Verdächtige Bauteile aus China: Wie verwundbar sind Solaranlagen?

Verdächtige Bauteile aus China: Wie verwundbar sind Solaranlagen?
In Wechselrichtern für Photovoltaikanlagen wurden in den USA verdächtige chinesische Funkmodule entdeckt. Was dahinter steckt. Fragen und Antworten.

Befinden sich in vielen Solaranlagen Bauteile aus China, die eine Sabotage der Stromnetze ermöglichen? Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, haben US-Ermittler in den Wechselrichtern von Photovoltaikanlagen verdächtige Komponenten ausgemacht. 

Noch ist unklar, worum es sich dabei konkret handelt. Dass die Solarinfrastruktur verwundbar ist, wird aber seit Längerem diskutiert. Auch ein Ausschluss chinesischer Komponenten aus kritischer Infrastruktur steht zur Debatte. Der KURIER fasst die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen. 

Was haben die US-Ermittler konkret gefunden?

Die Rede ist von verdächtigen Funkmodulen in den Wechselrichtern. Die sind zwar prinzipiell so konstruiert, dass Fernzugriff für Updates und Wartungen möglich ist, die konkreten Module waren aber nicht in den Produktunterlagen dokumentiert. Laut zwei mit der Angelegenheit vertrauten Personen, auf die sich die Nachrichtenagentur Reuters beruft, bieten sie zusätzliche Kommunikationskanäle, über die Schutzmechanismen umgangen werden können. Um welche Wechselrichter von welchen chinesischen Herstellern es sich konkret handelt, ist nicht bekannt. 

Welche Folgen könnte die Manipulation von Wechselrichtern haben?

Im schlimmsten Fall könnten die Komponenten dazu genutzt werden, um ein Blackout zu verursachen. Wechselrichter wandeln den Strom den in Solarmodulen erzeugten Gleichstrom (DC) zu Wechselstrom (AC) um. Sie steuern auch, wo der Strom hingelenkt wird. Ob er etwa in das Stromnetz eingespeist wird oder ob er im Haushalt verbraucht wird. Werden Wechselrichter gesammelt abgeschaltet oder wird die Lenkung manipuliert, könnte im Stromnetz ein Spannungsabfall verursacht werden. Ein kurzfristiger Spannungsabfall war auch die Ursache für das Blackout in Spanien und Portugal Ende April.

Wäre das auch im konkreten Fall möglich?

Die US-Energiebehörde ist gerade dabei, das Risiko zu bewerten, das von den in China hergestellten Wechselrichtern ausgeht. Aus der Ferne lasse sich das nicht beurteilen, sagt Hubert Fechner, Vorstand der Technologieplattform Photovoltaik Austria. Tatsache sei, dass die Photovoltaikinfrastruktur mittlerweile auch zu den zentralen kritischen Infrastrukturen zählt und auch eine gewisse Vulnerabilität aufweise. In vielen Regionen Europas kommt zu manchen sonnigen Zeiten mittlerweile der überwiegende Anteil des Stroms aus PV-Anlagen. Eine Gefahr für die Stabilität des Stromnetzes sei durch die Manipulation von Komponenten jedenfalls gegeben. Was den konkreten Verdacht betrifft, ist Fechner skeptisch. Möglich sei auch, dass ein solcher Verdacht bewusst in die Welt gesetzt werde. Etwa um auf die Dringlichkeit des Themas hinzuweisen. 

Verdächtige Bauteile aus China: Wie verwundbar sind Solaranlagen?

Solarexperte Hubert Fechner

Wie können die Komponenten abgesichert werden?

