Irreführende Preise in Wiener Supermärkten: "Kann kein Zufall sein"

Rund 200 Anzeigen im September allein in Wien. Die "Aktion scharf" des Sozialministeriums gegen unzulässige Preisauszeichnung in den heimischen Supermärkten ist in vollem Gange.
Handelsverbands-Obmann Rainer Will spricht hinsichtlich der Verstöße von "Formfehlern oder technischen Umstellungen" und sieht keine "Täuschungsabsicht" der Unternehmen. Der heimische Handel würde 150.000 Menschen beschäftigen und diese würden auch vereinzelt Fehler machen.
Die veröffentlichte Zwischenbilanz des Wiener Marktamtes zeichne "ein total verzerrtes Bild der wirtschaftlichen Realität". Gleichzeitig würde "die Suche nach dem Haar in der Suppe heimische Arbeitsplätze gefährden", heißt es in einer Aussendung des Handelsverbands.
"In manchen Fällen ist da ein bisschen Vorsatz dahinter"
Alexander Hengl, Sprecher des Wiener Marktamtes, wiederum kann nicht glauben, dass es sich bei den Verstößen nur um Zufälle handelt. "In manchen Fällen steckt da schon ein bisschen Vorsatz dahinter", sagt er dem KURIER.
Als Beispiel nennt er den Fall, als eine Handelskette eine Ersparnis von 80 Cent versprach, wenn Kunden mehrere Packungen einer bestimmten Süßigkeitenmarke kaufen.

Marktamt-Sprecher Alexander Hengl
Ein Blick auf das ursprüngliche Preisschild offenbarte, dass die Ersparnis tatsächlich nur zehn Cent betrug. "So etwas ist kein technischer Fehler, wie Herr Will uns erklären möchte."
Bei einer Rabattaktion muss sich die Ersparnis immer auf den niedrigsten Preis des Händlers in den vergangenen 30 Tagen beziehen, so das Preisauszeichnungsgesetz. Die Realität sieht oft anders aus.
Händler verschleiern, dass es keine tatsächliche Ersparnis gibt
Etwa im Fall eines Lebensmittelhändlers, der mit einem Rabatt von 44 Prozent auf ein Erfrischungsgetränk warb.
Diese Ersparnis bezog sich jedoch auf den Preis für das Getränk bei einer anderen Supermarktkette. "Das ist schlichtweg verboten und soll verschleiern, dass es sich um keine tatsächliche Aktion handelt", so Hengl.
Aber auch ohne Rabatte und Sonderangebote käme es immer wieder zu Problemen. So müssen Händler auf Preisschildern den sogenannten Grundpreis angeben.
Wie ein Preisschild im Supermarkt auszusehen hat, ist in Österreich im Preisauszeichnungsgesetz geregelt. Demnach muss es folgende Informationen beinhalten:
- Den Preis inklusive Mehrwertsteuer
- Die Verpackungsgröße (zum Beispiel 200 Gramm)
- Den Grundpreis (das ist der Preis pro Einheit, wie etwa pro Stück, Kilogramm, Liter oder Waschgang)
Alle Elemente müssen für Konsumenten leserlich sein. Vor allem der Grundpreis wird meist in kleinerer Schrift angegeben. Bei seinen Kontrollen orientiert sich das Wiener Marktamt am Lebensmittelrecht und verlangt eine Größe von mindestens 1,2 Millimetern bei den Kleinbuchstaben.
Handelt es sich um Rabattaktionen, muss am Preisschild der ursprüngliche Preis und der Aktionspreis ausgewiesen sein. Auch der Grundpreis muss an den Aktionspreis angepasst werden. Die Rabatt-Prozentabgabe bezieht sich immer auf den niedrigsten Preis des Händlers in den vergangenen 30 Tagen.
Für die Kontrollen zuständig sind die Bundesländer. In Wien führt das Marktamt täglich stichprobenartige Kontrollen mit seinen rund 100 Lebensmittelinspektoren durch. Diese finden immer unangekündigt statt.
Dieser zeigt die "Kosten je Maßeinheit" auf, also etwa pro Stück, Kilogramm, Liter oder etwa pro Waschgang (bei Waschmittel). Sinn und Zweck ist eine bessere Vergleichbarkeit, vor allem wenn die Verpackungsgrößen variieren.
Shrinkflation in Kombination mit fehlerhaften Preisangaben
Immer wieder ist der Grundpreis falsch ausgewiesen. Etwa wenn Verpackungen im Zuge der sogenannten "Shrinkflation" bei gleichbleibendem Preis kleiner werden, der Grundpreis am Regal aber nicht angepasst wird.
In solchen Fällen spricht das Marktamt oft erst einmal eine Verwarnung aus. Wird der Fehler nicht behoben folgt eine Verwaltungsanzeige.
Neben Hengl glaubt auch Jakob Kramar-Schmid, Sprecher der Staatssekretärin für Konsumentenschutz, Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ), nicht in allen Fällen an ein Versehen der Händler.
"Die Lebensmittelkonzerne beschäftigen große Rechtsabteilungen. Da müssten sie auch in der Lage sein, ihre Konsumenten richtig zu informieren", sagt er dem KURIER.
Lebensmittelhandel kritisiert zu komplexe Vorgaben
Vertreter des heimischen Lebensmittelhandels kritisieren unterdessen zu komplexe Vorgaben bei der Preisauszeichnung.
„Niemand hat ein Problem mit Kontrolle – aber wir haben ein Problem mit Vorschriften, die in der Praxis schlicht nicht erfüllbar sind“, sagt Christian Prauchner, Obmann des Lebensmittelhandels in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
So würde etwa ein großer Teil der Anzeigen Zitronen in Netzen betreffen, deren Grundpreis in Kilogramm angegeben wird. Gefordert werde stattdessen eine Grundpreisauszeichnung pro Stück.
Für Prauchner absurd: Ein Netz könne wenige große oder mehrere kleinere Zitronen enthalten, das Gesamtgewicht bleibe dabei gleich. Eine Stückauszeichnung sei daher faktisch unmöglich.
„Wir reden von Naturprodukten – keine Zitrone gleicht der anderen. Der Handel soll aber so tun, als ob er die Natur normieren könnte", kritisiert der Branchenvertreter.
"Handel will Preise möglichst ungenau auszeichnen"
Auch Handelsverbands-Obmann Will empfindet die Vorgaben als zu umfangreich. Für Kramar-Schmid ist das keine Überraschung: "Der Handel hat natürlich Interesse daran, seine Preise möglichst ungenau auszuzeichnen. Aber was Rainer Will Überregulierung nennt, nennen wir Konsumentenschutz."
Hengl rät indes dazu, beim Einkauf genau hinzusehen, um sich vor Überraschungen an der Kassa zu schützen. Preis, Verpackungsgröße und Grundpreis sollten kontrolliert und verglichen werden. Wer fehlerhafte Angaben entdeckt, kann diese bei der zuständigen Stelle des jeweiligen Bundeslandes melden.
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