Recht auf Selbstständigkeit: Bitte warten

Kameraleute (Symbolbild) wollen nicht zwangsangestellt werden.
Kameraleute dürfen nicht Unternehmer sein. Die Schweiz tickt anders.

Seit mehr als einem Jahr verhandeln rund 150 heimische TV-Dienstleister, vor allem Kameraleute, Bild- und Tontechniker, über ihr Recht auf Selbstständigkeit. Wie der KURIER berichtete, muss sich das fallweise von TV-Stationen wie ORF oder ATV angeforderte Personal über fragwürdige Konstruktionen von Leiharbeitsfirmen anstellen lassen. Gemeinsam mit Sozialministerium und Gebietskrankenkassen sollte eine Lösung gefunden werden.

Diese laufe nun in Richtung Zwangsanstellung auf Zeit hinaus, berichtet ein Betroffener dem KURIER: "Weil wir das Equipment der TV-Stationen verwenden, dürfen wir keine Selbstständigen sein, alle anderen Kriterien zählten für die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) überhaupt nicht". Dabei sei es völlig praxisfern, bei aufwändigen Produktionen die eigene Kamera zu verwenden. Durch diese einseitige Vorgehensweise würde Unternehmertum zerstört. Im Stich gelassen fühlen sich die TV-Dienstleister von ihrer eigenen Standesvertretung, der Wirtschaftskammer. Die gewerbliche Sozialversicherung (SVA) hatte zwar mitverhandelt, konnte aber wenig erreichen.

Ab Mitte 2017

Wenn die WGKK ein Dienstverhältnis feststelle, könne man nicht mehr viel machen, heißt es sinngemäß bei der SVA. Erstaunlich nur, dass die Wiener den Status offenbar anders beurteilen als die Oberösterreicher. Dort gibt es sehr wohl selbstständige TV-Dienstleister mit dem Segen der Krankenkasse.

Die SVA verweist auf eine im Sommer geschlossene Grundsatzvereinbarung der Sozialpartner, um die bisherigen Grenzfälle in Zukunft zu vermeiden. Eine entsprechende Gesetzesänderung wird es ob der Komplexität jedoch nicht vor Mitte 2017 geben. Die Krankenkassen Wien, NÖ und OÖ arbeiten mit der SVA an einem Pilotprojekt, das bis Jahresende stehen soll.

Vorbild Schweiz

Vorbild dafür ist die Schweiz, wo die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit schon seit zehn Jahren funktioniert. "Der Versicherte musste zunächst in Ungewissheit arbeiten und die definitive Beitragsverfügung abwarten", sagt Michael Meier, Experte vom Rechtswissenschaftlichen Institut der Uni Zürich zum KURIER. Dann wurde das System umgestellt. Anhand eines Kriterienkatalogs wird vorab von den 70 Krankenkassen geprüft, ob der Antragsteller als Selbstständiger zählt.

Anschließend wird ein Bescheid ausgestellt, der im Falle der Ablehnung angefochten werden kann grundsätzlich ist durch eine solche Vorab-Prüfung Rechtssicherheit für die Betroffenen gegeben. Sollten jedoch falsche Angaben gemacht werden, können Beiträge auch rückwirkend eingefordert werden. "In der Praxis ist in Grenzfällen Zurückhaltung geboten", so Meier.

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