Prozess-Start im Linzer Swap-Krimi
Im siebten Stock des Wiener Handelsgerichts startet am Freitag einer der brisantesten Zivilprozesse der jüngsten Zeit: Die Stadt Linz und die Bawag klagen sich gegenseitig wegen eines Spekulationsgeschäfts auf Basis des Schweizer Frankens, das aus dem Ruder gelaufen ist. Nach Abbruch einer Mediation durch die Bawag muss nun der Wiener Richter Andreas Pablik klären, ob die hochriskante Zins- und Währungswette „Swap 4175“, die die Bawag der Stadt Linz im Jahr 2007 verkauft hat, rechtswirksam zustande gekommen und marktüblich ist, und ob die Bank ihren Aufklärungspflichten nachgekommen ist. Zur Erinnerung: Schon seit den 90er Jahren spekulierte die Stadt Linz mit dem Schweizer Franken und finanzierte sich u.a. durch Franken-Darlehen. Ab Mitte 2004 sollte das Fremdwährungsrisiko durch „marktübliche Finanzgeschäfte“ optimiert, sprich das Wechselkursrisiko abgesichert werden. Der Gemeinderat stimmte zu. 2006 wurde sogar ein Rahmenvertrag für künftige Finanztermingeschäfte mit der Bawag abgeschlossen.
Eine verhängnisvolle Wette
Im Februar 2007 wollten die Linzer die Zinsbelastung eines Darlehens (195 Millionen Schweizer Franken) mit der Wette „Swap 4175“ verringern. Doch der Franken-Kurs stieg im Verhältnis zum Euro deutlich und bei den Linzern wurde das Fremdwährungsrisiko schlagend. Aus dem angeblich vorteilhaften Finanzgeschäft wurde eine massive finanzielle Belastung. Die tatsächliche Tragweite des Kursanstiegs soll der Linzer Finanzdirektor Werner P. anfangs nicht erkannt haben.
Im Herbst 2011 stieg die Stadt abrupt aus dem fatalen Geschäft aus und klagte die bisher an die Bawag geleisteten Zahlungen (25,2 Millionen Euro) ein. Die Bank konterte mit einer Gegenklage in Höhe von 417,37 Millionen Euro. So viel soll die außerplanmäßige Abwicklung des Derivatgeschäfts gekostet haben. Aufgrund der gesetzlichen Verzugszinsen (acht Prozent) stehen mittlerweile knapp 474 Millionen Euro zu Buche.
Die Argumente der Stadt
Linz fühlt sich von der Bawag über den Tisch gezogen und getäuscht – die Bawag bestreitet das. Laut Meinhard Lukas, Rechtsberater der Stadt, ist die Wette von der Bawag so strukturiert worden, dass sich schon ein „negativer Anfangswert“ von 20 Millionen Euro zum Nachteil der Stadt ergab. Auch habe der Stadtkämmerer Werner P. allein den Vertrag abgeschlossen, ohne die zuständigen Organe der Stadt (Gemeinderat) zu informieren. Und die Risiken des Geschäfts soll er in internen Berichten "unrichtig dargestellt haben"
Das Gericht muss nun klären, ob der Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 2004 diese Wette überhaupt deckt, und ob dafür nicht auch noch eine Genehmigung der Landes eingeholt werden hätte müssen. „Andernfalls ist das Geschäft unwirksam“, sagt Lukas. Dann wäre die Stadt aus dem Schneider. Laut den Anwälten der Stadt Linz, Lukas Aigner und Gerhard Rothner, deckt dieser alte Gemeinderatsbeschluss aber „nur marktübliche Geschäfte, die das Fremdfinanzierungsportfolio der Stadt optimieren.“ Für sie ist das Bawag-Produkt weder marktüblich noch optimierend.
Fehlende Sicherheitsleistung
Mehr noch. Die Anwälte der Stadt werfen der Bawag vor, dass sie diese Wette einem Unternehmen so nicht verkaufen hätte können. Denn: Bei einem „bilanzierenden Unternehmen“ hätte die Bank für dieses Geschäft eine Sicherstellung in Form eines Cash-Depots verlangt, um künftige Risken abzudecken, meint Anwalt Aigner. Anwalt Rothner fügt hinzu: „Die Bank hätte den Linzern sagen müssen, hinterlegt 50 Millionen Euro als Sicherstellung, das wäre für den Gemeinderat und den Finanzdirektor eine Warnung gewesen.“ So hätte man das tatsächliche Risiko des Finanzgeschäfts gleich zu Beginn erkennen können.
