Rechnungshof zerpflückt Immobilienmanagement der Bundesforste

Moorwald im Stubachtal, Nationalpark Hohe Tauern.
Grundstücke wurden teils ohne Ausschreibung und unter erzielbarem Marktpreis vergeben.

Der Rechnungshof (RH) hat die Liegenschaftsverwaltung und das Compliance-Management der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) unter die Lupe genommen und dabei eine Reihe von profunden Mängeln festgestellt. Im Fokus stehen unter anderem relativ freihändig und unter dem erzielbaren Marktpreis vergebene Grundstücke im Bundesland Salzburg. Insgesamt fehle eine "Eigentümerstrategie". Der überprüfte Zeitraum habe im Wesentlichen die Jahre 2016 bis 2021 umfasst, wie der RH mitteilte.

Die Bundesforste verwalten den Angaben zufolge Liegenschaften im Ausmaß von 10 Prozent der Staatsfläche und sind damit größter Grundbesitzer in Österreich. Daraus ergebe sich "eine besondere Verantwortung für die nachhaltige Bewirtschaftung und Nutzung der begrenzten Ressource Boden", wie die Gebarungsprüfer am Freitag betonten. Ein "Spannungsfeld" ergibt sich daraus, dass die Bundesforste per Gesetz Ziele zum Schutz natürlicher Ressourcen und ökonomische Ziele unter einen Hut bringen müssen.

Fehlende Strategie

Damit die Bundesforste die gesetzlich auferlegten Aufgaben besser wahrnehmen können, sollten sie "eine Eigentümerstrategie erstellen, die insbesondere die Umsetzung der gesetzlichen Ziele und der Wirkungsziele des Ministeriums (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, Anm.) berücksichtigt sowie Vorgaben für die Liegenschaftsgebarung der Bundesforste und für Gleichstellungsziele umfasst", lautet eine der zentralen Empfehlungen in einem Rechnungshofbericht, der am Freitag veröffentlicht wurde.

Das Landwirtschaftsministerium habe als Eigentümervertreter des Bundes "keine Eigentümerstrategie für die Bundesforste" festgelegt. Damit habe die Grundlage für eine durchgängige Steuerung unter Berücksichtigung gesetzlicher Ziele und von Wirkungszielen sowie Vorgaben für die verwalteten Liegenschaften gefehlt.

Compliance wird nicht geprüft

Weiters wäre die "Organisation in den Bereichen Objektmanagement und Grundverkehr regelmäßig zu prüfen und eine weitere Spezialisierung (Übertragung von geeigneten Tätigkeiten auf darauf spezialisierte, für mehrere Forstbetriebe tätige Teams) und Standardisierung (im Sinne einer einheitlichen Vorgehensweise in den Forstbetrieben) der Liegenschaftsverwaltung anzustreben", halten die Prüfer fest.

Auch bei der Umsetzung der Compliance sollten die Bundesforste nachschärfen: "Die Funktion einer bzw. eines Compliance-Beauftragten wäre möglichst vorstandsnah einzurichten, ihre bzw. seine Aufgaben wären festzulegen und sie bzw. er wäre in fachlichen Angelegenheiten weisungsfrei zu stellen", rät der Rechnungshof dringend an.

Es wäre zudem "zu prüfen, ob der Aufsichtsratsbeschluss über die nachhaltige Vorgehensweise bei Hotel- und Appartementhausprojekten und die darin enthaltene Vorgabe, keine Zweitwohnsitze zu schaffen, auch auf abgehende Liegenschaften anzuwenden sind", so die Prüfer mit Blick auf den Verkauf von Immobilien.

"Vor einer Baurechtsvergabe wäre ein Konzept für die betroffene Liegenschaft zu entwickeln, das die mit den Zielen und Strategien der Bundesforste konforme Nutzung sicherstellt, und mit dem Baurechtsnehmer wären allfällige Projektkriterien zu vereinbaren", halten die Rechnungsprüfer weiters fest.

