Rekord bei Unternehmensgründungen in Wien
Von Martin Meyrath und Sophie Haller
Im ersten Halbjahr wurden in Wien 5.170 Unternehmen gegründet. Das ist der „höchste Wert an Neugründungen seit Beginn der Messungen 1993“, sagte Clemens Schmidgruber, Vorstandsvorsitzender der Jungen Wirtschaft in der Wirtschaftskammer Wien (WKW). In ganz Österreich waren die Zahlen mit knapp 20.000 Gründungen leicht rückläufig.
„Vor allem wenn die Zeiten nicht so einfach sind, kann Wien seine Stärken voll ausspielen“, sagte Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien. Denn die Wiener Wirtschaft sei relativ heterogen, weswegen sich Flauten in einzelnen Sparten weniger stark auswirken.
Große Pluspunkte seien zudem die gute Verkehrsanbindung und die Nähe zu Ausbildungsstätten. Wien ist nicht nur die zweitgrößte deutschsprachige Stadt nach Berlin, sondern auch die zweitgrößte Universitätsstadt im deutschsprachigen Raum. Die hohe Lebensqualität mache die Stadt auch attraktiv für Ansiedlungen aus dem Ausland, heißt es bei der WKW. „Für Wirtschaftstreibende und solche, die es werden wollen, ist Wien ein hervorragender Standort“, sagt Ruck.
Bundesweit wurden im ersten Halbjahr um 1,5 Prozent weniger Unternehmen gegründet als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die populärsten Sparten waren Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (1.652 Gründungen), Versand-, Internet- und allgemeiner Handel (1.477 Gründungen) sowie Werbung und Marktkommunikation (1.378 Gründungen). Das größte Plus in den Top-Ten-Branchen gab es mit 20 Prozent bei der wegen Personalmangel und Inflation mutmaßlich stark in Bedrängnis geratenen Gastronomie.
Drei Viertel der neu gegründeten Unternehmen waren Einzelunternehmen. Der Frauenanteil liegt bei 45,5 Prozent. Hinter dem Gründergeist steht nach Daten der WKÖ vor allem der Wunsch nach Unabhängigkeit: Sieben von zehn Befragten nennen die flexible Zeit- und Lebensgestaltung sowie den Wunsch, ihr eigener Chef oder ihre eigene Chefin zu sein, als wichtiges Motiv.
Was die Personen hinter den neuen Unternehmen konkret antreibt, ist aber so unterschiedlich wie die Geschäftsideen. Der KURIER hat mit zwei von ihnen gesprochen.
Spezialitäten aus dem Automat
Die "Essenz von Österreich" an exponierten Plätzen zum Mitnehmen zur Verfügung zu stellen, ist eine solche Wiener Gründungsidee. Das Start-up „Austria Manufaktur“ entwickelte einen Premiumautomaten, der Spezialitäten von Traditionsunternehmen wie Gerstner, Schwarzes Kameel, Landtmann, aber auch Gmundner Keramik oder die Original Wiener Schneekugel auf Knopfdruck bereitstellt.
Als der Schokoladenfabrikant Ludwig Stollwerck 1889 die ersten Tafeln seiner Schokolade in die Fächer seiner „Merkur“-Automaten steckte, setzte er den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte, die heute Milliarden umsetzt. Schätzungen der Österreichischen Verkaufsautomaten Vereinigung zufolge waren im Jahr 2023 160.000 Automaten in Österreich aufgestellt.
„Die zugrundeliegende Idee des Aumat, wie sich unser Premiumautomat nennt, ist es, Tradition mit Moderne zu verbinden. Dadurch folgt die Automatie einem längst schon stattfindenden Trend von Massenware hin zum Erlesenen“, sagt Gründer von Austria Manufaktur Alexander Mantz zum KURIER.
Austria Manufaktur wurde im Jahr 2021 gegründet, rund zwei Jahre wurde an einem Prototyp getüftelt. Der erste Aumat, mit animierten Bildschirmen und gekühltem Inhalt, wurde im März dieses Jahres im historischen Durchgang „Kleine Redoutenstiege“ in der Wiener Hofburg in Betrieb genommen. Es folgten weitere Standorte im Wiener Rathaus und im Austria Center - wo etwa internationale Kongressteilnehmer ein Stück Österreich mitnehmen können.
„Der Aumat findet sich an exklusiven Orten, an denen zuvor noch keine Automaten standen“, so Mantz weiter. Die Selektion, von der vor Ort gewählt werden kann, reicht von dem Schwarzen Kameel Champagner, über den Zaunerstollen, den Landtmanns Original Guglhupf, bis hin zu Marmelade von Staud’s. Der Aumat werde alle fünf bis sechs Tage befüllt, um die Frische der Qualitätsprodukte sicherzustellen, sagte Mantz. In Zukunft will er seine Automaten auch im Schloss Schönbrunn, im Hotel Imperial sowie im Salzkammergut aufstellen. Zusätzlich plant das Unternehmen einen Onlineshop, in dem die österreichischen Spezialitäten weltweit bestellt werden können.
Vegane Patisserie im Alsergrund
Ebenfalls um Spezialitäten geht es bei Isabella Hofmann und Arik Mähr - besonders soll aber nicht die Art des Verkaufs, sondern die Herstellung sein. Französisch inspirierte Patisserie findet sich in Wien durchaus, ein vollständig veganes Sortiment ist allerdings noch selten. Hofmann und Mähr gründeten im vergangenen Jahr eine vegane Patisserie, diesen Sommer wird im Servitenviertel (9. Bezirk) ein Geschäftslokal eröffnet.
Die beiden ernähren sich seit mehreren Jahren selbst ausschließlich pflanzlich. Gemeinsam fassten sie den Mut, „sein eigenes Ding zu machen“. Die Entscheidung zu zweit an einem Strang zu ziehen, fiel leicht: „Zwei Köpfe denken mehr und ergänzen sich so in ihren individuellen Stärken“, sagte Hofmann zum KURIER.
Ein Gründungsprozess erfordere zwar viel Durchhaltevermögen, sei jedoch trotz aller Strapazen die richtige Entscheidung. Den Bürokratieaufwand empfanden beide als „nicht so schlimm“. „Wir bekamen sehr hilfreiche Infos und Tipps von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), auch das Unternehmensgründungsprogramm des Arbeitsmarktservice (AMS) hat uns sehr geholfen“, berichtet Mähr. Die größte Hürde war für Hofmann das Koordinieren der Renovierungsarbeiten. „Durch die Generalsanierung, die wir in unserem angemieteten Lokal vornehmen mussten, hat sich alles etwas verzögert“.
Einer ersten Feuerprobe für ihr veganes Gebäck stellten sich Hofmann und Mähr bei Österreichs größtem veganen Streetfood-Festival veganmania. Bald können vegane Tartelettes, Mousse Törtchen, Macarons und vieles mehr auch in der neuen Patisserie "Chez Fritz" im Alsergrund genossen werden.
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