Sanierungsfall Praterbrücke: Millionen-Pleite zweier Baufirmen

Sanierungsfall Praterbrücke: Millionen-Pleite zweier Baufirmen
Eine Wiener Großbaustelle lässt zwei Baufirmen in die Insolvenz schlittern. Sie haben insgesamt 65 Millionen Euro Schulden, 285 Mitarbeiter sind betroffen.

Dieser Groß-Auftrag hat die oberösterreichische GLS Bau und Montage GmbH und ihre Tochterfirma RW Montage GmbH finanziell überrollt. Heute, Dienstag, haben die beiden Unternehmen mit Sitz in Perg die Eröffnung von Insolvenzverfahren am Landesgericht Linz beantragt. Die Anträge stammen aus der Feder des renommierten Welser Rechtsanwalts Martin Stossier. Die GLS plant ein Sanierungsverfahren, die RW Montage wird in den Konkurs geschickt. Rund 285 Mitarbeiter sind von den Pleiten betroffen, davon 221 bei der GLS. Das bestätigen die Gläubigerschutzverbände Creditreform und KSV1870 dem KURIER. Die Hälfte der Mitarbeiter wurde beim Frühwarnsystem des AMS zur Kündigung angemeldet. Den Gläubigern der GLS sollen 20 Prozent Quote in zwei Raten gezahlt werden.

"Immense Mehrkosten"

Als Insolvenzursachen führt die GLS-Gruppe die „immensen Mehrkosten im Zusammenhang mit dem im November 2014 übernommenen Auftrag zur Generalsanierung der Wiener Praterbrücke“ an. Die GLS hatte in einer Arbeitsgemeinschaft mit der Kärntner SSB den Zuschlag vom Autobahnbetreiber Asfinag für die Sanierung der Praterbrücke auf der Wiener Südosttangente (A23) erhalten. Diese Arge unterbot mit 37,888 Millionen Euro die Angebote der Mitbewerber-Konsortien um die Porr und die Strabag sehr deutlich: mit 15 Millionen bzw. mehr als 20 Millionen Euro.

"Tausende Schadstellen"

Doch dann sind bei der komplexen Generalerneuerung der Brücke Mehrkosten in Höhe von rund zehn Millionen Euro entstanden. Unter anderem sollen Fahrbahn-Deckbleche der Brücke feine Risse, Dellen und Kratzer aufgewiesen haben, die abgeschliffen werden mussten.

Doch die ARGE SSB/GLS war bei ihrer Kalkulation von einer geringen Mengen von Schadstellen ausgegangen. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass am Bestand Beschädigungen in Form von Dellen, Kratzern, Kerben und dergleichen vorhanden sind", hieß es angeblich in der Baubeschreibung. Dem Vernehmen nach soll es sich anfangs zumindest um 1205 Schadstellen gehandelt haben.

1114 Schadstellen pro 10 Quadratmeter

"Bei der Durchführung der Arbeiten in der Bauphase 1a hat die ARGE festgestellt, dass das Deckblech der Brücke nicht eine, sondern im Durchschnitt 1114 Schadstellen pro 10 Quadratmeter aufweist", heißt es in einem Rechtsgutachten des Universitätsprofessors Andreas Kletecka vom März 2016. "In der zweiten von der ARGE abgearbeiteten Bauphase sind im Durchschnitt 524,4 Schadstellen pro 10 Quadratmeter hervorgekommen." Nachsatz: "Die Sanierung der unzähligen Schäden führte zu einem wesentlichen Mehraufwand durch deutlich höheren Personaleinsatz."

Berechtigte Nachforderung?

Obwohl mehr Personal eingesetzt wurde, soll es zu einer Bauzeitverlängerung gekommen sein. Der Mehraufwand hatte laut dem Experten einen direkten Einfluss auf die Bauzeit. "Die Abdichtungsarbeiten hatten zudem unmittelbar im Anschluss an die Arbeiten auf dem Fahrbahnblech zu erfolgen", heißt es weiter. "Es kam zu Stillstandszeiten und es mussten Personal, Material und Geräten vorgehalten werden." Laut Professor Kletecka sei die Mehrkostenforderung " dem Grund nach berechtigt". Über die Mehrkosten entstand ein veritabler Streit.