Einnahmenstruktur

In den Jahren 2016 bis 2021 erzielten die Bundesforste laut RH-Bericht mehr als zwei Drittel ihrer Umsatzerlöse im strategischen Geschäftsbereich Forst/Holz. Der Geschäftsbereich Immobilien sei mit durchschnittlich 48,15 Mio. Euro Jahresumsatz und einem Anteil von 22 Prozent am Gesamtumsatz "der größte nicht-forstwirtschaftliche Geschäftsbereich". Die Entwicklung von Liegenschaften sei geeignet gewesen, in Phasen rückläufiger Umsätze aus der Waldbewirtschaftung die Jahresergebnisse zu stabilisieren.

Doch abgesehen von einem Fruchtgenussentgelt in Höhe von 50 Prozent des jährlichen Jahresüberschusses habe der Bund als Eigentümer von 97 Prozent der von den Bundesforsten verwalteten Liegenschaften "keine Ertragsziele unter Berücksichtigung eines nachhaltigen Umgangs mit den überlassenen Bundesliegenschaften im Sinne ihrer ökologischen Funktionen" festgelegt, kritisiert der Rechnungshof. "Dies hatte zur Folge, dass höhere Aufwendungen ebenso wie niedrigere Erträge zu einem geringeren Fruchtgenussentgelt führten, weil die Bundesforste als Fruchtnießer die Höhe des Fruchtgenussentgelts selbst steuern konnten." Der RH verweist diesbezüglich auf das damit verbundene "Risiko, dass die Bundesforste Anreize für effektiveres Wirtschaften nicht im möglichen Ausmaß verfolgten".

Freihändige Vergaben und Verkäufe

Die Bundesforste erzielten in den Jahren 2016 bis 2021 laut Rechnungshof bei 879 Liegenschaftszugängen und 1.612 Liegenschaftsabgängen aus An- und Verkäufen sowie Tauschvorgängen Erlöse von 58,95 Mio. Euro und tätigten Investitionen von 46,59 Mio. Euro. Dabei verringerte sich die von den Bundesforsten verwaltete Grundfläche um 179 Hektar.

Der RH hält "eine laufende Professionalisierung der Liegenschaftsverwaltung der Bundesforste wegen der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung des strategischen Geschäftsbereichs Immobilien für erforderlich" und verweist dabei beispielhaft auf "festgestellte Mängel im Objektmanagement und im Grundverkehr". Die Organisation für den strategischen Geschäftsbereich Immobilien sei durch die regionale Verteilung von Liegenschaften, die Struktur und Zusammensetzung des Liegenschaftsportfolios und durch vor Ort tätige Bedienstete bestimmt gewesen, so das Ergebnis der Prüfung. Die Bundesforste hätten zwar im Mai 2020 eine neue Organisation für das Objektmanagement und den Grundverkehr geplant, seien jedoch von dieser Neuorganisation teilweise abgewichen, was zu einer "heterogenen Struktur" in den genannten Bereichen geführt habe: Bedienstete der Bundesforste hätten zwar die gleichen Aufgaben wahrgenommen, seien jedoch teils den Forstbetrieben und teils dem Geschäftsbereich Immobilien-Tourismus-Wasser zugeordnet gewesen.

Die Gebarungsprüfer bezogen den Angaben zufolge 71 risikoorientiert ausgewählte Geschäftsfälle in die Beurteilung der Liegenschaftsverwaltung mit ein - mit Schwerpunkt auf die "Angemessenheit der vereinnahmten Erlöse" und die ordnungsgemäße Einhaltung der strategischen, rechtlichen und unternehmensinternen Vorgaben. "Die Bundesforste nahmen in keinem der fünf überprüften Liegenschaftsabgänge die grundsätzlich vorgesehene öffentliche Ausbietung vor", so das vernichtende Ergebnis. Es seien Ausnahmen zur Anwendung gebracht worden, die nicht "eng definiert und nachvollziehbar" waren. Die Bundesforste hätten "mangelhafte Gutachten nicht nachweislich plausibilisiert", diese jedoch "als Grundlage für Immobilientransaktionen akzeptiert". "Damit bestand das Risiko finanzieller Nachteile durch unsachgemäß hergeleitete Verkehrswerte", streichen die Rechnungshofprüfer hervor.

