Sesselrücken bei BMW und Volkswagen

Norbert Reithofer in einem BMW-Cabrio auf der Pariser Automesse 2014.
BMW-Chef Reithofer wird Aufsichtsrat. Entwicklungsvorstand Diess wechselt 2015 zu Volkswagen.

BMW-Chef Norbert Reithofer gibt seinen Posten bei dem Autobauer im kommenden Jahr vorzeitig ab. Bei der Hauptversammlung im Mai soll der bisherige Produktionsvorstand Harald Krüger zum neuen Vorstandschef bestellt werden, wie BMW am Dienstag in München mitteilte.

Reithofer soll dann neuer Aufsichtsratschef werden. Der bisherige Chef-Kontrolleur Joachim Milberg lege sein Mandat mit Ende der Hauptversammlung nieder. Neuer Entwicklungschef wird der BMW-Manager Klaus Fröhlich. Der bisherige Amtsinhaber Herbert Diess wechselt im nächsten Jahr zu VW (siehe unten).

Reithofer steht seit 2006 an der BMW-Spitze und hat den Konzern seither zu neuen Bestmarken geführt: Im laufenden Jahr will BMW weltweit erstmals mehr als zwei Millionen Autos verkaufen. Sein Vertrag sollte eigentlich noch bis zum Jahr 2016 laufen.

Seit Wochen wurde aber über sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Vorstand spekuliert. Im November war bekanntgeworden, dass Reithofer im kommenden Jahr in den Siemens-Aufsichtsrat einziehen will.

Diess wechselt zu Konkurrent VW

Sesselrücken bei BMW und Volkswagen
Dr. Herbert Diess, of the BMW Board of Management, speaks next to a Z4 sDrive 35is at the North American International Auto Show in Detroit, Michigan January 14, 2013. REUTERS/James Fassinger (UNITED STATES - Tags: TRANSPORT BUSINESS)
Volkswagen wirbt den Entwicklungsvorstand von BMW ab und überträgt ihm die Leitung der schwächelnden Hauptmarke VW. Herbert Diess werde mit Wirkung zum 1. Oktober 2015 zu dem Wolfsburger Autobauer wechseln und dort Markenchef für VW werden, teilte Europas größter Autobauer am Dienstag überraschend mit. Dafür war bisher VW-Konzernchef Martin Winterkorn mit zuständig.

Für Diess werde im Konzernvorstand ein Ressort "Vorsitzender des Markenvorstands Volkswagen Pkw" eingerichtet.

"Mit Herbert Diess haben wir eine herausragende Persönlichkeit und einen der fähigsten Köpfe der Automobilbranche für uns gewinnen können", sagte Winterkorn. Zudem stelle VW mit diesem Schritt sowohl den Konzern als auch die Marke personell auf ein noch breiteres Fundament. Winterkorn führt die Marke VW bis jetzt parallel zu seinen Aufgaben als Konzernchef. Er hat der Hauptmarke ein Sparprogramm von 5 Mrd. Euro verordnet, um die Rendite in den nächsten Jahren zu verdoppeln.

Der neue BMW-Chef Harald Krüger kennt die BMW-Werke rund um den Globus wie kaum ein anderer: Seit fast zwei Jahren ist der 49-Jährige als Produktionsvorstand zwischen dem Stammwerk in München und Auslandswerken wie Araquari in Brasilien oder dem US-Werk in Spartanburg unterwegs.

Eine Warmlauf-Zeit braucht Krüger nicht, wenn er im Mai 2015 als Nachfolger von Norbert Reithofer neuer BMW-Chef wird. Nach seinem Maschinenbau-Studium in Braunschweig und Aachen hat Krüger fast seine gesamte Berufslaufbahn bei BMW verbracht und dort eine Bilderbuch-Karriere hingelegt: Eingestiegen war der gebürtige Freiburger im Jahr 1992 als Trainee.

