Share-Now-Chef: "Null komma Null Grund für ein Privatauto"
Seit Februar 2019 lenkt Olivier Reppert das weltgrößte Carsharing-Unternehmen. Während er bereits zuvor jahrelang an der Spitze von Car2Go stand, muss er nun die Fusion mit dem ehemaligen Konkurrenten DriveNow abwickeln. Das gemeinsame Unternehmen Share Now soll künftig aus Aushängeschild der Teilhaber Daimler und BMW für die Mobilität der Zukunft dienen. Der KURIER hat mit Reppert darüber gesprochen, wohin die Reise von Share Now nun gehen soll.
KURIER: In Wien stehen derzeit noch Autos von Car2Go und DriveNow auf den Straßen zur Anmietung bereit. Wann wird es nur noch Share Now und eine gemeinsame App geben?
Olivier Reppert: Was da stattfindet, ist eine Transformation. Wir wollen nicht, dass Kunden eines Tages aufwachen und eine App vorfinden, die ihnen ganz unbekannt ist. Es gibt bereits spürbare Veränderungen in den Car2Go- und DriveNow-Apps. Bald wird es eine gemeinsame App geben. Die Nutzer werden sich darin sofort zurechtfinden und merken, dass sie sich mittransformiert haben.
Wird die Flotte von Share Now künftig 50:50 aus Daimler- und BMW-Autos zusammengesetzt sein?
Das wird von Stadt zu Stadt unterschiedlich sein. In Rom etwa ist die Parkplatznot groß, da liegt die Priorität auf kleineren Fahrzeugen, etwa Smarts. In Wien merken wir, dass es auch großes Interesse daran gibt, Fahrzeuge länger zu nutzen, also mehrere Stunden oder gar Tage. Da brauchen wir auch andere Modelle, etwa größere Autos für Wochenend-Ausflüge oder Cabrios. Wir wollen Menschen davon überzeugen, dass sie kein eigenes Auto mehr brauchen, sondern für jede Eventualität das passende Fahrzeug vorfinden. Statt ein einzelnes Auto privat zu besitzen, kannst du bei uns aus sechs verschiedenen Modellen wählen.
DriveNow hat in die Wiener Flotte 20 Elektroautos mitgebracht. Mehr sind es bislang nicht. Wird sich das ändern?
Wir haben unsere Wiener Kunden dazu befragt und 80 Prozent sagen, dass sie sich bei einer Wahl zwischen Elektro- und Verbrennungsantrieb für das Elektroauto entscheiden würden. Wichtig ist, dass es eine sehr gute Ladeinfrastruktur gibt. In Wien hat es immer eine gute Zusammenarbeit mit der Stadt gegeben. Die Voraussetzungen stimmen also, deswegen haben wir uns dafür entschieden, die E-Flotte in Wien bis Jahresende auf eine dreistellige Anzahl aufzustocken.
Die bisherige E-Flotte besteht aus BMW i3. Die künftige auch?
77 Prozent aller Fahrer in Wien sind mit dem i3 erstmals mit einem Elektroauto gefahren. Es ist naheliegend, dass auch die Aufstockung mit i3 stattfinden wird. Aber für die Zukunft ist nicht ausgeschlossen, dass wir auch Smarts mit Elektroantrieb einführen.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Mobilitätswende ein schwieriges Thema. Elektrifizierung, Automatisierung, Sharing sind für Autohersteller kostspielig. Wie groß ist der Druck auf Share Now, Gewinne zu erwirtschaften?
Wir können auf zehn Jahre Erfahrung zurückgreifen, und zwar auf Car2Go- und DriveNow-Seite, wodurch wir Zahlen auch vergleichen können. Wir wissen ganz genau, welchen Weg man bestreiten muss, um mit Free-Floating-Carsharing (Autos können überall im Geschäftsgebiet abgestellt und angemietet werden, Anm.) profitabel zu sein. Es gibt von Stadt zu Stadt Unterschiede, aber im Grunde wissen wir, wie die Gesamtprofitabilität gewährleistet wird.
