Klaus Buchleitner ist seit 2012 Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien und der Raiffeisen Holding NÖ-Wien. Vorher (von 2002 – 2012) machte er sich als Chef der Raiffeisen Ware Austria RWA einen Namen, als er das Unternehmen nachhaltig sanierte.
Der aus einer Bauernfamilie im Marchfeld stammende Buchleitner ist Absolvent der Universität Wien (Jus) sowie der französischen Eliteuniversität Fontainebleau.
Der 56-Jährige spricht fließend Englisch und Französisch, spielt leidenschaftlich gerne Klavier und gilt als absoluter Technik-Fan. Im KURIER-Interview spricht er über die neue Rolle der USA, China und Europa sowie über Strategien zur Bewältigung der Krise.
KURIER: Sie sind ein Kenner der USA. Wie ist es Ihnen ergangen, als es für Sie klar war, dass Joe Biden die Wahl gewinnt?
Klaus Buchleitner: Ich war sehr erleichtert. Weil die Wahl letztlich ein klares Ergebnis brachte.
Normalerweise bevorzugt die US-Wirtschaft einen republikanischen Präsidenten. Jetzt feiert sie Biden.
Weil er ein Grundprinzip verkörpert, das die Wirtschaft in der globalisierten Welt und in einer Krise wie der jetzigen unbedingt braucht: Berechenbarkeit.
Biden will seine „Kauft amerikanisch!“-Kampagne forcieren, um die heimische Produktion zu unterstützen. Klingt wie „America first“.
Gegen „America first“ lässt sich an sich nichts sagen. Das ist aus Sicht jedes US-Politikers völlig legitim. Doch in den vergangenen vier Jahren war damit wohl eher „America only“ gemeint. Die US-Politik wird unter Biden strategisch wieder in ruhiges Fahrwasser gelangen.
Obwohl die USA auf einem riesigen Schuldenberg sitzen, will Biden mit Billionen-Paketen die Wirtschaft ankurbeln und so die Schulden reduzieren. Klappt das?
Das Schuldenproblem über Wachstum anzugehen, ist durchaus richtig. Ein strenger Sparkurs allein würde möglicherweise eine Abwärtsspirale verursachen. Ausschlaggebend wird sein, in welche Bereiche die USA investieren werden. Notwendig sind zum Beispiel Investments in die Energieversorgung.
Allgemein wird weiterhin ein harter Kurs in der China-Politik erwartet.
Da muss man die aggressive Rhetorik, die in Begriffen wie Wirtschaftskrieg oder Handelskrieg zum Ausdruck kam, von der Realität unterscheiden. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Wettbewerb, der in seiner Dimension schon länger absehbar war. China punktet dabei mit einer sehr konsequenten Strategie mit dem Ziel, zur globalen Nummer eins aufzusteigen.
Ist China der Gewinner der Covid-Krise?
Wer der Gewinner einer Krise ist, weiß man erst im Nachhinein. China ist jetzt sicher in einer guten Position, da die Wirtschaft bereits wieder voll hochfährt. Aber der endgültige Gewinner der Krise wird derjenige sein, der sich jetzt wirtschaftlich nachhaltig positioniert. Green Recovery ist ein Schlagwort, das mir gut gefällt – also die Orientierung Richtung Ökologie mit entsprechenden Zukunftstechnologien.
Da könnte also ja auch Europa mit seinem Green Deal mitspielen – oder?
Der Green Deal der EU-Kommission ist der richtige Ansatz. Entscheidend wird sein, ob und wie es gelingt, diese politische Strategie bei der Bevölkerung und in der Wirtschaft zu verankern. Da muss eine Begeisterung erzeugt werden. Und es muss marktwirtschaftlich interessant werden, in Ökologie zu investieren – und nicht nur, weil es gefördert ist oder privilegiert ist.
Wie sehen Sie das künftige US-europäische Verhältnis?
Das Verhältnis USA zu Europa hat ein enormes Potenzial, das jetzt wieder stärker zur Geltung kommen wird.
Zum Bankensektor. Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank, sagte unlängst, dass der europäische Bankensektor nicht an einer Konsolidierung vorbeikommen wird, wenn er wettbewerbsfähig bleiben will.
Rein branchentechnisch ist eine Konsolidierung in Form von Fusionen oder enger Kooperationen gerade auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung zweifelsohne richtig. Alle Branchenparameter sprechen dafür. Nur sprechen die aktuellen Rahmenbedingungen dagegen. In einer angespannten Phase wie jetzt, sind Fusionen sehr schwierig.
Warum das?