Diese Art der Besicherung sei bei Geschäften mit Kommunen „am Markt nicht üblich“, kontert die Bawag. Nur bei Unternehmen werde in solchen Swap-Vertragen vereinbart, dass bei einem bestimmten negativen Marktwert Sicherheiten (Cash, Wertpapiere) in einem festgelegten Prozentsatz beigebracht werden müssen. „Bei einer Gemeinde wie der Stadt Linz, die die Bonität der Republik Österreich hat, kriegen sie so etwas nicht durch“, sagt Bawag-Jurist Alexander Schall. „Damit brauchen sie gar nicht kommen.“
„Alarmglocken hätten geläutet“
„Hätte die Bawag etwas von einer Sicherheitsleistung gesagt, hätten bei mir die Alarmglocken geläutet“, sagte der frühere Linzer Finanzdirektor Werner P. bei der Staatsanwaltschaft Linz aus. Gegen Werner P., Finanzstadtrat Johann Mayr und „noch bisher unbekannte Täter aus dem Umkreis der Bawag“ ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs anhängig. Die Vorwürfe werden bestritten.
Die Argumente der Bawag
Indes weist die Bawag alle Vorwürfe zurück und wirft der Stadt Linz Vertragsbruch vor. Die Bank hat kürzlich beim Sachverständigen Nikolaus Kellermayr ein Gutachten eingeholt, das der Bawag einen Persilschein ausstellt: „Die Konstruktion des Swap 4175 erschien zum Zeitpunkt des Abschlusses – unter Inkaufnahme eines Währungsrisikos – als ein für die Stadt vorteilhaftes Geschäft.“ Es handelt sich um ein marktübliches Produkt. Dass entschieden wurde, nur den „Zinsaufwand zu optimieren und nicht auch das Währungsrisiko abzusichern“, sei damals allgemein üblich gewesen. „Bisher ungeklärt ist allerdings, warum vonseiten der Stadt Linz kein vorzeitiger Ausstieg aus dem Swap veranlasst wurde, meint Experte Kellermayr.
Ausstieg angeboten?
Auch Bawag-Jurist Alexander Schall sagte im Gespräch mit dem KURIER, dass der Stadt mehrfach ein vorzeitiger Ausstieg angeboten wurde. „Die Linzer haben genau gewusst, was los ist. Sie haben einfach die wirtschaftlichen Fakten nicht akzeptiert und wollten den Fall politisch aussitzen“, sagt Schall zum KURIER. „Die Stadt Linz ist ein professioneller Teilnehmer auf dem Finanzmarkt und der damalige Linzer Finanzdirektor P. war als Finanzprofi am Markt bekannt.“
Einvernahme des Finanzdirektors
Dass der Stadt der vorzeitige Ausstieg aus der Finanzwette angeboten wurde, bestreitet Linz. Es seien dem Finanzdirektor lediglich Restrukturierungsangebote gemacht worden. „Es gab kein Angebot der Bawag für die Auflösung des Swap 4175“, sagte der frühere Finanzdirektor vor dem Staatsanwalt im März 2013 aus.“ „Der Restrukturierungsvorschlag der Bawag sah eine Laufzeit vor, die über jene der Franken-Anleihe hinausging. Dieser Vorschlag wurde mangels Zusammenhang mit dem Grundgeschäft von mir abgelehnt. Ich habe der Bawag klar gemacht, dass eine Verlängerung der Laufzeit nicht in Frage kommt.“ Schon Anfang Jänner 2008 soll aber die Bawag einen diesbezüglichen Abänderungsvorschlag gemacht haben.
Werner P.: „Ich hatte den Eindruck, dass die Bawag mit uns ein Abänderungsgeschäft machen wollte und sie wollte dadurch ein zweites Mal verdienen.“
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