In Wien führte Share Now Anfang Juli ein flexibles Tarifmodell ein. Kommt dadurch mehr Geld rein?
Das würde ich so nicht sagen. Es geht ja darum, eine bessere Verteilung der Flotte zu haben. Dort, wo ein Auto länger herumsteht, ist man dadurch in der Lage, es durch niedrigere Preise attraktiver zu machen. Wie gut das funktioniert, das müssen wir erst auswerten.
Share Now hat sich zuletzt aus einigen kanadischen und US-Städten zurückgezogen. Warum?
Wir haben dort nicht genügend Relevanz gehabt. Das Thema geteilte Mobilität zieht in einigen Städten nicht so an wie in Europa. Dann muss man konsequent sein und sich zurückziehen.
Sind Fahrtendienste wie Uber oder Lyft in Nordamerika größere Konkurrenten?
Bei ganz kurzen Fahrten bis maximal 25 Minuten auf jeden Fall. Aber es ist grundsätzlich interessant zu beobachten, dass Fahrten mit Chauffeur teilweise günstiger sind, als Fahrten, bei denen man selbst am Steuer sitzt. Das zeigt, dass erstere hoch subventioniert sind.
In Berlin startete VW vor Kurzem seinen Carsharing-Dienst We Share. Wie blickt Share Now dem entgegen?
In großen Städten gibt es so viel Potenzial, dass es nicht um den Kampf um einzelne Kunden geht, sondern um Überzeugungsarbeit in der Gesamtpopulation. Auch neue Player müssen Kunden erstmal beibringen: Schau mal, du hast so viele Alternativen, du brauchst kein Auto. In Berlin gibt es jetzt Null komma Null Grund, noch ein Privatfahrzeug zu haben.
2018 gaben Daimler und BMW bekannt, ihre Mobilitätsdienste in einem neuen Joint Venture zusammenzulegen. Car2Go-Teilhaber Europcar und DriveNow-Teilhaber Sixt wurden ausgekauft. Neben der Carsharing-Sparte (jetzt Share Now) sind von der Fusion auch andere Dienste betroffen. Diese sind die Vermittlungsdienste moovel und ReachNow, der Fahrtendienst mytaxi (Free Now), die Parkplattvermittler Parkmobile und ParkNow und die Ladedienstleister Digital Charging Solutions und ChargeNow.
Marktführer
Share Now bietet nun in 26 Städten in 14 Ländern über 20.000 Autos (3200 davon E-Autos) an. Share Now setzt auf „Free Floating“ (Autos können in Geschäftsgebiet überall abgestellt werden), anstatt wie viele Konkurrenten auf fixe Stationen.
Andere Autohersteller haben sich bereits vom Thema Carsharing verabschiedet. Wie schwierig ist das Geschäft?
Jeder, der Carsharing nutzt, hat den Eindruck, dass das einfach ist. Wir freuen uns darüber. Aber hinter den Kulissen ist das eine absolute Höchstleistung an Komplexität. Wir haben 200 Micro-Services, die wie kleine Zahnräder perfekt aufeinander abgestimmt sein müssen. Es ist eine komplexe Orchestrierung. Das zu beherrschen ist nicht einfach.
In puncto Nachhaltigkeit wurden Studien veröffentlicht, die bestreiten, dass Free-Floating-Carsharing zu weniger privatem Autobesitz führt. Woran liegt das?
Viele Menschen lieben ihr Auto. Wenn ich sie damit konfrontiere, dieses Produkt aufzugeben, wenn ich sage: "Schau mal, dein Auto steht die meiste Zeit ungenutzt am Straßenrand", dann passiert das nicht von heute auf morgen. Das ist ein langsamer Veränderungsprozess. Der Wandel in der Mobilität findet statt, aber nicht so schnell, wie das einige gedacht haben. In einigen Jahren wird das aber kein Thema mehr sein. Dann wird jeder sagen: Ja, es ist deutlich effizienter, ein Auto zu teilen. Teilen ist der richtige Weg.
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