Sorgenkind Boeing: Erneut Risse festgestellt

Boeing 737
50 Boeing 737NG-Maschinen müssen am Boden bleiben. Und: Mitarbeiter warnten Boeing bei der 737MAX - vor den Abstürzen.

Vorige Woche hat der KURIER berichtet, dass nicht nur die Boeing 737MAX, sondern auch ihr Vorgängermodell, die Boeing 737NG, immer mehr zum Sorgenkind werde. Berichte waren aufgetaucht, wonach Risse an einem Verbindungsstück zwischen Flügeln und Rumpf entdeckt wurden. Im schlimmsten Fall könnte das Flugzeug durch diesen Fehler bei Start oder Landung sogar auseinanderbrechen.

Das Problem tauchte erstmals bei einer Maschine in China auf. Die US-Flugaufsicht FAA ordnete daraufhin eine Untersuchung aller Maschinen dieses Typs an, die bereits mehr als 30.000 Flüge absolviert haben. Als Folge müssen nun bis zu 50 Maschinen aus Sicherheitsgründen am Boden bleiben, bestätigte ein Unternehmenssprecher am Donnerstag.

Boeing steht derzeit bereits wegen zwei Abstürzen von Maschinen vom neuen Typ 737MAX massiv unter Druck. Bei einem Absturz einer Boeing 737Max waren am 29. Oktober 2018 in Jakarta alle 189 Insassen ums Leben gekommen. Nur wenige Monate später kam es in Äthiopien zu einem weiteren Unglück mit 157 Toten. Seit März gilt ein weltweites Flugverbot für alle Maschinen dieses Typs. Das trübt nicht nur Boeings Bilanz erheblich; wegen der betroffenen Zulieferer und Airlines sind sie auch eine Belastung für die gesamte US-Wirtschaft.

Mitarbeiter warnten Boeing in Zusammenhang mit der 737 Max

Dennis Muilenburg musste am Mittwoch dem US-Kongress Rede und Antwort stehen. In einem vorab von Boeing veröffentlichten Redeentwurf räumte der Boeing-Chef gegenüber dem US-Kongress Fehlverhalten seines Unternehmens hinsichtlich der 737MAX ein. "Wir wissen, dass wir Fehler und einige Dinge falsch gemacht haben." Der Chef des Flugzeugbauers beteuert darin aber auch, dass große Fortschritte und entscheidende Verbesserungen vorgenommen worden seien, damit Boeings bestverkaufte Modellreihe bald wieder abheben könne. "Wenn die 737 Max wieder in Betrieb genommen wird, wird sie eines der sichersten Flugzeuge sein, die jemals geflogen wurden."

Bereits vor den beiden tödlichen Abstürzen sollen Boeing-Mitarbeiter intern vor den Risiken der Boeing 737MAX gewarnt haben, schreibt das Flugportal aero Telegraph. Demnach soll ein Boeing-Mitarbeiter einem anderen geschrieben haben, die Flugsteuerungssoftware MCAS sei "anfällig" für Ausfälle einzelner Anstellwinkelsensoren. Genau dies wird als Absturzursache der Boeing 737Max der Lion Air im Jahr 2018 vermutet. Das MCAS-System soll sich nur auf die Daten eines einzigen Anstellwinkelsensors verlassen haben und auf einen Abgleich mit den Daten anderer Sensoren verzichtet haben. Da der Sensor aber defekt war und falsche Daten lieferte, drückte die Software die Nase des Fliegers immer wieder nach unten. Auch beim Absturz der Ethiopian Airlines im März 2019 soll dies geschehen sein.

Ein weiteres internes Dokument aus der Zeit vor den Abstürzen soll davor gewarnt haben, eine langsame Reaktionszeit der Piloten könnte bei einer eventuellen MCAS-Fehlfunktion "katastrophal" sein. Langsam wurde dabei als länger als zehn Sekunden definiert. Hinzu kommt, dass der Großteil der 737-Max-Piloten gar nichts von der Existenz des Flugsteuerungssoftware gewusst haben soll.

"Müde Mitarbeiter machen Fehler"

Auch ein drittes Dokument nennt aero Telegraph: ein eMail eines Managers der 737-Max-Endmontage an den Chef des 737-Programmes. "Mein erstes Anliegen ist, dass unsere Mitarbeiter erschöpft sind", soll es darin heißen. Weil die Mitarbeiter schon über längere Zeit mit hoher Geschwindigkeiten arbeiten müssten, seien sie erschöpft. "Müde Mitarbeiter machen Fehler."

"Mein zweites Anliegen ist, dass Termindruck (kombiniert mit Müdigkeit) eine Kultur schafft, in der die Mitarbeiter entweder absichtlich oder unbewusst etablierte Prozesse umgehen." Das beeinträchtige die Qualität. "Ehrlich gesagt, gehen genau jetzt meine internen Warnglocken an", soll der Mann mit 30 Jahren Erfahrung in der Luftfahrtindustrie geschrieben haben. "Und zum ersten Mal in meinem Leben, es tut mir leid, das zu sagen, zögere ich, meine Familie in ein Boeing-Flugzeug zu setzen."

Muilenburg entgegnete bei der Befragung am Mittwoch, er wisse von dem Schreiben des Mitarbeiters. Dieser hatte sich nach dem Lion-Air-Chef auch an den Boeing-Chef selber gewandt. Man habe die Mail sehr ernst genommen und als Reaktion zusätzliche Qualitäts-Checks eingeführt und Bereiche identifiziert, um die genannten Probleme zu beheben.

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