So zieht sich Treichl warm an

So zieht sich Treichl warm an
Viele Banker streichen derzeit ihre Gewinnprognosen zusammen. Der Erste-Chef geht viel radikaler vor.

Als Erste-Group-Boss Andreas Treichl Ende Juli die Ergebnisse des ersten Halbjahres präsentierte, fühlte er sich mit den Zahlen noch wohl. Konnte er doch einen Nettogewinn von 496,3 Millionen Euro vermelden, 5,2 Prozent mehr als im Jahr davor. Im zweiten Halbjahr werde es anhaltend robuste Ergebnisse geben, sagte Treichl damals. Vor eineinhalb Wochen sah Treichl noch keinen Grund, an dieser Prognose zu rütteln. Seit Montag schaut die Erste-Welt völlig anders aus: Statt etwa 700 Millionen Gewinn wird das Institut heuer einen Verlust in dieser Höhe schreiben. Verantwortlich dafür ist vor allem eine Milliarden-Abschreibung auf die Tochterbanken in Ungarn und Rumänien. "Wir ziehen uns warm an. Und warm anziehen ist teuer", so Treichl. Der KURIER hat die wichtigsten Fragen zu den neuen Bekleidungsvorschriften des Bankers zusammengefasst.

Was hat eine derartige Radikalkur ausgelöst?
Ganz abgesehen davon, dass sich Treichl darauf vorbereitet, dass sich die Staatsschuldenkrise noch weiter ausbreitet und die Realwirtschaft belastet, gilt Ungarn als Auslöser. Seit 29. September ist dort ein neues Gesetz zu Fremdwährungskrediten in Kraft. Ungarn dürfen ihre Franken- und Euro-Kredite bis Jahresende zu Währungskursen tilgen, die deutlich günstiger sind als die aktuellen Marktkurse. Die Verluste aus diesen Geschäften müssen die Banken schlucken. Die Erste könnte das 450 Millionen Euro kosten.

Wie läuft das Geschäft der Ersten in Ungarn?
Schlecht, die ungarische Tochter fährt Verluste ein und die Kreditausfallsraten steigen. Der Firmenwert der Erste Bank Hungary wurde um 312 Millionen Euro abgeschrieben und steht künftig mit null in der Bilanz der Muttergesellschaft. Zudem muss die Ungarn-Tochter mit 600 Millionen Euro an zusätzlichem Kapital versorgt werden. Wegen der "besorgniserregenden" politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in Ungarn werden die Risikovorsorgen um 450 Millionen Euro erhöht.

Wie steht es um die rumänische Tochter BCR?
Auch die Rumänien-Tochter arbeitet mit Verlust, das Kreditgeschäft läuft viel schlechter als erwartet. Der Firmenwert wird um 627 Millionen auf 1,1 Milliarden Euro abgeschrieben.

Wenn es in Rumänien schlecht läuft, warum hat die Erste vor Kurzem dort zugekauft?
Die Erste Group hat ihre Beteiligung an der BCR Mitte September um gut 24 Prozent auf 93 Prozent aufgestockt - für 435 Millionen Euro. Es gehört zur Erste-Strategie, bei den Ost-Töchtern so viele Aktien wie möglich zu besitzen. Zudem wollte Treichl das Durchgriffsrecht der Minderheitsaktionäre vom Tisch haben. Die wollten unter anderem, dass die BCR an die Börse geht, Treichl wollte das nicht.

Darf ein Unternehmen derart viel abschreiben?
Ja. Die Bewertung spiegelt die erwartete Geschäftsentwicklung in den nächsten Jahren wider. Natürlich gibt es dabei einen beträchtlichen Ermessensspielraum.

Ist es möglich, dass die Abschreibungen vor Kurzem noch kein Thema waren?
Ja, sagen Bankanalysten. Sie meinen, dass Treichl nach dem Auslöser Ungarn das ganze Erste-Reich einer Neubewertung unterzogen hat und jetzt zu ganz anderen Werten gekommen ist. Getroffen hat die Entscheidungen der Vorstand am Sonntagabend.

Wann wird die Erste die Staatshilfe zurückzahlen?
Nicht, wie bisher geplant, jetzt im Herbst sondern frühestens in einem Jahr. Weitere öffentliche Hilfen hält Treichl für ausgeschlossen.

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