Viel Geld liegen gelassen haben die Bundesforste etwa bei einem Liegenschaftsverkauf im Ausmaß von insgesamt 43.502 Quadratmetern Grundfläche in der Stadtgemeinde Mittersill, der 2015 durchgeführt wurde und um 2,45 Mio. Euro, also 56,36 Euro je Quadratmeter Grundfläche, über die Bühne ging. Dem Deal sei laut Rechnungshof - entgegen den internen Vorschriften - "weder eine öffentliche Ausbietung des Verkaufs noch ein Gutachten" zugrunde gelegen. Das erwerbende Unternehmen plante den Angaben zufolge, auf den Grundstücken ein touristisches Projekt bestehend aus einem Hotel sowie - zur Nutzung als Zweitwohnsitze - vier Appartementhäusern mit 45 Appartements und 15 Chalets zu errichten. Eine Verschmelzung des Unternehmens habe im Juli 2019 zu einer Neubewertung der Liegenschaften geführt, "woraus sich für die von den Bundesforsten erworbenen Grundstücke ein um das 17-Fache angestiegener Wert ergab". Die von den Bundesforsten erhobenen Vergleichswerte vor dem Verkauf ließen laut Rechnungshof "eine mögliche touristische Nutzung der Grundstücke sowie damit verbundene Risiken und Renditechancen außer Betracht".

Der RH bemängelt, dass auf den verkauften Grundstücken "auch Zweitwohnsitze geplant waren" und kritisiert, dass die Bundesforste durch den direkten Verkauf an das kaufinteressierte Unternehmen A "mangels eines öffentlichen Bietverfahrens einen im Wettbewerb erzielbaren Marktwert und damit ein mögliches höheres Erlöspotenzial ungenutzt ließen". Nach Ansicht des RH bargen das von den Bundesforsten gewählte Verkaufsverfahren und die Höhe des erzielten Verkaufspreises das "Risiko einer mit dem Europäischen Binnenmarkt unvereinbaren staatlichen Beihilfe".

Der Aufsichtsrat habe im Februar 2020 auf Initiative des Vorstands den zukünftigen Umgang mit Hotel- und Appartementhausprojekten auf von den Bundesforsten verwalteten Flächen beschlossen. Demnach sollten Hotel- und Appartementhausprojekte nur dann unterstützt werden, "wenn damit keine Errichtung von Zweitwohnsitzen verbunden war". Es sei jedoch offengeblieben, "ob auch der Abgang von Liegenschaften zum Zweck der Realisierung von Hotel- und Appartementhausprojekten davon umfasst war", streicht der Rechnungshof hervor.

Auch die Aufzeichnungen der Bundesforste über das Ausmaß des durch sie bebauten Bodens seien unzureichend gewesen, weil sie aufgrund der Widmung mögliche und absehbare Bautätigkeiten auf verkauften oder durch Tausch abgegebenen Grundstücken nicht berücksichtigt hätten. Dies habe zu einer "unvollständigen Darstellung" des von den Bundesforsten verursachten Bodenverbrauchs geführt und sich nur bedingt als Steuerungs- und Monitoringgrundlage geeignet. "Es fehlten verbindliche Vorgaben der Bundesforste, die ein ausreichendes öffentliches Bietverfahren bei der Vergabe von Baurechten und bei Abgängen von Liegenschaften definierten."

Rechnungshof zerpflückt Immobilienmanagement der Bundesforste

Rudolf Freidhager war bis Ende Oktober Chef der Bundesforste

Auf Kritik der Prüfer stieß weiters die Vergabe eines Baurechts für 99 Jahre betreffend einer in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft mit einer Grundfläche von 3.366 Quadratmetern in der Stadtgemeinde Zell am See. Davor sei "kein Konzept für die zukünftige Nutzung der Liegenschaft" erstellt worden. Damit wäre aber bereits vor der Baurechtsvergabe eine Interessenabwägung zwischen alternativen Nutzungsvarianten möglich gewesen, die im öffentlichen Bieterverfahren hätten berücksichtigt werden können.

