Pro-Ge-Chef Wimmer: "Zum Nulltarif gibt es gar nichts"
KURIER: Sie verhandeln mit den Arbeitgebern eine neue Regelung für flexiblere Arbeitszeiten. Bis Juli 2014 wollen Sie zu einem Ergebnis kommen. Zeichnet sich eines ab?
Rainer Wimmer: Wir verhandeln mit mehreren Fachverbänden gleichzeitig. Auch mit dem größten Fachverband Maschinen- und Metallwarenindustrie, der die Flexibilisierung am lautesten eingefordert hat. Wir haben mehrere Modelle vorgelegt, aber zurzeit gibt es kaum Signale, dass die Arbeitgeber in Richtung Konsens gehen.
Woran scheitert es?
Der Knackpunkt ist, die Arbeitgeber beharren weiterhin darauf, dass Mehrstunden ohne Zuschläge geleistet und über einen langen Durchrechnungszeitraum nur mit Zeitausgleich abgegolten werden. Das ist wenig kreativ, das reicht uns nicht, zum Nulltarif gibt es gar nichts. Aber wir haben noch einige Gesprächsrunden, es ist noch ein Kompromiss möglich.
Die Arbeitgeber werfen Ihnen Inflexibilität vor. Sie stellen Forderungen, und wenn Sie das nicht kriegen, gibt es halt gar nichts ...
Wir haben verschiedene Ideen entwickelt und haben auch Zeit ins Spiel gebracht. Wir wollen die Abgeltung erschwerter Bedingungen, vor allem bei älteren Arbeitnehmern, durch Zeitguthaben. Das Arbeitstempo steigt, die Menschen brauchen mehr Regeneration. Eine Lösung wären Zeitgutschriften. Das wäre ein kreativer Ansatz, aber da sind die Arbeitgeber nicht sehr flexibel.
Ist das nicht wieder nur eine weitere Forderung von Ihnen? Die Arbeitgeber wollen mehr Flexibilität, um auf Auftragsschwankungen reagieren zu können ...
Wir verstehen das Problem, es gibt Branchen, in denen ist das sehr virulent. Aber das Risiko dieser Auftragsschwankungen kann man ja nicht einfach den Arbeitnehmern hinschieben, das ist uns zu wenig. Und was auch sicher gar nicht geht, ist die Abgeltung von Mehrstunden ausschließlich durch Zeitausgleich, also ohne Überstundenzuschläge.
Was geschieht, wenn Sie sich nicht einigen können?
Wenn neue Arbeitszeitmodelle den Arbeitgebern wirklich ein Anliegen sind, dann denke ich, dass es Möglichkeiten für einen Kompromiss gibt. Die Verhandlungen sind dadurch erschwert, dass wir mit sechs Arbeitgeberverbänden verhandeln, aber zu einem Modell kommen müssen. Sechs unterschiedliche Modelle sind für uns unmöglich. Wir werden den bestehenden Kollektivvertrag nicht zerreißen.
Noch einmal: Was geschieht ohne Kompromiss?
Wir haben jetzt 17 Jahre Stillstand bei der Arbeitszeit. Wenn es den Unternehmern so wichtig ist, sollte ein Kompromiss möglich sein. Es wird aber keine einseitige Lösung geben, sondern nur einen gemeinsamen Ansatz.
Wird die Arbeitszeit notfalls bei der kommenden Herbstlohnrunde mitverhandelt?
Das glaube ich nicht. Das Thema ist zu wichtig, zu umfangreich und zu diffizil, um es in einer "normalen" KV-Runde mitzuverhandeln. Aber sollten die Arbeitgeber das so wollen, dann haben wir keine Angst davor.
Ein anderes Thema: Mittlerweile fordern auch große Teile der ÖVP eine Steuerreform 2015. Sehen Sie dafür eine Chance?
Es gibt eine gemeinsame Vorgangsweise der sozialdemokratischen Gewerkschaften und großer Teile der FCG (Fraktion Christlicher Gewerkschafter). Die Belastung ist enorm, das erste Mal in der Zweiten Republik überholen die Einnahmen aus der Lohnsteuer die Mehrwertsteuer. Wir können nicht bis zum St. Nimmerleinstag warten, sondern müssen rasch Maßnahmen zur Entlastung der Lohneinkommen umsetzen.
Der Spielraum im Budget ist null, wie soll diese Entlastung finanziert werden?
Die wesentliche Forderung ist für uns, eine vermögensbezogene Steuer und die Erbschaftssteuer einzuführen. Die Vermögenden draußen zu lassen, wäre in Wirklichkeit unsozial. Die Ersparnisse in Österreich verteilen sich immer ungleicher, die Reichen werden reicher.
Das will die ÖVP aber auf keinem Fall ...
Da müssen wir die ÖVP überzeugen, da wird ein Druck entstehen. Wichtige ÖVP-Funktionäre fordern ja schon eine Steuerreform.
Kommt durch Vermögensbesteuerung so viel Geld herein, dass sich eine nennenswerte Steuersenkung ausgeht?
Wenn man die Vermögen heranzieht, die in Österreich gebunkert sind und ordentliche Freibeträge einzieht, dann ist eine Entlastung der Lohneinkommen möglich, ohne dass es den wirklich Reichen wehtut.
Man könnte ja auch bei Ausgaben und Subventionen sparen.
Das könnte wie die Verwaltungsreform einiges bringen, aber erst nach einiger Zeit. Wobei aus Gewerkschaftssicht eine Verwaltungsreform, die nur die Köpfe reduziert, kein Weg ist.
Noch ein heikles Thema mit der ÖVP ist die Staatsholding ÖIAG, die reformiert werden soll. Da tut sich aber gar nichts ...
Da macht die ÖVP völlig zu, obwohl die Reform im Koalitionsabkommen vereinbart ist. Ich finde es absolut nicht o. k. wie die ÖVP da mauert. Was die ÖIAG selbst betrifft, gibt es ja das schlechte Beispiel, wie sie mit der wichtigen Beteiligung Telekom umgegangen ist. So etwas in dieser Form umzusetzen, ist absurd. Mit diesem Syndikatsvertrag hat man die industrielle Führerschaft abgegeben. Wir haben keine Arbeitsplatzgarantie, es gibt keine konkrete Zusage für Investitionen in Österreich. Und dann kündigt der ÖIAG-Vorstand an, er untersucht, ob er die Betriebsräte, die bei Aufsichtsratssitzung fehlten, nicht klagen soll. Das ist wirklich abstrus.
Der 58-jährige gelernte Elektriker war von 1984 bis 2009 Zentralbetriebsratschef der Salinen AG. 2009 wurde er Chef der Industriegewerkschaft Pro-Ge.
ArbeitszeitIm aktuellen Arbeitszeitmodell für die Metaller können 80 bzw. 120 Stunden mit 25 Prozent Zeitgutschrift auf einem Zeitkonto angespart werden und innerhalb von 12 Monaten ohne finanzielle Zuschläge in Freizeit abgegolten werden. Im neuen Modell kann sich die Pro-Ge die Durchrechnung von bis zu zwei Monaten Arbeitszeit über 2 x 24 Monate vorstellen.
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