Weil die Partner wohl schwer beurteilen könnten, was der jeweils andere in eine Fusion einbringt. Ich halte auch die aktuelle Regulatorik für nicht konsolidierungsfreundlich. Das Kapitalregime mit seinen Anforderungen ist ein sehr striktes und daher letztlich ein Hemmschuh bei Fusionen. Dazu kommt, dass eine Preisfindung in der jetzigen Phase sehr schwierig wäre. Also: Konsolidierung ja. Nur sehe ich die Machbarkeit im Moment leider nicht.
Die Nationalbank hat zuletzt dem heimischen Bankensektor gute Noten vergeben. Auf eine Insolvenzwelle nach Auslaufen der Staatshilfen sei man gut vorbereitet. Können Sie also ausschließen, dass aus der Wirtschaftskrise eine Finanzkrise wird?
Derzeit ja. Die Resilienz des österreichischen Bankwesens ist mittlerweile sehr hoch. Aber natürlich – die Pandemie sollte im ersten Halbjahr 2021 überwunden werden. Für die Banken ist die Covid-Krise schon ein enormer Stress. Die gesamte Wirtschaft mit ihren Finanzströmen wird über die Banken finanziert. Und von dieser Krise sind alle Branchen betroffen. Das geht natürlich auch an den Banken nicht spurlos vorüber, aber ist verkraftbar.
Wie sehen Sie die Rolle des Staates, der jetzt viele Unternehmen unterstützt? Ist das nicht schon eine Überdosis Staatshilfe?
Auf diese außergewöhnliche Krise hat der Staat völlig richtig reagiert. Ich sehe dazu keine Alternative.
Aber halten das Wirtschaft und Staat noch lange aus?
Ja. Wir werden das aushalten. Natürlich wird es Unternehmen geben, die in Schwierigkeiten kommen werden. Aber in Summe werden wir das schaffen.
Die Schuldenberge erreichen neue Rekordhöhen. Die Formel lautet jetzt: mit noch mehr Schulden für Zukunftsinvestitionen aus der Krise herauswachsen. Ist das wirklich das richtige Konzept?
Das ist das richtige Konzept. Man muss mit Menschenverstand sparsam sein – aber es braucht jetzt auch strategisch richtige Zukunftsinvestments. Gerade Österreich hätte dafür hervorragende Voraussetzungen, um sich langfristig optimal zu positionieren. Im ökologischen Bereich etwa oder im Gesundheitswesen in Kombination mit Forschung und modernen Technologien.
Aber muss dieser Transformationsprozess nicht sehr rasch ablaufen? Haben wir dafür überhaupt die Zeit?
Ich halte da nicht die Geschwindigkeit für entscheidend, sondern die nachhaltige Wirkung. Also: welche Maßnahmen müssen heute getroffen werden, damit die nächste Generation davon profitiert. Die Bildungsfrage ist da übrigens jetzt die zentralste aller Herausforderungen. Noch haben wir die Zeit für diese Neuausrichtung.
Wird die Wirtschaft nach einem Impfstoff wieder rasch anspringen?
Ja. Ich bin da sehr optimistisch. Das war ja auch im Sommer schon so, als die Infektionszahlen sehr niedrig waren. Wenn wir im ersten Halbjahr 2021 einen Impfstoff haben, wird die Wirtschaft wieder sehr rasch anspringen.
Die Krise ist ein Turbo für die Digitalisierung. Wie sehr spielt da das Thema Sicherheit bei Banken eine Rolle?
Eine enorme. Wir investieren allein in unserem Haus jedes Jahr immer höhere Millionensummen in die digitale Sicherheit. Aber IT-Verbrechen sind eine neue Form der Kriminalität, das ist eine große Herausforderung.
Wie sehr geraten die traditionellen Banken durch Fintechs – also Unternehmen, die digitale bzw. technologische Finanzinnovationen anbieten – in Gefahr?
Für mich sind Fintechs eine Bereicherung. Weil sie allein durch ihre Existenz Veränderungsprozesse in den traditionellen Banken auslösen. Stark sind Fintechs im Bereich des Zahlungsverkehrs. Das werden die Banken nicht mehr umdrehen. Die Frage wird sein, wie stark Fintechs überhaupt in das klassische Bankengeschäft wie etwa der Kreditvergabe einsteigen werden. Einige werden es versuchen. Aber sie werden rasch merken, dass das klassische Bankengeschäft mehr ist als nur über Technologie einfache standardisierte Prozesse schneller und billiger zu machen.
Müssen Großbanken zu Internetkonzernen werden?
Ja. In zehn Jahren werden IT-Manager in Banken führend sein.
Deswegen absolvieren Sie derzeit also die Ausbildung zum Programmierer.
Ja (lacht). Das hat sich wohl schon herumgesprochen, ist aber ein Hobby.
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