Schwerer Start für den neuen Börse-Chef

Öffentlich noch zurückhaltend: Christoph Boschan
Noch arbeitet Christoph Boschan lieber im Hintergrund.

Der einzige öffentliche Auftritt bisher ist auf YouTube. "Er sei Börsianer durch und durch, mit voller Leidenschaft", beteuerte der neue Chef der Wiener Börse am 1. September, seinem ersten Arbeitstag. Sonderlich groß ist das Interesse an der Video-Botschaft von Christoph Boschan-Freiherr von dem Bussche-Haddenhausen nicht. Knapp 1900-mal wurde der Auftritt aufgerufen. Sagt alles über das breite Desinteresse am Kapitalmarkt.

Er wolle die Wiener Börse "noch erfolgreicher" machen, kündigt der 38-Jährige an. Von erfolgreich kann derzeit keine Rede sein. Der heimische Aktienmarkt dümpelt vor sich hin, namhafte Unternehmen verabschiedeten sich. Bald dürfte auch der Feuerfest-Konzern RHI gehen, (siehe Artikel unten), wenigstens bleibt die Telekom entgegen den ursprünglichen Ambitionen des Mehrheitseigentümers America Movil jetzt doch. Das Handelsvolumen wird immer geringer. 80 Prozent des Ordervolumens kommen aus dem Ausland. Die Politik ignoriert den Kapitalmarkt, Aktienbesitz gilt nicht nur im linken Lager als pfui und Spielwiese für schwerreiche Kapitalisten. Und den Finanzchefs von Großunternehmen fällt auch nicht mehr ein, als seit Jahren über die – zugegeben erschwerenden – Rahmenbedingungen und die Finanzmarktaufsicht zu klagen. Einziges Regierungsmitglied, das sich für das Thema engagiert, ist VP-Staatssekretär Harald Mahrer.

Der neue Börsechef sei bis dato in der Öffentlichkeit unsichtbar, wird in Unternehmenskreisen kritisiert. Noch wird nur im Hintergrund gematschkert. Auch innerhalb der eigenen Mannschaft wünscht man sich, dass Boschan endlich nach außen hin eindrucksvoll auftritt.

Das Zeug dazu hat der Deutsche, dem von allen Seiten "hohes Potenzial" attestiert wird. Schließlich schaffte er es, die Börse Stuttgart in lichte Höhen zu pushen. Ein Drittel der Börsenumsätze in Deutschland wird heute über Stuttgart gehandelt.

Ist aber nicht so, dass sich der dynamisch auftretende Börse-Boss hinter den Türen des Palais in der Wallnerstraße in der Wiener Innenstadt verschanzt. Der Terminkalender ist knallvoll, Boschan lobbyiert intensiv – Gespräche mit Finanzvorständen, Auftritte bei der Industriellenvereinigung und Investor-Relations-Managern sowie in Polit-Kabinetten. In die breite Öffentlichkeit will Boschan jedoch erst, wenn er mit seinem Team die neue Strategie ausgearbeitet hat. Er fände es nicht klug, "sich am ersten Arbeitstag bereits vor die Medien zu stellen und noch nicht einmal zu wissen, wo’s lang geht".

Eines ist ihm längst klar: "Es geht nicht darum, die Leute aus dem eigenen Umfeld zu überzeugen. Sondern jene, die dem Kapitalmarkt kritisch gegenüberstehen". Damit seien alle Verbände, Kammern und politischen Ausrichtungen gemeint, die "den Kapitalmarkt nicht notwendigerweise als Bestandteil für wirtschaftliches Wachstum sehen". Im von Kanzler Christian Kern proklamierten "New Deal" kommt der Kapitalmarkt gar nicht vor. Wie zu hören ist, soll Boschan versuchen, in die Wirtschafts-Arbeitsgruppe hineinzukommen. Er fände es ausgezeichnet, wenn die Wiener Börse endlich eine "starke öffentliche Präsenz hätte", hofft Mahrer, dass der Börse-Chef demnächst auch öffentlichkeitswirksam Gas gibt.

Die geplante Fusion des heimischen Feuerfest-Unternehmens RHI mit dem brasilianischen Konkurrenten Magnesita, die Verlegung der Konzernzentrale in die Niederlande und die Übersiedlung von der Wiener Börse nach London sorgt für immer heftigere Kritik. Er sei "empört über die rote Rotwein-Schickeria", wettert Kleinaktionärs-Vertreter Wilhelm Rasinger. Gemeint seien RHI-Großaktionär Martin Schlaff sowie die Aufsichtsräte Herbert Cordt, Wolfgang Ruttenstorfer und Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer.

Die RHI sei an der Wiener Börse groß geworden, der Patriotismus der handelnden Personen beschränke sich allerdings darauf,"in die Wiener Oper zu gehen und guten Wein zu trinken. Österreich ist diesen Leuten egal“. Schlaff habe außerdem seine Stiftung, über die er mehr als 25 Prozent an der RHI hält, nach Liechtenstein verlegt.

RHI-Aktionär Rupert-Heinrich Staller kritisiert die Gewinnprognosen von Aufsichtsrats-Chef und Schlaff-Intimus Cordt als "völlig illusorisch und einzig vom Wunschtraum nach einer hohen Börsenbewertung in London getrieben, um endlich einen Exit für das kontrollierende Aktienpaket von Schlaff zu erreichen".

Der ehemalige BZÖ-Vizekanzler und RHI-Aufsichtsrat Hubert Gorbach ("Vorarlberg is to small...") dürfte auch nicht so überzeugt von der Fusion sein. Er verkaufte einen Tag nach Bekanntgabe des Deals RHI-Aktien um rund 72.000 Euro. Auch die Ehefrau von Aufsichtsrat Helmut Draxler gab ein Aktienpaket ab.

Naturgemäß hält der neue Börsenchef Christoph Boschan die Abwanderungspläne für "die falsche Entscheidung". Die Londoner Börse habe in diesem Bereich weniger Liquidität als Wien, die Transaktionskosten seien höher und die Sichtbarkeit des Unternehmens geringer.

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