RLB klagt St. Pölten, Linzer Stadtchef vor Gericht

Wunschziel 60.000 Einwohner: Dafür werden in den kommenden Jahren Tausende Wohnungen in der Hauptstadt errichtet.
Zwei verunglückte Zinswetten könnten Städten und Banken teuer zu stehen kommen.

Unter den Stadtpolitikern St. Pöltens herrschte am Mittwoch helle Aufregung. Es geht schließlich um 67 Millionen Euro. Diese Summe verlangt die langjährige Hausbank der Stadt, die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien (RLB), per Schadenersatzklage. SP-Bürgermeister Matthias Stadler hätte sich eine „andere Vorgangsweise in der Kommunikation“ erwartet.

„Ich bin menschlich enttäuscht", sagte Stadler. „Bei einer Bank, mit der wir seit vielen Jahren in einer ständigen Geschäftsbeziehung stehen und die in der Gemeindefinanzierung sehr stark vertreten ist, hätte ich mir eine andere Vorgehensweise in der Kommunikation erwartet." Die Rechtslage werde nun von einem Rechtsanwalt überprüft. Dessen Empfehlungen würden dann in den zuständigen Gremien (Finanzausschuss,Gemeinderat) beraten werden, um die notwendigen Beschlüsse zu fassen.

Rückabwicklung eingeklagt

Dabei hat die Stadt selbst die Mühlen der Justiz zum Mahlen gebracht. Im Mittelpunkt steht eine Zinswette (Swap) auf Franken-Basis, die zulasten der Stadt aus dem Ruder gelaufen ist. Der Swap, der zur Absicherung eines 23-Millionen-Kredits dienen sollte, erwies sich in der Wirtschaftskrise als sündteure Angelegenheit – weil der Franken gegenüber dem Euro stark an Wert gewann.

Ende 2011 hatte St. Pölten genug und klagte die Bank auf Rückabwicklung des Spekulationsgeschäftes und auf Rücküberweisung der geleisteten Zahlungen. Die Rechtsvertreter der Stadt sind nämlich der Ansicht, dass das Zinsoptimierungsgeschäft schon beim Abschluss 2007 "nicht rechtsgültig zustanden gekommen war".

7,8 Millionen an RLB gezahlt

Im Frühjahr 2014 stufte sogar die Gemeindeaufsicht den Abschluss des Swap-Vertrages als ungültig ein. Die Stadt behauptet, die RLB habe sie weder über Anfangsverluste ("negativer Marktwert") bei Geschäftsabschluss noch über die tatsächlichen Risiken aufgeklärt. Die RLB bestreitet das.

Im März 2014 stellte St. Pölten die weiteren Zahlungen, die per Quartal fällig waren, an die Bank ein. Sie waren mittlerweile auf 7,8 Millionen Euro angewachsen. Die Bank wiederum dürfte die verunglückte Zinswette mittlerweile abgestossen haben. Sie hatte den Swap ursprünglich bei der US-Investmentbank Merrill Lynch eingekauft und durch eine hohe Zahlung glattgestellt haben. Dieser Schluss lässt sich aus der aktuellen 67-Millionen-Euro-Klage gegen St. Pölten ziehen.

Match gegen Richter

In Bezug auf den Ablehnungsantrag gegen Richter Martin Ogris seitens der Stadt St. Pölten im laufenden Swap-Prozess, welcher von einem Senat des Handelsgerichtes Wien abgewiesen worden war, werde man „Rekurs erheben“, hieß es aus St. Pölten. Der Rechtsanwalt der Landeshauptstadt, Lukas Aigner, sehe gute Chancen, dass diesem in der zweiten Instanz stattgegeben wird.

540 Millionen Euro Schaden?

Im Prozess zwischen der Stadt Linz und der Bawag um den „Swap 4175“ geht es mittlerweile um sehr viel mehr Geld. Hier liegt der Schaden bereits laut Bawag bei rund 540 Millionen Euro. Jeden Tag kommen 100.000 Euro Verzugszinsen dazu. Detail am Rande: Der ursprünglich Streitwert betrug bei Eingringung der Klage im Jahr 2011 durch die Bawag rund 417,737 Millionen Euro.

Am Freitag muss der Linzer Bürgermeister Klaus Luger am Handelsgericht Wien antreten. Richter Andreas Pablik will die Glaubwürdigkeit der Linzer Politiker auf die Probe stellen. Denn: Ex-Finanzstadtrat Johann Mayr hatte unter Wahrheitspflicht ausgesagt, dass sein Finanzwissen „bei Bausparverträgen und Sparbüchern“ ende. Doch Mayr saß mit Luger im Aufsichtsrat der Linzer Immobilien-Holding ILG. Dort ging es auch um ein Derivatgeschäft (2008), das mit dem „Swap 4175“ vergleichbar ist. Dabei soll es mit dem Jahresabschluss-Prüfer der ILG zu Differenzen bei der Bewertung dieses Derivatproduktes gekommen sein.

Negativer Marktwert

Daher hält der Richter auch die Vorlage der Aufsichtsratsprotokolle der ILG im aktuellen Swap-Prozess "für wesentlich", was Linz aber verweigert hatte.

"Den Aufsichtsratmitgliedern seien daher die Bewertungsproblematik und auch die Bedeutung eines negativen Marktwertes bewusst gewesen", heißt es in einem Gerichtsbeschluss von Handelsrichter Pablik. Laut Aktenlage stellt sich für den Richter die Frage, ob Mayr womöglich falsch ausgesagt hat. Dem Vernehmen nach wird dieser Verwurf aber vehement bestritten.

Für den Prozessausgang dürfte es demnach entscheidend sein, was der Linzer Ex-Finanzstadtrat und der Finanzausschuss über das tatsächliche Risiko des Swaps wussten. Daher hat der Richter der Stadt Linz schon Ende Mai 2014 die Vorlage der Aufsichtsratsprotokolle der ILG aufgetragen, weil es sich "notwendige Urkunden handelt, die zur erschöpfenden Erörterung der Sache" benötigt werden.

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