-Skandal
Im Februar 2020 setzte der Verwaltungsrat Bankchef Tidjane Thiam vor die Tür, nachdem die Beschattung des ehemaligen Top-Managers Iqbal Khan aufgeflogen war. Khan war zur Erzrivalin UBS gewechselt und die Bank wollte herausfinden, ob er Kunden mitgenommen hatte. Thiam erklärte, keine Kenntnisse von der Beschattung gehabt zu haben.
Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma attestierte der Credit Suisse nach einer Untersuchung später schwere Mängel in der Organisation. Das Ausmaß der Affäre war demnach weitaus größer als zunächst angenommen. Zwischen 2016 und 2019 sollen insgesamt sieben Menschen beschattet worden sein, auch im Ausland. Ein Insider sagte, unter den Spitzenmanagern habe eine "Kultur der Angst und des Misstrauens" geherrscht.
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