Henkel-Chefin: „Schrumpfen keine Packung ohne Mehrwert“

Birgit Rechberger-Krammer (56) ist seit mehr als 30 Jahren beim deutschen Konsumgüterkonzern Henkel und leitet seit 2018 Henkel CEE in Wien. Im KURIER-Interview erklärt sie, warum die Waschmittelverpackungen schrumpfen, wer schuld am Österreich-Aufschlag ist und wie der Konzernumbau den Standort Wien trifft.
KURIER: Spüren Sie bei Henkel die allgemeine Kaufzurückhaltung?
Birgit Rechberger-Krammer: Die Konsumflaute spüren wir natürlich und zwar in beiden Geschäftsbereichen, sowohl im Konsumenten- als auch im Industriebereich, wo wir mit unseren Klebstoffen ja unter anderem auch die Autozulieferindustrie beliefern.
Sparen die Konsumenten auch beim Waschmittel?
Sie entscheiden sich für günstigere Produkte oder dosieren weniger. Wir beobachten, dass unsere vordosierten Produkte etwas zurückgehen und die Konsumenten wieder verstärkt Pulver und Flüssigwaschmittel kaufen, damit sie die Menge selbst dosieren können.

Henkel-Österreich-Chefin Birgit Rechberger-Krammer
Die Supermärkte übertrumpfen sich derzeit mit Rabattschlachten und Multi-Pack-Angeboten. Wie viel Ihrer Produkte werden in Aktion gekauft?
Der Aktionsanteil hat stark zugenommen und liegt aktuell bei rund 60 Prozent, ist aber zwischen den Kategorien stark unterschiedlich. Eine 100-er-Waschladung Persil geht de facto nur noch in Aktion.
Wie geht es dem Standort?
In Interviews mit Unternehmern beleuchtet der KURIER die Lage im Land.
KURIER-Leser sind gefragt!
Haben Sie Vorschläge, wie der Standort Österreich zu alter Stärke finden kann? Mailen Sie an standortoesterreich@kurier.at. Wir werden die besten Ideen mit Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft erörtern.
Bisher sind folgende Interviews erschienen:
Walter Oblin (Post AG), Stephan Zöchling (Remus), Rupert Ursin (Quantum Tech.), Florian Czink (Schlumberger), Nikolaos Bogianizidis (Öklo), Sok-Kheng Taing (Dynatrace), Stephan Büttner (Agrana), Katrin Hohensinner-Häupl (Frutura), Klaus Magele (Morawa), Erich Benischek (Blaue Lagune).
Ist der hohe Aktionsanteil ein Österreich-Spezifikum?
Da gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, und es werden laufend Marktforschungen durchgeführt, welche Aktionen und Preisschwellen besonders gut funktionieren. Die Art und Weise der Rabatte obliegt dem Händler. Mir wäre aber auch eine große Flasche mit 100 Waschgängen lieber als zwei kleine Flaschen mit 50. Das bringt ja niemandem etwas. In Holland gibt es durch diese Multi-Pack-Aktionen fast nur noch Kleinpackungen.
Apropos Packungsgrößen: Die Konsumgüterindustrie steht im Verdacht, durch das Schrumpfen der Verpackungen die Inflation anzuheizen, Stichwort Shrinkflation. Henkel hat viele Verpackungsgrößen am Markt, was hat es damit auf sich?
Also zunächst einmal: Die Non-Food-Artikel sind nicht die Preistreiber im Warenkorb, sondern die Energie und die Dienstleistungen. Wir schrumpfen keine Packung ohne Mehrwert. Wir haben verschiedenste Angebote am Markt. Der Kunde kann sich aussuchen, welches Waschmittel er haben möchte; ein vordosiertes Produkt, also ein Cap, ein flüssiges oder ein Pulver-Produkt zum selber Dosieren und das in verschiedenen Varianten. Was zählt, ist nicht der Preis pro Menge, sondern pro Waschladung. Konzentriertere Rezepturen erhöhen die Waschladungen, wodurch Menge und Verpackung reduziert werden können. Wir haben in den letzten zehn Jahren von 60 ml pro Waschgang auf 45 ml reduziert. Sprich: dieselbe Leistung, weniger Inhalt.

Henkel-Chefin Birgit Rechberger-Krammer mit Wirtschaftsredakteurin Anita Staudacher
In Deutschland sind viele Produkte billiger als bei uns. Wer ist schuld am Österreich-Aufschlag?
Die ganze Debatte ist etwas aufgeblasen. Da werden einzelne Produkte herausgepickt, ohne die in jedem Land unterschiedlichen Kostenstrukturen, Steuern oder Aktionsanteile zu berücksichtigen. Man müsste sich stattdessen die Durchschnittspreise anschauen. In Holland etwa verlangt der Händler Mondpreise am Regal, weil die Aktionsform immer 2 + 1 gratis ist. Der Regalpreis muss also so hoch sein, dass man auch noch ein Produkt gratis dazugeben kann. Das gibt es in Deutschland nicht, das sind totale Verwerfungen. Ich lade alle ein, sich die Bilanzen der Händler einmal anzuschauen. Was verdient der Händler in Deutschland und was in anderen Ländern, dann nehme ich jede Diskussion gerne wieder auf.
Der Handelsverband meint, dass kleine österreichische Händler durch territoriale Lieferbeschränkungen der Hersteller ein Produkt schon teurer beim Zwischenhändler einkaufen müssen.
Es kann jeder bei jedem einkaufen, das wird total hochstilisiert. Henkel macht 60 Prozent des Umsatzes in Europa mit international organisiertem Handel. Ich finde es ein bissl billig, uns als Industrie den Schwarzen Peter zuzuschieben. Ich kann Ihnen nur sagen, wir als Henkel verdienen in Österreich nicht mehr als in Deutschland oder umgekehrt. In unseren Konsumentenpreisen sind übrigens auch die Verpackungsentsorgungskosten drinnen, und Österreich ist da unter den Spitzenreitern. In anderen Ländern bekommen wir einen Bonus, wenn wir Recyclate einsetzen, in Österreich bekommen wir nichts.

