Wissen Sie, warum Vegetarier und Veganer so oft Produkte suchen, die möglichst wie das tierische Pendant aussehen und schmecken?
Nein, das verstehe ich auch nicht. Uns trifft das aber nicht, weil beispielsweise das Tyrolini als Fleischprodukt war ursprünglich inspiriert vom Grissini, also ein dünnes Stangerl, das man zwischendurch knabbern kann. Das ist keine typische Wurst, sondern ein Snack. Und das haben wir auf vegan umgelegt. Ich produziere ja auch keine Extrawurst oder Schnitzel oder Burger. Das interessiert mich alles nicht.
Sie sind eine der größten Fleischhersteller mit mehr als 15.000 Tonnen Jahresproduktion. Wie geht es der Fleischindustrie?
Die Situation ist sehr angespannt. Viele Betriebe kämpfen mit Ertrags- und Mengenproblemen. Aber die großen bekannten Marken wie Berger oder Wiesbauer haben ihren Bereich gefunden, ob es der Berger Schinken ist oder bei uns der Tiroler Speck. Das ist ganz gut ausbalanciert. Unser Glück ist, das wir mit fast 70 Prozent stark im Export sind. Was die Branche sehr stark getroffen hat, waren die Energiepreise und die Lohnkosten.
Wie sie 2016 übernommen haben, waren die USA für sie ein „Zukunftsmarkt“. Ist das mittlerweile gelungen?
Wir haben nach unserem Neubau in Haiming in Tirol 2018 fünf Jahre für die behördliche Zulassung in den USA gebraucht. Wir sind der erste Betrieb, der vollinhaltlich Rohprodukte nach Amerika exportieren könnte. Aber heuer im Sommer habe ich mich gefragt, ob das jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Und mittlerweile bin ich froh, den Schritt nicht getan zu haben. Nur wenn Donald Trump irgendwann sagt, ja, wir sind offen für europäische Spezialitäten ohne Zölle von 20, 30, 40 Prozent, macht das Sinn. Sonst rechnet sich das nicht.
Nicht erst seit Trump ist die Klimakrise jeden Tag groß in den Nachrichten. Bringt sie einen Wendepunkt beim Fleischkonsum?
Der Fleischkonsum geht zurück, aber nicht wegen des Klimas. Das sind eher die veränderten Ernährungsgewohnheiten. Wobei es aber auch so ist, dass der -Fußabdruck – wenn man sich das Thema einmal ganzheitlich anschaut – beim Rind oder Schwein übertrieben wird. Und wir als Firma Handl Tyrol machen gleichzeitig alles, um klimafit zu werden. Das reicht vom Einsatz modernster Kühltechnologie bis hin zu Ökostrom, E-Autos und und...
Klimafittes Schweinefleisch klingt gut, aber die Realität sieht doch anders aus. Da werden Schweine aus Holland nach Polen zur Schlachtung geführt und kommen dann nach Italien, damit am Ende Original Parma Schinken drauf steht ...
Das stimmt so nicht, da gibt es leider sehr viel Falschinformationen. Klar ist: Es gibt klare Richtlinien. Wir bei Handl Tyrol verarbeiten AMA-Gütesiegel-Fleisch. Bei Parma Schinken handelt es sich um ein sogenanntes g.U. Produkt (geschützter Ursprung) und hier ist nur die Verarbeitung von italienischem Schweinefleisch erlaubt.
Sie kaufen 45 Prozent des Fleisches in Österreich für den Heimmarkt und 55 Prozent in Deutschland vor allem für den deutschen Markt. Richtig?
Ja und wir haben auch das AMA-Siegel mit der genauen Herkunftsangabe kombiniert. Wir sind da völlig transparent und zigfach kontrolliert. In Wahrheit jeden Tag in einem der fünf Werke.
Konsumenten greifen gern zum vermeintlich gesünderen, weil kalorienarmen Hühner- oder Putenfleisch.
