Siegfried Wolf: Der Austro-Oligarch

Siegfried Wolf
Wie der neue Mann an der Spitze der Staatsholding ÖIAG tickt.

Schon Wochen vor seiner umstrittenen Bestellung zum Aufsichtsratschef der ÖIAG blies Siegfried Wolf heftiger Gegenwind ins Gesicht. Die Windstärke wird nicht nachlassen. Die Staatsholding, in der die Beteiligungen der Republik Österreich an den börsenotierten Schwergewichten OMV, Telekom Austria und Post gebunkert sind, ist in stürmischen Gewässern unterwegs. Für den neuen Mann an der Spitze, der eine außergewöhnliche Karriere hinlegte und sich zu Europas mächtigsten Managern zählen darf, kein Problem. Gegenwind sei er gewohnt, "das schärft die Sinne", tönte der Putin-Versteher Siegfried Wolf, Spitzenmanager im Konzern des russischen Oligarchen Oleg Deripaska, kürzlich auf einer Diskussion in Graz.

Da wären die Spekulationen über den Einstieg des russischen Energie-Giganten Gazprom bei der OMV. Zuerst warnte der Grün-Politiker Peter Pilz im KURIER, er habe Hinweise. Die Nachrichtenagentur Reuters legte nach und zitierte Insider in den Emiraten und Moskau. Der Staatsfonds von Abu Dhabi, die IPIC, hält 24,9 Prozent am heimischen Öl- und Gaskonzern und ist mit der ÖIAG (31,5 Prozent) über einen Syndikatsvertrag eng verbunden.

Am Freitag dementierte Gazprom-Vizepräsident Alexander Medvedev aktuelle Gespräche über den Kauf eines OMV-Aktienpakets. Fragt sich nur, wie glaubwürdig dieses Dementi ist. Die Gazprom will sich schon lange in Europa einkaufen. Mit dem gemeinsamen Bau der Gaspipeline South Stream rücken die OMV und der russische Monopolist eng zusammen. Andererseits grundelt die OMV-Aktie derzeit bei rund 33 Euro, weit entfernt vom Höchststand von knapp 58 Euro. Sollten die Bohrungen im Schwarzen Meer erfolgreich sein, dürfte die Aktie abheben. Warum sollte die IPIC gerade jetzt aussteigen?

Die nächste Baustelle ist die Telekom, die mit einem plötzlichen Finanzloch von 400 Millionen Euro in Bulgarien schockt. Die zweitgrößte Beteiligung der ÖIAG ist somit endgültig ein Sanierungsfall. Für heuer ist ein Rekordverlust von 250 bis 300 Millionen zu erwarten.

Für den Zustand der Telekom darf die ÖIAG mitverantwortlich zeichnen. Aus dem Unternehmen wurden viel zu hohe Dividenden gezogen. Kein Ruhmesblatt für die ÖIAG ist auch das Schicksal der AUA. Bei der defizitären Airline wurde so lange zugewartet, bis die Lufthansa die AUA geschenkt bekam und auch noch 500 Millionen Euro Staatszuschuss dazu.

Wolf sitzt bereits seit 2002 im ÖIAG-Aufsichtsrat und war seit 2008 erster stellvertretender Vorsitzender. Der Aufsichtsrat erneuert sich selbst, die Politik kann formal nicht eingreifen. Die Regierung wollte dieses Relikt aus der schwarz-blauen Koalition im Rahmen einer Aufwertung der Staatsholding abschaffen und Wolf wegen seiner Nähe zu Putin als Vorsitzenden verhindern, konnte sich aber nicht einmal auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner einigen.

Die Aufsichtsräte mussten sich nämlich wiederholt den Vorwurf, eine geschäftlich miteinander verbandelten Insiderclique zu sein, gefallen lassen. Das trifft für den Großteil tatsächlich zu. Wolf dagegen sieht keine Freunderlwirtschaft.

Sensibilität ist jedenfalls nicht Wolfs Stärke, der sich in Europa "ein bissl mehr russische Demokratur" wünscht und auf die Mädchengruppe "Pussy Riot" hinhaut. Jene jungen Künstlerinnen, die für ihre Kritik an Putin ins Straflager verbannt wurden.

Kaum an der Spitze der ÖIAG, teilte Wolf gleich aus. Neben den fünf Betriebsräten hatte sich auch die ehemalige Siemens-Topmanagerin Brigitte Ederer der Stimme enthalten – was der neue Vorsitzender mit einer abschätzigen Bemerkung über die "üblichen Verdächtigen" kommentierte. Wenige Tage zuvor wurden drei neue Mitglieder in das Gremium gewählt. Jeder Aufsichtsrat kann seine Favoriten nennen, dann wird abgestimmt. Unter den Kandidaten war die Garagen-Erbin und Immo-Unternehmerin Bettina Breiteneder. Sie hält 25 Prozent an der B & W Liegenschaftsverwertung, 25 Prozent hat Wolf. Wer wohl nominierte Breiteneder, die allerdings nicht gewählt wurde? Erraten – Wolf. Im Vorjahr zog die Rechtsprofessorin Brigitta Zöchling-Jud in den Aufsichtsrat ein. Ihr Ehemann ist ein enger Mitarbeiter von – Wolf.

"Ein sich selbst erneuernder Aufsichtsrat hat durchaus seine Rechtfertigung", meint Susanne Kalss, Unternehmensrechtlerin an der WU Wien. Um Unternehmen im öffentlichen Eigentum vor parteipolitisch motiviertem Einfluss zu schützen. Die Selbstkooptierung setze allerdings "Aufsichtsräte voraus, die strengste Kriterien an die Treue- und Sorgfaltspflicht anlegen und die ausschließlich im besten Interesse des Unternehmens handeln".

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