In den Jahren darauf sammelte er unter anderem als Projektingenieur in Spartanburg und Werkleiter der Motorenproduktion im britischen Hams Hall Auslandserfahrung. 2008 rückte er in den Vorstand des Autokonzerns auf, wo er zunächst für das Personalwesen zuständig war. Seit April vergangenen Jahres ist er Produktionsvorstand bei dem Autobauer.

Norbert Reithofer geht gerne den direkten Weg. Zuhörer schätzen seine sachlichen Ansagen, die in der Regel ohne viele Worthülsen und verschwurbelte Sprachformeln auskommen. Erst im Mai ernannte die Uni Stuttgart-Hohenheim den Bayern zum verständlichsten Redner unter den DAX-Vorstandschefs.

Trotzdem agiert der 58-Jährige in der Öffentlichkeit eher unauffällig und gilt auch im Unternehmen als uneitel und aufgeschlossen. Ein Showman ist der Manager beileibe nicht.

Wie sein Nachfolger Harald Krüger ist auch Reithofer ein BMW-Eigengewächs. Direkt von der Uni kam der Maschinenbauer 1987 zum Autokonzern und arbeitete sich bis zum Chefposten hoch. Vor seiner letzten Beförderung war er wie jetzt auch Krüger Produktionschef bei BMW.

Seinen klaren Worten hat Reithofer auch deutliche Entscheidungen folgen lassen: Kurz nachdem er 2006 die BMW-Spitze übernahm, schwenkte er auf einen harten Sparkurs ein, Tausende Jobs wurden gestrichen. So machte sich der Ingenieur aus Penzberg bei München nicht nur Freunde, BMW steuerte er damit aber an die Spitze der deutschen Oberklasse.

Als letztes großes Projekt des BMW-Chefs dürften die Elektroautos i3 und i8 mit seinem Namen verbunden bleiben. Während sich die deutsche Konkurrenz beim heiklen Thema E-Mobilität nur zögerlich aus der Deckung wagte, ging Reithofer volles Risiko, ließ zwei ganz neue Modelle entwickeln und unter eigener Marke verkaufen.

BMW-Manager Herbert Diess soll die renditeschwache Pkw-Kernmarke bei Volkswagen wieder aufpolieren. Für diese Aufgabe wirkt der Lebenslauf des gebürtigen Münchners geradezu passgenau.

Bei BMW verantwortete Diess zwischen 2007 und 2012 nicht nur Einkauf und Zulieferernetzwerk, sondern zuletzt auch das Ressort Entwicklung. In beiden Bereichen sieht VW-Chef Martin Winterkorn entscheidende Hebel, um die Komplexität der zuletzt stark gewachsenen VW-Kernmarke wieder zu vereinfachen. Ein dritter Ansatzpunkt sind die Abläufe in den VW-Fabriken, die Winterkorn als "oft zu groß, zu komplex und zu teuer" kritisierte. Diess wiederum ist auch ein ausgewiesener Experte für die Produktion: Zwischen 1999 und 2003 leitete er in BMW-Diensten das Motorenwerk nahe Birmingham und die Fahrzeugfabrik in Oxford.

Der 56-Jährige wirkt auf den ersten Blick recht unscheinbar, hat aber als Maschinenbauer und promovierter Fertigungstechniker den fachlichen Hintergrund zum Produktionsmanager. In dieser Funktion machte Diess vor seiner Zeit bei BMW Karriere beim Autozulieferer Bosch. Und auch da schließt sich ein Kreis: VW stellt mit seinem Sparprogramm nämlich auch die hohe eigene Fertigungstiefe auf den Prüfstand, also den Anteil der Eigenleistung beim Autobauen.

Das Unternehmen will sich auf zukunftsweisende, margenstarke Teile konzentrieren und den Rest verstärkt den Zulieferern überlassen. Auch für solche Entscheidungen bringt Diess die nötigen Erfahrungen mit.

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