Einigung gescheitert

„Trotz Vorlage von bauwirtschaftlichen und rechtlichen Gutachten in unserem Sinne erstellt durch namhafte österreichische Universitätsprofessoren konnte über die vertraglich begründeten Mehrkostenforderungen aufgrund von Leistungsänderungen und Zusatzaufträgen keine Einigung mit dem Bauherrn erzielt werden“, hält das Unternehmen fest. Offenbar hat die Asfinag, der Auftraggeber, das Perger Familienunternehmen in einer letzten Besprechung am 4. November 2016 auf den Klagsweg verwiesen.

Luft ausgegangen

Doch einen Zivilprozess, der Jahre dauern kann, hält die GLS finanziell nicht durch. Darum musste sie jetzt die Reißleine ziehen. Detail am Rande: Eigentümer der GLS Bau und Montage GmbH sind je zur Hälfte die E. Wall Privatstiftung um Edmund Wall und die WB Privatstiftung um Walter Besenbäck. Wall und Besenbäck sind auch Geschäftsführer der GLS.

Die Schulden

Die Passiva der GLS haben einen Buchwert in Höhe von 54,57 Millionen Euro, abzüglich der Besicherungen bleiben Schulden in Höhe von rund 27 Millionen Euro. Rund 29,4 Millionen Euro entfallen auf Banken, die mit einem Betrag in Höhe von 23,564 Millionen Euro besichert sind. Weitere 4,349 Millionen Euro betreffen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, vier Millionen Euro Haftungen für Tochterfirmen, 3,3 Millionen Euro Beendigungsansprüche der Mitarbeiter, drei Millionen Euro Haftungskredite und 3,047 Millionen Euro sind sonstige Verbindlichkeiten. Mit 500.000 Euro steht die GLS bei der Finanz in der Kreide und weitere 500.000 Euro entfallen auf Schadenersatzansprüche von Leasinggebern.

Das Vermögen

Die Aktiva (Buchwert) der GLS werden mit 37,304 Millionen Euro beziffert, das freie Vermögen mit lediglich zwei Millionen Euro. Das Vermögen besteht hauptsächlich aus 13 Liegenschaften, die an Banken in Höhe von rund 18,764 Millionen Euro verpfändet sind. Auch der Maschinenpark (Buchwert: 2,5 Millionen Euro) ist in Höhe von 1,8 Millionen Euro verpfändet ebenso der Fuhrpark (Buchwert: 1,4 Millionen Euro) in Höhe von 700.000 Euro.

Tochterfirma wird geschlossen

Die RW Montage GmbH hat rund 10,49 Millionen Euro Passiva, freie Aktiva für die Masse sind offenbar aber keine vorhanden. Der Großteil der Aktiva sind Forderungen (9,515 Millionen Euro) aus Lieferungen und Leistungen die zur Gänze wertberichtigt wurden. Die Passiva setzen sich aus Schulden gegenüber der GLS (5,146 Millionen Euro), bei Banken (1,72 Millionen Euro), Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (1,187 Millionen Euro) und sonstigen Verbindlichkeiten (267.000 Euro) zusammen.

"Das Unternehmen kann nach Ansicht der Geschäftsführer nicht weitergeführt werden", heißt es im Antrag. "Wir sind daher mit der Schließung einverstanden."

Stellungnahme der Asfinag

„Wir haben mit der betroffenen Firma viele Gespräche geführt, ersuchen Sie aber um Verständnis, dass wir allfällige Mehrkosten-Forderungen nicht über Medien diskutieren“, hält die Asfinag fest. „Wir weisen aber entschieden jeglichen Vorwurf zurück, dass die Asfinag Schuld an der Insolvenz trägt.“ Nachsatz: „Der Zeitplan für die Sanierung Praterbrücke hält, die Arbeiten gehen Ende November in die Winterpause und werden im Februar 2017 wieder aufgenommen.

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