Faktum ist aber doch auch, dass viele Konsumenten heute öfter zum vermeintlich gesünderen, weil kalorienarmen Hühner- oder Putenfleisch greifen. Hat der Speck überhaupt noch Zukunft?
Auf jeden Fall. Wir produzieren auch Speckwürfel und Speckstreifen. Wir gehen also mit dem Speck in die Küche und dort kann man seinem frischen Salat mit ein paar Speckwürfel oben drauf einen super Touch geben.
Das Match zwischen Bauern, Industrie und Handel wird immer heftiger. Zur Zeit gibt es etwa den Milchstreit zwischen Bauern und Spar. Wie sehen Sie das Thema?
Ich kann zur Milch nichts sagen, das ist nicht mein Feld. Aber grundsätzlich muss auch ich dauernd verhandeln. Das Match ist hart. Die gesamte Wertschöpfungskette muss sich der Veränderung stellen, auch die Landwirtschaft. Ich sehe den Handel auf Augenhöhe, wir brauchen uns gegenseitig.
In der Gastronomie sind die Preise massiv gestiegen. Im Handel mit den viele Rabattaktionen, speziell auch beim Fleisch, werden die Konsumenten zu einer Geiz-ist-Geil-Mentalität verzogen. Teilen Sie die Einschätzung?
Diese Aktionen gibt es in allen Handelsbereichen, z. B. auch bei Elektronikprodukten. Wenn der Handel nicht so scharf kalkulieren würde, hätten wir eine ganz andere Inflation. Auch der Handel hat auf Margen verzichtet. Zum Beispiel: 100 Gramm Schinkenspeck kosten in den USA acht Dollar, in Österreich vier Euro irgendwas.
Hat sich der Schweinepreise, der 2023 regelrecht explodiert ist, heuer stabilisiert?
Nein, die Rohstoffpreise sind immer noch sehr hoch und ich hoffe, dass uns der Handel jetzt die Luft lässt, die wir 2023 nicht mehr hatten. 2023 war kein gutes Jahr: Neben den Schweinefleischpreisen waren auch die Preise für Verpackungsmaterial und der Strompreis doppelt so hoch. Die Lohnerhöhung zehn Prozent und über drei Jahre gerechnet 25 Prozent. In Südtirol waren es zwölf Prozent. Irgendwer zahlt diese Differenz oder verliert.
Sie sind seit Februar auch Präsident der „Tiroler-Adler-Runde“, eine Runde von Unternehmern, die sich auch politisch äußert. War es klug, dass Landeshauptmann Anton Mattle den Nachfolger von Georg Dornauer einfach akzeptiert und die Koalition mit der SPÖ weiterführt? Hätte es Neuwahlen in Tirol geben sollen?
Das ist eine gute Frage. Ich würde mir wünschen, dass wir in Tirol jetzt rasch Ruhe hineinbekommen. Ich fühle mich auch nicht ganz wohl mit der Konstellation, aber bisher hat es ganz gut funktioniert, also soll es so weitergehen.
Und im Bund? Was erwarten Sie sich von der künftigen Regierung?
Was mich sehr belastet, ist der Zustand des Wirtschaftsstandortes. Vielen ist nicht bewusst, was sie anrichten, wenn es nicht bald einmal in die richtige Richtung bei der Wettbewerbsfähigkeit geht. Die nächste Regierung muss ganz dringend in die Gänge kommen. Das reicht von den Lohn- und Lohnnebenkosten bis zur Entbürokratisierung. Ein Großbetrieb wie wir kann das leichter stemmen, aber 90 Prozent aller österreichischen Betriebe haben weniger als 10 Mitarbeiter. Die ersticken an den Vorschriften. Da kritisiere ich auch die Wirtschaftskammer. Warum haut die Kammer nicht einmal stärker auf den Tisch? Sozialpartnerschaft hin oder her. Die reden immer, aber tun nichts.
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