Shopping-Zores am Hauptbahnhof

Die Kundenfrequenz der Geschäfte am Hauptbahnhof ist noch nicht auf Schiene. Dafür wird der Verkauf am Sonntag stark beschränkt.
Zeitschriften-Händler Press & Books klagt über Verkaufsbeschränkung an Sonn- und Feiertagen.

Wien ist eine Weltstadt. Rund 6,2 Millionen Touristen reisen jährlich an. Immer öfter kommen sie mit der Bahn nach Wien – und steigen am neuen Hauptbahnhof(HBF) aus. Und der scheint ziemlich überdimensioniert (siehe Zusatzbericht). Auf drei Etagen wurde eine Shopping-Mall mit etwa 90 Geschäften und Gastro-Lokalen eingerichtet. Die Handelsketten Deichmann, Hervis, Libro, Müller, Interspar und der Zeitschriften-Händler Press & Books sorgen für eine bunte Mischung. Unter der Woche kann man bis 21.00 Uhr shoppen. Doch an den Sonn- und Feiertagen ist Wien anders. Grund ist das Öffnungszeitengesetz (ÖZG). "In Paragraf sieben ist geregelt, dass man an Sonn- und Feiertagen an Bahnhöfen, Bus-Bahnhöfen und Flughäfen nur Lebensmittel, Reiseandenken, und notwendiger Reisebedarf, wie Lektüre, Blumen, und Toiletteartikel verkaufen darf", sagt Michael Horak von der zuständigen Wiener Magistratsabteilung 59. "Die für diese Ware gewidmete Verkaufsfläche darf 80 Quadratmeter nicht übersteigen."

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Der Zeitschriften-Händler Press & Book, der zum Schweizer Konzern Valora Holding (2200 Filialen in Europa , drei Mrd. Euro Umsatz) gehört, hat sich am Hauptbahnhof auf 220 Quadratmetern eingenistet. Damit ist der Ärger mit den Behörden vorprogrammiert. "Ich bin schon mehrmals angezeigt worden und habe bereits einmal Strafe gezahlt", sagt Press-&-Books-Chef Ernst Rupp. "Aber das betraf unseren Shop am Westbahnhof." Press & Books betreibt insgesamt zehn Filialen in Österreich.

Shopping-Zores am Hauptbahnhof
Der Schweizer Valora-Konzern betreibt zehn Press & Books-Läden in Österreich.
Vergangenen Sonntag mussten Rupps Mitarbeiter die HBF-Filiale wieder bis auf 80 Quadratmeter absperren – mit roten Bändern und zum Ärger der Kunden. Letztere konnten diverse Zeitschriften und Bücher nicht kaufen (die vom Gesetz her als Reisebedarf definiert sind!), obwohl sie in Sichtweite, aber hinter der Absperrung, lagen. Denn: Die Mitarbeiter dürfen Zeitschriften und Bücher "aus dem Sperrbezirk" weder herausholen noch verkaufen. Am Sonntag hielt sich eine Mitarbeiterin nicht an das Verbot, wurde dabei von der MA 59 ertappt und kassierte eine Abmahnung . "Der Umsatz an Sonntagen wäre um ein Drittel höher, wenn wir die gesamte Verkaufsfläche nutzen könnten", sagt Rupp. Ihm wurde geraten, ein Trenngitter in die Filiale einzubauen, das man nicht überklettern kann. Rupp: "Die haben mir eine Art chinesische Mauer empfohlen."

Der Bau des Hauptbahnhofs verschlang eine Riesen-Summe. Rund eine Milliarde Euro haben die ÖBB in die neue Verkehrsdrehscheibe samt weitläufigem Shoppingcenter investiert. An die 90 Geschäfte und Lokale verteilen sich über drei verwinkelte und unübersichtliche Stockwerke der Bahnhof-City. Doch so zahlreich sich hier die Läden aneinander reihen, die Kundschaft lässt trotz modernem Design nach wie vor auf sich warten. Auch die ersten Mängel an dem gefeierten Neubau sind nicht zu übersehen.

Bei einem Lokalaugenschein des KURIER am Montag fiel vor allem eine große Wasserpfütze am Fußboden in einer Etage auf.
Im Dezember wird der Hauptbahnhof seinen Betrieb endgültig aufnehmen. Mit der Fahrplanumstellung werden dann 170 zusätzliche Züge pro Tag halten und damit mehr potenzielle Kunden unterwegs sein.

Positive Entwicklung

Viele Verkäufer sind deshalb zuversichtlich, so auch Rebecca Ostler, Mitarbeiterin der Bäckerei Felber. Aktuell bezeichnet sie das Geschäft als „wenig zufriedenstellend“, doch sie hofft auf eine positive Entwicklung. „Jetzt im Sommer haben wir Pause, ab Dezember geben wir dann Vollgas!“, sagt Ostler. Bei anderen stimmt der Umsatz jetzt schon. Die Verkäuferinnen des Geschenkartikel-Ladens Pylones sehen den Erfolg in ihren exklusiven Produkten. Pylones-Mitarbeiterin Jelena Blagojevic meint zwar, dass in der Mariahilfer Straße noch mehr Umsatz möglich wäre, sie aber hier am Hauptbahnhof im Vergleich zu den anderen Läden die meisten Kunden hätten. Die Kunden fühlen sich größtenteils wohl am Hauptbahnhof. Manche schätzen gerade „die Leere in den Geschäften“.

Für Besucherin Katarina R. ist der Bahnhof als Shoppingmöglichkeit „eher zweite Wahl“. Das Essensangebot sagt ihr sehr zu.
Indes waren Reinhard Eckl und Gabriele Puffer am Montag zum ersten Mal am Hauptbahnhof. Für die Durchreise erachten sie das Shoppingcenter als praktisch. „Es gibt viel auf einem Platz“, sagt Eckl. Extra zum Einkaufen würden sie aber nicht anreisen.

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