Schulz: Griechen mehr Zeit geben

Schulz: Griechen mehr Zeit geben
Der EU-Parlamentspräsident ist auch überzeugt, dass die Finanztransaktionssteuer EU-weit kommt.

"Wenn diese Quelle sprudelt, werden sich auch jene anderen anschließen, die sich jetzt noch vornehm zurückhalten." Martin Schulz (SPD), der Präsident des europäischen Parlaments, ist überzeugt, dass die am Dienstag von elf EU-Staaten beschlossene Einführung einer Finanztransaktionssteuer "in der EU zu einer flächendeckend erhobenen Steuer werden" wird. Anlässlich eines Besuches in Wien bekräftigte Schulz am Donnerstag nach einer Unterredung mit Bundeskanzler Werner Faymann vor Journalisten, dass es "nicht sein kann, dass diejenigen, die diese Krise mitverursacht haben, sich aus der Verantwortung stehlen."

Bei allem Hochgefühl erinnerte Schulz dennoch daran, dass die EU nach wie vor "in einer tiefen Krise" stecke, die nur zu bewältigen sein werde, "wenn nationale Egoismen nicht gemeinsame Interessen überlagern". Vor allem Großbritannien stellt sich vehement gegen die Finanztransaktionssteuer.

Schulz, tritt zudem dafür ein, Griechenland und Spanien mehr Zeit für ihre Reformen zu geben und ihnen "nicht Sparorgien aufs Auge zu drücken". Es liege auch im Interesse der reicheren EU-Länder wie etwa Deutschland, "dass ihre Exportmärkte nicht zusammenbrechen", sagte der deutsche SPD-Politiker am Donnerstagabend in der ZiB 2 des ORF.

 

Für zentrales EU-Budget

Schulz sprach sich zudem bei einer Diskussionsveranstaltung am Donnerstagabend in Wien für die Möglichkeit eines zentralen Budgets der Euro-Staaten aus. Zwar wäre weiterhin ein mit einer Bankenlizenz ausgestatteter ESM-Rettungsschirm die für ihn "beste Lösung", doch sei "ein Sonderbudget für die Euro-17" für Schulz denkbar. In der Diskussion mit ÖGB-Präsident Erich Foglar betonte Schulz auch die wachsende Bedeutung des Europäischen Parlaments in der Bewältigung der Krise.

Schulz forderte weiters eine von den Abgeordneten in Brüssel bestimmte EU-Regierung. "Wir brauchen am Ende eine europäische Regierung, die für die Kompetenzen zuständig ist, die man an die Union übertragen hat. Und wir brauchen ein Europäisches Parlament, das diese Regierung einsetzt und auch absetzt", sagte der Sozialdemokrat dem "Standard" (Freitag-Ausgabe).

Nationalstaaten würden bei der Regelung bestimmter Fragen an ihre Grenzen stoßen, sagte Schulz am Donnerstag vor dem EU-Hauptausschuss des Nationalrates. Dabei meinte Schulz, Probleme wie die Verschiebungen im globalen politischen wie ökonomischen Machtgefüge in den asiatischen Raum, die außer Kontrolle geratenen Finanzmärkte oder die grassierende weltweite Spekulation auf Nahrungsmittel. "Es zeugt von Realitätsverlust, zu erzählen, angesichts dieser Entwicklungen habe die große Stunde der Nationalstaaten geschlagen."

Migrationsdebatte wird Jahrhundert prägen

Vor allem ein Thema griff Schulz vor den Abgeordneten heraus: "Die Migrationsfrage wird das 21. Jahrhundert prägen – die Ressourcenverteilung auf dieser Welt ist ungerecht." Europa könne den Migrationsdruck am besten mindern, indem es sich etwa in den Staaten Nordafrikas bei der Hungerbekämpfung, beim Wassermanagement und beim Aufbau einer nachhaltigen Landwirtschaft engagiere: "Durch Re-Nationalisierung ist das nicht erreichbar".

Der deutsche Parlamentarier nahm mit seiner Kritik an stärker national geprägtem Handeln auch österreichische Politiker ins Visier: "Die, die nur Nein sagen zu Europa, die haben einen Vorteil, ob das so ein Stronach ist oder Strache. Sie sind nie gezwungen zu sagen, was sie selbst anders machen würden, während wir ständig in der Legitimationspflicht sind."

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