Ratingagenturen: Die mächtigen Notengeber

Ratingagenturen: Die mächtigen Notengeber
Warum ein paar Buchstaben, verteilt von drei tonangebenden Agenturen, ganze Staaten ins Taumeln bringen.

Nach ihrer Geburt vor rund 100 Jahren nahmen sie lediglich die Kreditwürdigkeit von US-Eisenbahnunternehmen unter die Lupe. Mit der Zeit wuchs ihr Einfluss beträchtlich. Sie bewerten nun nicht mehr nur Konzerne, sondern sind das Zünglein an der Waage bei der Frage, zu welchen Konditionen Staaten an den Finanzmärkten Kredite aufnehmen können. Je schlechter die Bewertung, desto schwieriger und teurer wird es, Geld auszuborgen. Die Rede ist von Ratingagenturen, also den "Big Three", Standard&Poor's, Moody's, und Fitch, die sich praktisch den gesamten Rating-Markt untereinander aufteilen.
Für die Bewertung verwenden die Agenturen Buchstabencodes.

Österreich gehört nach wie vor in den immer erlauchteren Kreis jener Länder, deren Kreditwürdigkeit mit der besten Note AAA gewürdigt wird. In der Eurozone sind es derer nur noch sechs. Doch der Daumen der Notengeber droht nun auch über Österreich nach unten zu gehen. "Diese Woche haben die Märkte Spanien, Österreich und sogar Frankreich angegriffen", sagte Ex-EU-Kommissionschef Romano Prodi am Samstag in einem Interview. Das Thema war, vom Bundeskanzler abwärts, das brennendste der vergangenen Wochen. Natürlich weitestgehend inoffiziell.

Druck

Ganz offiziell wurde Anfang der Woche die Konsequenz daraus präsentiert: Das heimische Defizit soll mit einer Schuldenbremse abgebaut werden. Die kleinste der drei Ratingagenturen, Fitch, goutierte dies bereits offiziell. Die gewichtigen beiden anderen lassen sich noch länger Zeit, prüfen Österreich derzeit auf Herz und Nieren.

Doch wie läuft eine Bonitäts-Prüfung eigentlich ab? Vorweg: Den Druck der Ratingagenturen hat sich Österreich durchaus selbst auferlegt, denn die Republik hat die Notengeber selbst beauftragt. "Kleine Länder wie Österreich würden ohne Rating von den Investoren am Kapitalmarkt gar nicht wahrgenommen", erklärt Thomas Missong, Gründer der Vereinigung europäischer Ratingagenturen EACRA. Rund eine halbe Million Euro zahlt Österreich im Jahr an die Ratingagenturen. Neben den Big Three prüfen auch noch DBRS (Kanada) und die auf Nachhaltigkeit-Ratings spezialisierten Oekom Research (Deutschland) und Sustainalytics (Europa/USA).

Aber zurück zum Rating-Prozess: Detaillierte Auskünfte von den Agenturen sind schwer zu bekommen, vieles bleibt nebulös. Jede Agentur greift auf ihre eigene Methodik zurück. Am Beginn der Kreditprüfung herrscht jedenfalls das Diktat der Zahlen. Analysten durchkämmen frei zugängliches Datenmaterial zur jeweiligen Volkswirtschaft.
Bei S&P sollen es rund 1800 verschiedene Punkte sein, die abgearbeitet werden. Die Hauptfaktoren sind politische Risiken, Wirtschaftsstruktur, Wachstumsaussichten, Steuerpolitik, Schuldenlast und geldwirtschaftliche Flexibilität. Die gesichteten Daten fließen in hochkomplexe (und natürlich geheime) mathematische Modelle ein.

Recherche vor Ort

Um über diese trockenen Zahlen hinaus Informationen einzuholen, verlassen die Analysten alsdann ihre Büros in London, Paris oder Frankfurt und gehen auf Feldforschung (im Fall von Österreich zwei bis drei Mitarbeiter). Hierfür werden Gespräche mit Beamten aus dem Finanzministerium, mit Wirtschaftsforschern, mit Nationalbankern oder mit der Bundesfinanzierungsagentur geführt. Letztere koordiniert sämtliche Termine und ist in Österreich jene Instanz, die die Emission von Staatsanleihen abwickelt.

In diesen Gesprächen sollen die Analysten "Stimmungen" einfangen, sagt Thomas Missong. Etwa: Wie realistisch beurteilen die Entscheidungsträger im Land selbst die Lage oder wie glaubhaft ist der aktuelle Budgetplan? Solche "weichen Faktoren" seien bei top-bewerteten Ländern mitunter sogar ausschlaggebend, sie können laut Missong den feinen Unterschied ausmachen. Die Analysten geben am Ende eine Rating-Empfehlung ab. Die letztendliche Entscheidung, welche Note ein Land bekommt, fällt ein - erraten - geheimes Rating-Komitee.

Die Bonität wird einmal im Jahr routinemäßig überprüft. Für Österreich werden die Ergebnisse bis Weihnachten erwartet.

Fitch: Franzose kontrolliert die Nr. 3

2100 Mitarbeiter Die 1913 in New York von John Knowles Fitch gegründete Agentur ist eine Tochter der Fimalac-Holding. Diese gehört mehrheitlich dem französischen Geschäftsmann Marc Ladreit de Lacharrière, laut Forbes auf Rang 880 der Reichsten der Welt. Mit 2100 Mitarbeitern an 51 Standorten weltweit ist Fitch die Nr. 3 am Markt.

S&P: Tochter eines Medien-Konzerns

870.000 Bewertungen Die Ursprünge des Konzerns gehen bis ins Jahr 1860 zurück. Seit 1941 ist S&P auch als Ratingagentur tätig. 1966 wurde S&P vom US-Medienkonzern McGraw-Hill geschluckt. 2010 erzielte S&P 2,9 Mrd. Dollar Umsatz und veröffentlichte 870.000 Bewertungen. S&P ist auch für die Erstellung von Börsenindizes bekannt.

Moody's : Warren Buffett hält 12 %

40 Prozent Marktanteil Die Agentur ist Hauptteil der börsenotierten Moody's Corporation. Die 1909 von John Moody gegründete Agentur lieferte Ratings zu Bahn-Anleihen. Bis 2009 besaß Investor Warren Buffett die Mehrheit, nun nur noch 12 Prozent. Der Rest ist Streubesitz. Umsatz 2010: 1,8 Mrd. Dollar. Moody's hält wie S&P 40 Prozent Marktanteil.

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