Semperit-Chef: „Auftragsbuch ist schmäler“

Semperit-Chef: „Auftragsbuch ist schmäler“
Der heimische Kautschuk-Verarbeiter spürt die schwächere Konjunktur. Medizinische Handschuhe bleiben aber gefragt.

Im KURIER-Gespräch erklärt Thomas Fahnemann, wie er Semperit bei medizinischen Handschuhen zum Weltmarktführer machen will.

KURIER: Das dritte Quartal ist über den Erwartungen gelegen. Worauf ist dies zurückzuführen?

Thomas Fahnemann: Die Situation bei Rohstoffen war in den ersten sieben Monaten von einer dramatischen Steigerung gekennzeichnet. Es ist uns gelungen, dies großteils an die Kunden weiterzugeben. 13 Prozent unseres 20-prozentigen Wachstums sind darauf zurückzuführen, nur sieben Prozent auf Mengenwachstum. Darüber hinaus haben wir erste Schwerpunkte in Märkten gesetzt, in denen wir bisher nicht ganz so vertreten waren, sprich Asien und in Nordamerika. So haben wir jetzt auch Vertriebsbüros in Schanghai und Brasilien. Und die Hälfte der Rohstoffe kaufen wir auch vor Ort in Singapur.

Wie ist die Situation im laufenden Quartal?

Da muss man differenzieren. Der Bereich medizinische Handschuhe ist natürlich wenig zyklisch. Dort ist der Bedarf immer da, auch wenn es derzeit Überkapazitäten gibt. In einem Jahr wird sich das gegeben haben. Bis dahin haben wir verstärkten Preisdruck. Jetzt wartet jeder Kunde, bis es noch billiger wird. Wir sind am kämpfen, dass wir die Margen halten.

Und wie geht es auf der Industrieseite voran?

Da läuft es ein wenig anders. Der Schlauchbereich hat sich in den ersten neun Monaten hervorragend entwickelt. Jetzt merken wir eine deutliche Abkühlung. Diese Produkte werden hauptsächlich im Maschinenbau und für Spezialfahrzeuge verwendet. Das Auftragsbuch fällt jetzt schmäler aus. Im Bereich der Förderbänder ist es uns gelungen, die Verluste ins Positive zu drehen. Es sieht recht vielversprechend aus.

Wie reagieren Sie auf die schwächere Nachfrage?

Bei Schläuchen gab es in den ersten Quartalen noch Lieferzeiten von drei bis vier Monaten, jetzt haben wir hingegen einzelne Schichten rausgenommen. Aber das ist alles nichts dramatisches. Wir glauben für nächstes Jahr nicht an eine Wiederholung des 09er-Szenarios, allerdings wird die Situation deutlich schwieriger als 2011. Die Unternehmen müssen flexibler werden. Wenn es schlimmer wird, haben wir natürlich unsere Pläne in der Schublade. Dann werden wir die Produktionskapazitäten anpassen. Wir haben aber genug Liquidität und keine Schulden. Damit sehen wir uns gut gerüstet, falls der Wind wieder schärfer blasen sollte.

Im Bereich Handschuhe wollen Sie bis 2015 Marktführer werden. Wie soll das gelingen?

Es gibt ein großes Potenzial in den BRIC-Ländern (Brasilien, Russland, Indien, China) . Im ersten Halbjahr wurde der Bau der fünften Anlage beschlossen. Sie wird Ende 2012 in Betrieb gehen. Daneben schauen wir uns nach Akquisitionsmöglichkeiten in Südostasien um. Heuer schon werden wir die Produktion von 10 auf 13 Milliarden Handschuhe steigern. Bis 2015 wollen wir unsere Kapazitäten alleine durch organisches Wachstum verdoppeln. Weltweit wurden im Vorjahr 150 Milliarden medizinische Handschuhe verkauft, 2015 werden es 200 Milliarden sein. Alleine um unseren Anteil zu halten müssen wir stark wachsen.

Dazu müssen Sie auch viel investieren. Wie viel steht Ihnen zur Verfügung?

Wir haben ein genehmigtes Investitionsvolumen von 45 Millionen Euro, davon sind 30 Millionen für die fünfte Fabrik. Der Rest geht in die Ausweitung der Industriesparte. Im nächsten Halbjahr fällt die Entscheidung für den Standort des sechsten Handschuhwerks. Das bedeutet weitere 30 bis 40 Millionen Euro, die wir aus dem laufenden Cashflow finanzieren werden.

Der Standort in Wimpassing bleibt bestehen?

Wir bekennen uns zur Zentrale in Wien und zu Wimpassing, insbesondere was Forschung und Entwicklung betrifft. Die hochwertigen, innovativen Schläuche und Handschuhe werden dort auch produziert. Wir haben aber einen Mangel an guten Fachkräften. Wir hätten sonst dieses Jahr mehr produzieren können. Sollte sich die Krise verschärfen, werden wir die freie Zeit zur Weiterbildung nutzen.

Wie werden sich die Rohstoffpreise entwickeln?

Bei Naturkautschuk hat es eine starke Abkühlung gegeben. Möglicherweise wird sich das bis ins erste Quartal fortsetzen. Da aber 70 Prozent der Kautschukproduktion in die Reifenproduktion geht, sind wir sehr von der Autoindustrie abhängig. Und die ist für das nächste Jahr noch sehr optimistisch. Auf diese Produkte gibt es keine Absicherungsmöglichkeiten der Preise wie etwa durch Hedging bei Öl.

Wie sieht es mit der Dividende für 2011 aus?

Das ist ein bisschen früh. Wir werden aber sicher eine gewisse Kontinuität wahren.

Wie oft wird Semperit noch für eine Reifenfirma gehalten ?

Im deutschsprachigen Raum wird unser Logo noch mit Reifen verbunden. Wir arbeiten daran, unser Image zu ändern, aber wir haben im Moment viele andere Dinge zu tun.

Zur Person: Thomas Fahnemann

Laufbahn Der 1961 in Frankfurt/Main geborene Deutsche startete seine Karriere 1983 bei Hoechst und bekleidete in Folge Führungsfunktionen in Deutschland und den USA. 2003 wurde er Chef des Faserherstellers Lenzing, 2009 wechselte er in dieser Funktion zur RHI. Nach einem Jahr erfolgte der Wechsel zu Semperit.

Bilanz Semperit ist in vier Bereichen tätig (medizinische Handschuhe, Industrieschläuche, Handläufe, Förderbänder). Der Bereich Reifen wurde 1985 an Continental verkauft. Der Umsatz wuchs in den ersten drei Quartalen zum Vorjahreszeitraum um 21 Prozent auf 626 Mio. Euro, der Gewinn um 19 Prozent auf 41 Mio. Euro. .

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