Smarte Wagerl, keine Kassen: Besuch im Supermarkt der Zukunft

Smarte Wagerl, keine Kassen: Besuch im Supermarkt der Zukunft
Japan: Hunderte Kameras durchleuchten Kunden und bieten ihnen maßgeschneiderte Angebote. Der KURIER war im Trial-Markt.

Auf den ersten Blick schaut der Supermarkt am Rande einer Kleinstadt Japans aus wie jeder andere. Obst- und Gemüseabteilung, Fleisch- und Fischvitrinen, mannshohe, vollgeräumte Regale mit Getränken und Kosmetika. In den Gängen zahlreiche Kunden, die ihre Einkaufswägen vor sich herschieben.

Doch einiges ist anders. Der Einkaufswagen begrüßt den Kunden mit dessen Namen. Auf dem Tablet-großen Display am Wagerl blinken aktuelle Angebote auf. Legt der Kunde eine Packung Nudeln in den Wagen, poppt das Angebot für ein passendes Sugo auf. Dahinter steckt eine ausgeklügelte Technologie, die es übrigens auch geschafft hat, die Zahl der Artikel pro Einkauf zu steigern.

Smarte Wagerl, keine Kassen: Besuch im Supermarkt der Zukunft

Das smarte Wagerl erkennt den Kunden an seiner Prepaid-Kundenkarte, die Sensoren des Einkaufsbegleiters scannen zudem die Barcodes der Artikel, geben passende Rezept-Tipps und zeigen, wie viel der Einkauf in Summe kosten wird.

Total-Überwachung

Auch sonst wird so gut wie jede Bewegung im Markt registriert. Von rund 600 angebrachten Smartphones und hundert Panasonic-Kameras. Sie zeichnen auf, bei welchen Regalen der Kunde wie lange steht, wie lange er welche Limo-Dose im Getränkeregal anschaut, welche er in die Hand nimmt. Das sind Infos, die sich monetarisieren lassen. Schließlich können Plätze, die stark frequentiert werden, teurer verkauft werden, so die Fantasie der Innovations-Manager der Supermarktkette. Als Kooperationspartner haben sie bereits Coca-Cola gewonnen.

Kamera erkennt Alter

Noch Zukunftsmusik ist dagegen die personalisierte Werbung. Smarte Kameras erkennen bereits, ob ein Mann oder eine Frau vor ihnen steht und rechnen dank ihrer künstlichen Intelligenz ihr ungefähres Alter aus. So wissen Werber, ob Lippenstift- oder Herrensocken-Aktionen angesagt sind. Datenschutz? Aus Sicht der Manager kein Problem, solange die Daten anonymisiert verwendet werden. Daran werde gearbeitet. Die Panasonic-Kameras würden schließlich keine Bilder der Konsumenten in die Cloud schicken, sondern nur die ausgewerteten Meta-Daten. „Es geht darum, das Verhalten und die Vorlieben der Konsumenten zu analysieren“, sagt Akihiro Miyazaki von der Panasonic-Innovationsabteilung.

Verhalten verändert sich

„Künftig wird niemand mehr Fernsehwerbung schauen“, glaubt Tomohiro Uchiyama von der Trail Supermarkt Company. Das Konsumentenverhalten ändere sich, Geschäftsmodelle auch. Werbung drängt ins Regal. „Und zwar maßgeschneidert für den Kunden, der gerade davor steht.“ Am Ende des Tages wird das Regal mehr über den Menschen wissen, als sein Arbeitskollege oder Nachbar.

Smarte Wagerl, keine Kassen: Besuch im Supermarkt der Zukunft

Was für viele Europäer noch verstörend klingt, ist bei den technologiegläubigen Japanern bereits im Testbetrieb. Vor Kurzem wurde der zweite Trial-Supermarkt dieser Art eröffnet – in drei Jahren sollen 60 davon in Betrieb sein.

Smarte Wagerl, keine Kassen: Besuch im Supermarkt der Zukunft

Bequemlichkeit siegt

„Man kann auch anonym wie bisher einkaufen, aber 47 Prozent unserer Kunden nutzen die Prepaid-Karte“, erläutert Uchiyama. Nicht nur, weil sie dafür zusätzliche Rabatte bekommen, auch aus Bequemlichkeit. So muss man sich nicht mehr an der Kassa anstellen, sondern fährt mit dem Einkaufswagerl einfach aus dem Geschäft – und fertig. Der Rechnungsbetrag wird automatisch von der Prepaid-Card abgebucht. „Für das Check-out braucht man so nur noch ein Zehntel der Zeit“, zeigt der Testbetrieb.

Mitarbeiter-Kontrolle

Die neue Technik soll auch die Arbeit im Markt effizienter machen. Im Hinterzimmer zeigen Monitore in Echtzeit jeden Handgriff der Mitarbeiter. Wird das Milchregal leer, piepst das Smartphone des Mitarbeiters: Die Order, Milch nachschlichten zu gehen. Leere Kilometer und Kontrollgänge werden so reduziert. Wenn das System ausgereift ist, wird der Markt mit halb so vielen Mitarbeitern auskommen wie heute. Damit werden die Kosten und die Preise im Markt sinken, sagt der Manager.

Der Trial-Markt und Panasonic sind nicht die Einzigen, die sich mit der neuen Einkaufswelt beschäftigen. Die Konkurrenz in Korea, China und bei Amazon schläft nicht. „Wir wissen nicht, wer in Zukunft unser Konkurrent ist. Vielleicht nur eine Plattform“, sagt Uchiyama.

Treuer Trolley

Währenddessen testen Shoppingcenter in Japan Einkaufsroboter (Bild oben), die sich im Grunde benehmen wie ein Hund. Sie rollen bei Fuß neben ihrer Bezugsperson her, erkennen diese per Gesichtsscan und öffnen nur ihr den Deckel, hinter dem die Einkäufe verstaut werden können. Geht es nach den Vorstellungen von Panasonic wird man künftig seine Einkäufe auch in selbstfahrenden E-Autos nach Hause bringen. Schon jetzt liefert Panasonic Batterien für Tesla.

Hinweis: Die Reise nach Japan erfolgte auf Einladung von Panasonic.

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