Spielberg wartet auf das Zuckerbrot
Franz Perschler freut sich schon auf den 5. Juli. Nicht nur, weil der Steirer Formel 1-Fan ist. Sondern weil sein Hotel in Fohnsdorf, ein paar Kilometer vom Red Bull-Ring entfernt, dann wieder so richtig brummen wird: „Wir sind ausgebucht“, sagt der Chef. „Das rettet mich mit einem blauen Aug’ über die Saison.“
Spielberg dürfte heuer mehr denn je Nabel der Motorsportwelt sein. In acht Wochen soll der Grand Prix von Österreich gefahren werden, das wäre das erste Rennen der Saison überhaupt. Eine Premiere, eine doppelte gar: Denn vermutlich dürfte auch das zweite Rennen der wegen Corona verkürzten Saison dort stattfinden.
„Für uns ist das wie Zuckerbrot“, beschreibt Perschler, der sein Hotel erst im Vorjahr ausgebaut hat. „Für mich bedeutet das 40.0000 Euro Umsatz, das ist gerade heuer extrem wichtig.“ Leere Tribünen beim Geisterrennen bedeuten also nicht unbedingt völlig leere Kassen, auch wenn das große Geschäft ausbleibt.
Viele Verlierer
„Sonst profitieren auch die Zulieferer von der Bäckerei bis zur Wäscherei“, erinnert Manfred Lenger, SPÖ-Bürgermeister von Spielberg. „Auch viele Wirte und Campingplatzbesitzer haben sich auf die Großveranstaltungen ausgerichtet. Für sie ist das natürlich katastrophal.“ Sie sind von den Besuchern vor Ort abhängig, beim Grand Prix 2019 kamen laut „Projekt Spielberg“ 203.000 am Rennwochenende, 2018 waren es 185.000 und 2017 145.000 Zuschauer.
Heuer wird es für Besucher zwar nichts mit Rennatmosphäre, höchstens selbst düsen am Ring ist drin mit dem eigenen Auto oder einem gemieteten Boliden. „Fahrerlebnis“ heißt das und ist seit Anfang Mai wieder möglich. „Unter Einhaltung aller behördlicher Auflagen“, versichert man seitens des „Projekt Spielberg“. Maskenpflicht in den Räumen, keine Gruppenbildung im Freien und nur eine Person pro Fahrzeug. Wenigstens da ist der Hobbyfahrer den Profis gleich.
Zum Großen Preis anreisen darf dann vermutlich nur der enge Kern der Formel 1, so die Geisterrennen stattfinden. Den darf man aber zahlenmäßig nicht unterschätzen. 1.500 bis 2.000 Personen sollen es werden, von den Teams bis zu Technikern, die die Übertragung sichern. Es gilt vermutlich eine Ein-Team–Regel pro Hotel, was wiederum eine gute Auslastung für die gesamte Region Murtal und Murau bedeutet.
Einkaufen und essen
„Das ist aber eine Menge an Menschen, das darf man nicht außer Acht lassen“, betont Petra Moscher vom regionalen Tourismusverband. „Die müssen dann ja auch verköstigt werden, die Wirte einkaufen. Davon hat die Region dann schon auch etwas.“ In den Zeiten vor Corona brachte der Red-Bull-Spielplatz in Spielberg an die 60 Millionen Euro an regionaler Wertschöpfung, 40 Prozent davon allein durch den Grand Prix.
Das fällt heuer aus, doch Hotelier Perschler denkt schon an die nächsten Jahre. „Man muss den Werbeeffekt sehen, die Region wird super vermarktet“, schätzt Perschler. „Jeder auf der Welt, der sich für Formel 1 interessiert, wird das anschauen, es gibt ja sonst nichts zu tun. Das sind Millionen von Leuten.“ Eine Vermutung, die auch Tourismusexpertin Moscher teilt. „Das ist das absolute Highlight“, überlegt die Obersteirerin. „Es gibt ja sonst keine großen Veranstaltungen, es ist ja alles abgesagt.“
Derweil gehört das Gelände um den Ring aber den Nicht-Motorisierten. Spaziergänger sind unterwegs, Läufer, Radfahrer. Karin, 47, stammt aus Gratkorn und ist eigens nach Spielberg gefahren. Sie kauft Mund-Nasen-Schutz im typischen Red Bull-Stil im Shop am Ring. „Ein kleines Geburtstagsgeschenk, wenn es heuer schon nichts mit den Rennen wird.“ Ihr Mann hat sich im Vorjahr gewünscht, seinen Fünfziger mit einem Heim-Grand Prix feiern. Das findet nun nur vor dem TV-Gerät statt.
Theoretisch könnten die beiden das Geld für die längst bestellten Tickets rückfordern, praktisch wollen sie das aber nicht, versichert die Unternehmerin: Das „Projekt Spielberg“ bot diese Möglichkeit den Käufern von rund 60.000 Eintrittskarten unlängst an, doch Karin und ihr Mann wollen ihre „lieber auf 2021 übertragen lassen, so haben wir das fix“.
Spricht’s und posiert fürs Selfie mit Red Bull-Maske über der Nase, vor der leeren Tribüne im Hintergrund.
- Ö-Ring: Das erste Formel-1-Rennen am Österreichring wurde 1970 bestritten. Es war allerdings nicht das erste in der Steiermark überhaupt: Dies fand bereits 1964 statt, da allerdings auf dem Flughafenareal in Zeltweg. 1987 kam das Aus für den Ö-Ring.
- A1-Ring: 1995 streckte der damalige Sportlandesrat Gerhard Hirschmann die Fühler nach Bernie Ecclestone aus: Der ÖVP-Politiker war der Motor hinter der Rückkehr der Formel 1 in die Steiermark. Tatsächlich kam es gegen viel (politischen) Widerstand zum 35 Millionen Euro teuren Umbau der Strecke zum
- A1-Ring: 1997 kehrte die Formel 1 zurück, 2002 fand der letzte Grand Prix auf dem A1-Ring statt.
- Red-Bull-Ring: 2003 trat Dietrich Mateschitz auf den Plan: Er wollte um 700 Millionen Euro eine „Motorsportakademie“ am Ring aufziehen. 2004 gab die Landesregierung grünes Licht, das Projekt platzte aber nach einem Bescheid des Umweltbundessenates. Mateschitz stieg zunächst einmal aus (und musste den bereits abgetragenen A1-Ring wieder aufbauen lassen). Das Land Steiermark gründete eine Ring-Gesellschaft und holte den Investor mit verkleinertem Projekt wieder an Bord: 2011 wurde der Red-Bull-Ring eröffnet, 2014 kam die Formel 1 zurück.
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