So geht Protektionismus: Unfair sind die anderen

Weggeduckt: Seine Steuererklärung ist Trump schuldig geblieben
Was zählt eigentlich als unfairer Wettbewerb? Und was haben Österreichs Milchbauern damit zu tun?

Die USA kommen vom Mars, die Europäer von der Venus: Seit US-Präsident Donald Trump am Ruder ist, gilt der Eindruck mehr denn je. Seit dem Zweiten Weltkrieg waren die USA die treibende Kraft des freien Handels. Jetzt wollen sie die Schotten dicht machen und ausländische Anbieter aussperren?

"Amerika zuerst"?

Ankündigungen wie "Amerika zuerst", Strafzölle für Waren aus dem Ausland oder Drohungen gegen Firmen, die in Mexiko produzieren, sind aus EU-Perspektive purer Protektionismus.

Oder ist es Selbstschutz? So wird das nämlich in der Trump-Regierung gesehen: "Wir pochen nur darauf, dass globale Handelsregeln eingehalten werden", erklärt Stahlmagnat und Trump-Berater Dan DiMicco: "Das ist kein Protektionismus, sondern die Beendigung der Schwindelei." China sei "der Weltmeister der Währungsmanipulation", sagte Trump jüngst. Und der Euro diene nur dazu, Deutschland Exportvorteile zu verschaffen. Wer sind die Schwindler?

EU-Jobs sind bedroht

Fakt ist: Für die EU stünde besonders viel auf dem Spiel, falls Abschottung die neue Mode wird. In der EU machen Exporte 48 Prozent der Wirtschaftsleistung aus – in China sind es nur 22 Prozent und in den USA knapp 13 Prozent, ergibt eine Studie der Denkfabrik Bruegel. Deshalb wären in der EU durch Protektionismus besonders viele Jobs bedroht, warnt Bruegel-Vizechefin Maria Demertzis.

Aber was ist mit Protektionismus eigentlich gemeint? "Da gibt es zwei Sichtweisen", erklärt der britische Ökonom Simon Evenett, der an der Uni St. Gallen lehrt. Die traditionelle Sicht orientiere sich an den 1930ern. Damals wollten die von der Großen Depression betroffenen Nationen ihre Wirtschaft schützen, indem sie Importe fernhielten oder die Währung abwerteten. Das trieb alle noch tiefer in die Krise – viele Trump-Maßnahmen zielen dennoch in diese Richtung.

Unfaire Steuergesetze

Im 21. Jahrhundert gebe es aber subtilere Instrumente, um ausländische Firmen zu benachteiligen – sei es über Einschränkungen für Investitionen, für Arbeitskräfte oder geistiges Eigentum. "Immer öfter werden auch nationale Steuergesetze protektionistisch eingesetzt", sagt Evenett. Solche Maßnahmen sind aber von der Welthandelsorganisation (WTO) oftmals nicht erfasst und können nicht angezeigt werden.

So geht Protektionismus: Unfair sind die anderen
Der"Global Trade Alert", den Evenett betreut, zählt sei November 2008 alle Maßnahmen, die den Handel behindern. Als protektionistisch wird dabei alles gewertet, was einheimische Anbieter bevorzugt oder ausländische benachteiligt. Unfairer Wettbewerb hatte schon vor Trumps Bestellung Hochkonjunktur: "Wir haben 2015 und 2016 eine deutliche Zunahme gesehen."

Österreichs Exporte: 76 Prozent diskriminiert

Unfair sind freilich nicht immer nur die anderen. Denn auch für Österreich hat Evenett seit Ausbruch der Krise etliche protektionistische Maßnahmen (samt EU) gezählt – 262 an der Zahl, darunter der Sozialversicherungsrabatt für heimische Milchbauern. Das würden wohl die wenigsten Österreicher als Handelshemmnis bewerten, ist aber nur konsequent. Was die eine Seite als legitime Hilfe oder Unterstützung wertet, ist aus Sicht der Konkurrenz eben oft eine unfaire Verzerrung.

Österreichs Exporteure können ein Lied davon singen: Laut einer noch unveröffentlichten Studie waren 2015 ganze 76 Prozent der Ausfuhren mit unfairem Wettbewerb konfrontiert, sagt Evenett. Am häufigten(74 Prozent) mussten sie sich mit subventionierten Lokalrivalen matchen, etwa in China, Brasilien und Indien.