Ein weiterer Kritikpunkt: Verträge im strategischen Geschäftsbereich Immobilien über die Vermietung und Verpachtung seien grundsätzlich nicht mit dem Geschäftsbereich Immobilien-Tourismus-Wasser abzustimmen gewesen. "Dies betraf auch wichtige touristische Verträge mit Immobilienbezug mit Ausnahme von See- und Seeuferverträgen", heißt es im RH-Bericht. "Im Sinne einer bestmöglichen Ausnutzung des Erlöspotenzials und der regelkonformen Vergabe von Verträgen wäre es zweckmäßig, Verträge ab einer bestimmten Miethöhe und touristisch herausragende Projekte mit dem Geschäftsbereich Immobilien-Tourismus- Wasser abzustimmen", legen die Gebarungsprüfer nahe.

Beim Projekt touristische Nutzung der Liechtensteinklamm in der Stadtgemeinde St. Johann im Pongau hätten die Bundesforste nicht die Erträge des Betreibers als Grundlage zur Berechnung des Nutzungsentgelts herangezogen, sondern nur den Wert der Felsflächen, kritisierte der Rechnungshof weiters. Das Nutzungsentgelt habe daher (nur) 4.000 Euro im Jahr betragen. 2016 hätten aber rund 210.000 Personen die Klamm besucht und dafür zwischen 5 und 11 Euro Eintritt bezahlt.

Auch bei der Vergabe von Jagdpachten gab es Ungereimtheiten - bei drei sei eine Abstimmung mit der Stabsstelle Wald-Naturraum-Nachhaltigkeit nicht dokumentiert. Bei zwei Jagdpachten sei "auch die Angemessenheit der Preise nicht feststellbar" gewesen. Bei zwölf Direktvergaben über 10.000 Euro mit einem Volumen von insgesamt rund 489.000 Euro hätten die Bundesforste jeweils nur ein Angebot eingeholt. "Angemessene Preise können aber nur durch einen fairen und lauteren Wettbewerb erreicht werden", rufen die Prüfer in Erinnerung.

Verbesserungsbedarf gibt es laut RH zudem im Compliance-Management-System der Bundesforste, "weil insbesondere bei der Verwaltung von Liegenschaften das Risiko wirtschaftlicher Schäden oder Reputationsschäden durch nicht regelkonformes Verhalten bestand". Die Bundesforste hätten zwar eine die wesentlichen Compliance- Gefährdungskategorien umfassende Verhaltensrichtlinie beschlossen, jedoch habe weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat eine Selbstverpflichtungserklärung zur Verhaltensrichtlinie der Bundesforste abgegeben. Die Bundesforste hatten laut RH auch keine Compliance-Beauftragte bzw. keinen Compliance-Beauftragten. "Die Aufgaben der mit dem Compliance-Management betrauten Bediensteten waren nicht geregelt. Diese Bediensteten waren dafür fachlich auch nicht weisungsfrei gestellt."

Die Bundesforste konnten die Anzahl der Anfragen zu Compliance nicht quantifizieren und bezeichneten sie selbst als "selten". "Dieser Umstand sollte Anlass sein, die Compliance-Kultur zu verbessern und eine offene Dialogbereitschaft zu fördern", hält der RH weiters fest. Nur knapp mehr als die Hälfte der Bediensteten habe bisher eine Compliance-Schulung erhalten. Und auch die Bediensteten hätten keine Verpflichtungserklärung, die Verhaltensrichtlinien zu kennen und zu beachten, unterzeichnet. Es habe zudem der Überblick über Nebenbeschäftigungen und über allfällige damit einhergehende Interessenkonflikte gefehlt, um einen transparenten und einheitlichen Umgang mit diesen sicherstellten.

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