Wie es um die russische Wirtschaft tatsächlich steht

Daily life in Moscow
Russland dürfe unter keinen Umständen in eine Rezession abrutschen, sagt der russische Präsident Wladimir Putin. Der Ökonom Vasily Astrov rechnet mit baldiger Zinssenkung.

Zusammenfassung

  • Der russische Wirtschaftsminister warnt vor einer Rezession, während ein Experte Wachstum von zwei Prozent erwartet.
  • Hohe Zinsen und Sanktionen belasten die Wirtschaft, aber Rüstungsinvestitionen und Konsum stützen das Wachstum.
  • Die Zukunft der russischen Wirtschaft hängt stark von der Geldpolitik ab, mit erwarteten Rückgang der Zinsen.

Die massive Aufrüstung wegen des Angriffskriegs in der Ukraine hat die russische Wirtschaft in den vergangenen beiden Jahren stark wachsen lassen.  Zuletzt hat sich das Wachstum aber deutlich verlangsamt. Der russische Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow warnte am Donnerstag beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg sogar vor einer Rezession.

Der Russland-Experte Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) geht nicht von einer schrumpfenden Wirtschaft in Russland aus. Das Wachstum sei zwar im ersten Quartal stark zurückgegangen. Im April und Mai habe sich die Lage aber stabilisiert, sagt Astrov. Er rechnet auch heuer mit einem Wachstum von zwei Prozent.

Der Hauptgrund für die Verlangsamung des Wachstums sei die Geldpolitik der russischen Zentralbank. Die hat zuletzt zwar den Leitzins geringfügig von 21 auf 20 Prozent gesenkt. Hält aber wegen der hohen Inflation, die zuletzt zwar etwas zurückging, im Mai aber immer noch 9,6 Prozent betrug, an ihrer strikten Geldpolitik fest. Auf Dauer könne keine Wirtschaft mit so hohen Zinsen leben, sagt der Experte. Es lohne sich nicht mehr Kredite aufzunehmen und zu investieren.

Die hohen Zinsen haben sich auch auf die Bauwirtschaft ausgewirkt. Dazu kommt, dass subventionierte Hypotheken im vergangenen Jahr nicht mehr verlängert wurden. 

Wie haben sich die Sanktionen gegen Russland ausgewirkt? 

Die Sanktionen gegen Russland haben vor allem die exportorientierten Sektoren der russischen Wirtschaft, etwa die Stahl- und Kohleindustrie, aber auch die Gasproduktion getroffen. Die Auswirkungen seien durch andere Faktoren, allen voran die staatlichen Investitionen in die Rüstung, überkompensiert worden. 2023 betrug das Wirtschaftswachstum 3,6 Prozent, im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft sogar um 4,1 Prozent

Der Konsum wachse weiterhin um zwei bis drei Prozent, sagt Astrov. "Die Realeinkommen steigen nach wie vor. Die Nachfragekomponente stützt das Wachstum."

Wie es um die russische Wirtschaft tatsächlich steht

Vasily Astrov, Russland-Experte am WIIW

In Russland herrsche mit einer Arbeitslosigkeit von lediglich zwei Prozent faktisch Vollbeschäftigung, sagt der Ökonom. Verfügbare Arbeitskräfte gebe es nicht mehr viele. Produktivitätsfortschritte könnten allenfalls mit Investitionen in Technologien erzielt werden. Das setze aber voraus, dass Unternehmen Kredite zu niedrigeren Zinsen bekommen. 

Geldpolitik entscheidend

Wie es mit der russischen Wirtschaft weitergehe, hänge weitgehend von der Geldpolitik ab, sagt Astrov. Er rechnet damit, dass die Zentralbank von ihrem Inflationsziel von vier Prozent abgehen und die Zinsen weiter senken wird. Zentralbankchefin Elvira Nabiullina stehe zunehmend unter Druck, so der Experte: "Die Zinsen werden auf jeden Fall in dem Ausmaß der Inflationsverlangsamung sinken."

Für ein weiteres Anheben der Rüstungsausgaben, die zuletzt laut Schätzungen 7,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrugen, sieht Astrov wenig Spielraum: "Weil die Budgetlage das nicht erlauben wird." Der Anstieg des Ölpreises wegen des Angriffs Israels auf den Iran tue dem russischen Budget zwar gut, wie es weitergehe sei aber ungewiss. Die Einnahmen aus den Ölverkäufen würden aber durch den starken Rubel verringert. 

Und was sagt Putin?

Der russische Präsident Wladimir Putin nutzte am Freitag seine Rede auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg zu einer klaren Anweisung an seine Minister und Zentralbanker. Russlands Wirtschaft dürfe unter keinen Umständen in eine Rezession abrutschen. Die wichtigste Aufgabe sei es, den Übergang der Wirtschaft zu einem ausgewogenem Wachstumspfad sicherzustellen. Das beinhaltet wohl auch eine Lockerung der Geldpolitik, da die Wirtschaft nach zwei Jahren Hochbetrieb durch die enorme Erhöhung der Verteidigungsausgaben sonst zu schnell abkühlt.

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