Henkel-Standort in Wien-Erdberg
Lange Historie
Der deutsche Konsumgüterhersteller Henkel ist seit 1886 in Österreich präsent, es war die erste Auslandsniederlassung. Seit 1927 werden in Wien Waschmittel (Persil) produziert, seit 2013 nur noch Flüssigwaschmittel. Im Vorjahr wurden 175.000 Tonnen Wasch- und Reinigungsmittel der Marken Persil, fewa, Silan, Pril und Clin in Wien produziert. Die Export-Quote beträgt 60 Prozent.
Zentrallager in Wien-Meidling
Vom Zentrallager in Wien-Meidling werden vor allem die osteuropäischen Länder, Deutschland, Spanien, Portugal und Italien beliefert. Täglich verlassen 70 Lkw das Lager.
Henkel Österreich beschäftigt 800 Mitarbeiter, davon rund 150 in der Produktion und 34 Lehrlinge. Auch die Zentral- und Osteuropa-Zentrale ist nach wie vor in Wien angesiedelt, das Geschäft in Russland wurde 2023 verkauft.
Konzernumbau
Um Kosten zu sparen und das Wachstum anzukurbeln, legte Henkel sein Waschmittelgeschäft mit dem Kosmetikgeschäft (Syoss, Dial) zusammen und setzt ganz auf die Kernmarken. Das Geschäft mit Handelsmarken in Nordamerika wurde für 500 Mio. Euro verkauft. Im ersten Halbjahr schrumpfte der Umsatz um 3,8 Prozent auf 10,4 Mrd. Euro, der operative Gewinn (Ebit) blieb mit 1,6 Mrd. Euro stabil.
Produktionsbetriebe klagen über hohe Energie- und Arbeitskosten in Österreich. Sie auch?
Beides ist auch bei uns ein großes Thema. Der Faktor Arbeit gehört dringend entlastet, so hohe Lohnerhöhungen wie in Österreich gab es in den vergangenen Jahren sonst nirgendwo in Europa. Bei den Produktionskosten sind wir europaweit an der Spitze. Wir fertigen hier im Werk Flüssigprodukte mit 150 Beschäftigten, also bewusst stark automatisiert.
Henkel vollzog gerade einen größeren Konzernumbau, um profitabler zu werden. Wie wirkte sich dieser auf den Standort Wien aus?
Wir haben zwei Sparten zu Henkel Consumer Brands zusammengelegt und im Zuge dessen auch in Wien zwischen 30 und 40 Mitarbeiter abgebaut. Wir haben im Wiener Werk Volumen von anderen Standorten aufgenommen, insgesamt produzieren wir aber trotzdem weniger als noch vor ein paar Jahren, weil die Märkte insgesamt rückläufig sind. Aktuell haben wir rund 800 Mitarbeiter in Österreich, wobei wir von Wien auch noch Osteuropa steuern und einige weltweite Aufgaben haben. Für den österreichischen Markt allein bräuchten wir nicht so viele Mitarbeiter. Ohne diese regionale Steuerung gäbe es uns mit dieser Vollstruktur nicht mehr hier.
Warum lenkt Henkel das Osteuropa-Geschäft nach wie vor von Wien aus?
Mindestens die Hälfte unserer Mitarbeiter in der regionalen Steuerung ist aus Osteuropa, die kommen gerne hier nach Wien und bringen ihre Erfahrung und ihre Marktnähe mit. Und wir haben ein großes Zentrallager in Meidling, von dem aus wir die Nachbarländer beliefern.
Was spricht für den Standort Österreich?
Die Qualität der Mitarbeiter, die gute Infrastruktur-Anbindung vor allem an den Flughafen. Und die Mitarbeiter leben gerne in Wien, da brauchen wir nicht viel Überzeugungsarbeit.
Ist die Produktion ausgelastet und welche Perspektiven hat der Standort Wien?
Wir sind bei etwa 180.000 bis 185.000 Tonnen Jahresvolumen. Die Menge war schon einmal höher, wir könnten also durchaus noch mehr produzieren. Es gibt bezüglich der Auslastung eine sehr flexible Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat. Wir investieren jedes Jahr etwa zehn Millionen Euro in den Standort. Sieben Millionen flossen gerade in eine neue Weichspülergeneration, die hier in Wien erstmals vom Band gelaufen ist. Das neue Produkt ist seit zwei Wochen am Markt. Es zeigt schön, dass auch hier in Wien Innovationen stattfinden, um Wertschöpfung zu generieren.

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