Die Wechselrichter vom Netz zu trennen, sei keine Lösung. "Das hätte viele Nachteile, und wäre ein technologischer Rückschritt", sagt der Experte. Denn Fernüberwachung und Firmware-Updates aber zunehmend auch die Einbindung in Energiemanagementsysteme sind wichtig. Dass die Anlagen de facto händisch gewartet werden und etwa Installateure Updates vor Ort vornehmen, sei nicht umsetzbar. Davon abgesehen, sei es zunehmend angedacht, die Geräte leistungsmäßig von der Ferne adressieren zu können. Überlegenswert wäre für Fechner auch, dass Server über die Daten übertragen werden, unter der Kontrolle einer öffentlichen Behörde stehen; erhöhte Sicherheitsstandards und Zertifizierungen seien aber kurzfristig sicher die raschere und realitätsnähere Umsetzung. Konkrete Lösungen gebe es noch keine. An der Sicherheit zu arbeiten, sei aber dringend notwendig, sagt Fechner. 

Wie viele chinesische Wechselrichter sind in europäischen PV-Anlagen verbaut?

Genau lässt sich das nicht feststellen, da nicht bekannt ist, welche Produkte konkret in den Anlagen zum Einsatz kommen. Der Branchenverband European Solar Manufacturing Council schätzt, dass über 200 GW der europäischen Solarstromkapazität von insgesamt 338 GW im vergangenen Jahr mit in China hergestellten Wechselrichtern verbunden sind. Laut Experten könnte in Europa die Kontrolle über 3  bis 4 Gigawatt (GW) Energie ausreichen, um eine weitreichende Unterbrechung der Stromversorgung zu verursachen. Der Marktanteil chinesischer Hersteller habe in den vergangenen fünf bis sechs Jahren massiv zugenommen, sagt Fechner. Europäische Hersteller seien zunehmend vom Markt gedrängt worden. Hersteller aus Fernost hätten in den vergangenen Jahren den  Markt mit Produkten – teilweise unter den Material- und Herstellungskosten – überschwemmt, sagt Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauss, Geschäftsführerin des oberösterreichischen Wechselrichterherstellers Fronius.

Soll es Beschränkungen für chinesische Komponenten in PV-Anlagen geben?

In Deutschland und den Niederlanden werden solche Rufe bereits laut. Roderich Kiesewetter, Bundestagsabgebordneter und Verteidigungsexperte der CDU, forderte chinesische Komponenten aus kritischer Infrastruktur wie dem Energienetz-, dem 5G-Netz und dem Logistik-Netz auszuschließen. Auch der liberale niederländische EU-Abgeordnete Art Groothuis sieht Handlungsbedarf, wie er der Wirtschaftswoche sagte. Fronius-Chefin Engelbrechtsmüller-Strauss spricht sich gegenüber dem KURIER für eine Risikoanalyse im Hinblick auf mögliche Sabotage und Spionage und eine Liste von vertrauenswürdigen Herstellern aus. "Nur jene Hersteller, die auf einer 'White-List' geführt werden, sollten berechtigt sein ihre Komponenten wie z. B. Wechselrichter ans europäische Stromnetz anzuschließen", sagt sie.

Verdächtige Bauteile aus China: Wie verwundbar sind Solaranlagen?

Fronius-Chefin Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauss

Was bringt ein Made-in-Europe-Bonus?

In Österreich werden erste Schritte unternommen, um europäische Produkte zu fördern. Zwar wurde die Umsatzsteuerbefreiung für PV-Anlagen seit Ende März aufgehoben. Ab Juni tritt aber ein "Made in Europe"-Bonus für Anlagen in Kraft, die europäische Komponenten verbaut haben. Engelbrecht-Strauss sieht darin einen Beitrag zum Schutz europäischer Hersteller vor unfairem Wettbewerb aus China. 

Neben Italien, das einen Mehrwertsteuerbonus für europäische Komponenten eingeführt hat, sei Österreich bisher das einzige europäische Land, das bei Förderungen einen speziellen Aspekt für europäische Produkte verankert habe, sagt PV-Experte Fechner. Er hofft, dass solche Initiativen auch in anderen europäischen Ländern Nachahmer finden. Finanzielle Anreize seien wichtig und tragen auch dazu bei, dass darüber nachgedacht werde, regionale Hersteller zu unterstützen. Europa müsse seine technologische Souveränität zurückgewinnen, sagt er.

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