China und USA on top

Und wer ist Weltmeister in Sachen Protektionismus? Nach der Zahl der Maßnahmen sind es die USA selbst mit 1281 Handelshemmnissen. Gemessen am betroffenen Volumen ist es hingegen China, das nur 267 Barrieren errichtet hat. Evenetts Erklärung: "Wenn die Chinesen intervenieren, dann mit wenigen Aktionen, aber großen Folgen."

Wie könnte es auch anders sein? Donald Trump hat nicht weniger als eine „phänomenale“ Steuerreform, den ganz großen Wurf, versprochen. Für die Unternehmenssteuern ist das womöglich nicht einmal übertrieben.

Am Donnerstag hatte sich Trump erstmals in einem Interview wohlwollend zu Plänen des republikanischen Abgeordneten Paul Ryan geäußert. Und die wären tatsächlich eine Umwälzung.

Diese geplante „Grenzsteuer“ (Border Adjustment Tax) würde Ausfuhren von Produkten, die in den USA erzeugt wurden, steuerfrei stellen. Im Gegenzug würden Importe aus dem Ausland mit 20 Prozent belastet. Passt perfekt zum Motto „Amerika zuerst“. Und: Aus US-Sicht würden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Wettbewerb

Die USA sind der einzige Industriestaat, der die Unternehmenssteuern seit dreißig Jahren nicht gesenkt hat. Es gilt (mit vielen Ausnahmen) unverändert ein bundesweiter Steuersatz von 35 Prozent. OECD-Durchschnitt sind 25 Prozent. Die Grenzsteuer würde über zehn Jahre laut Prognosen 1000 Mrd. Dollar einspielen. Damit ließe sich der Steuersatz auf 20 Prozent senken, der Standort USA würde schlagartig attraktiver.

Konsum

In den USA gibt es keine nationale Mehrwertsteuer, wie sie fast alle anderen Länder kennen. Deshalb sind US-Exporte im internationalen Wettbewerb tatsächlich benachteiligt.

Geldbunker

Die USA besteuern Auslandsgewinne – aber erst, wenn sie in die Heimat überwiesen werden. Deshalb bunkern US-Firmen wie Apple Tausende Milliarden Dollar auf Auslandskonten. Das würde geändert. Und auch die gängige Praxis, dass US-Konzerne mit kleineren Auslandsfirmen fusionieren und ihre Zentrale dorthin verlagern, würde abgestellt.

Wer zahlt

Wie würde sich die Grenzsteuer auswirken? Die Zeche müssten ausländische Firmen zahlen, die in die USA liefern. Die Brüsseler Denkfabrik Bruegel bezweifelt deshalb, dass die Steuer mit den internationalen WTO-Regeln vereinbar wäre. Vorteile hätten große US-Exporteure wie Flugzeugbauer Boeing oder Chemiefirmen wie Merck oder Dow Chemical.

Sturm laufen dagegen US-Firmen, die auf Importe angewiesen sind, darunter große Handelsfirmen wie Target und Walmart oder Nike. Verbraucherschützer warnen, dass US-Kunden höhere Preise zahlen müssten.

Die Fans der Grenzsteuer halten dagegen, dass der Dollar stärker würde. Somit könnten sich US-Bürger mehr leisten. Gut möglich. Das würde aber die Exportförderung zunichte machen, weil US-Produkte auf dem Weltmarkt teurer würden. Womit die Steuer ihr Ziel verfehlen würde, das Loch in der US-Handelsbilanz zu flicken.

Lobbys fahren Geschütze auf

Wie groß sind die Chancen, dass die Steuer kommt? Die Republikaner hätten zwar erstmals die notwendigen Mehrheiten im Kongress, um eine große Reform zu beschließen. Weil es auch in den USA Sieger und Verlierer geben würde, fahren die Branchenlobbys große Geschütze auf. Einige mächtige Senatoren haben sich bereits gegen die Pläne ausgesprochen. Und auch die Koch-Brüder, zwei erzkonservative Milliardäre und Großsponsoren der Partei, sollen die Pläne vehement ablehnen.

Vielleicht ist das einer der Gründe, warum das Weiße Haus am Freitag zurückruderte. Keine 24 Stunden, nachdem sich sein Boss Trump positiv zu der Grenzsteuer geäußert hatte, versicherte sein oberster Wirtschaftsstratege Donald Cohn vor Firmenchefs, dass die Pläne in dieser Form nicht kommen würden.

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