Privatkonkurse: Neustart ohne strenge Auflagen

Vielen Haushalten steht das Wasser bis zum Hals
Gläubigerschützer warnen vor der Abschaffung der Mindestquote im Privatkonkursverfahren, Schuldnerberater fordern diese Änderung.

Rund 100.000 private Haushalte bzw. 300.000 Personen sind hierzulande heillos verschuldet. Aber nur 8100 Personen schafften es 2016 in ein Privatkonkurs-Verfahren zu kommen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Abwicklung ist, dass man ein Einkommen hat, mit dem man die Schuldenquote auch bedienen kann. Der Vorteil des gerichtlichen Prozedere liegt auf der Hand: Mit der Verfahrenseröffnung werden die (Verzugs-)Zinsen, die die Gläubiger aufschlagen, gestoppt und der Schuldenberg wächst nicht weiter.

Für die Bundesregierung ist die geringe Zahl dieser sogenannten Schuldenregulierungsverfahren Anlass, die Hürden für die Entschuldung privater Haushalte deutlich zu senken.

Derzeit gibt es für diese Pleitiers zwei Möglichkeiten. Erstens: Die Schuldner bieten ihren Gläubigern eine bestimmte Prozent-Quote an, die sie im Rahmen eines Zahlungsplans innerhalb von sieben Jahren zahlen wollen. Die Gläubiger müssen das Angebot absegnen. Detail am Rande: Ein insolventer Privater hat im Schnitt rund 59.000 Euro Schulden.

Zweitens: Die Schuldner kommen in ein Abschöpfungsverfahren und werden sieben Jahre lang bis auf das Existenzminimum (ohne Unterhaltspflichten) in Höhe von 892,30 Euro gepfändet. Am Ende müssen sie zehn Prozent der Schulden begleichen. Erst dann erhalten sie die sogenannte Restschuldbefreiung. Es gibt eine Ausnahme: Wer 50 Prozent seiner Schulden begleicht, dem erlässt man bereits nach drei Jahren die übrigen Schulden.

Unausgegorene Pläne

Die Regierung will nun die Mindestquote von zehn Prozent im Privatkonkurs ersatzlos streichen und die Dauer dieser Sanierungsverfahren auf drei Jahre verkürzen. Dagegen laufen die Gläubigerschutzverbände Sturm.

"Wir sind gegen die Abschaffung der Mindestquote, weil es dadurch keine Konsequenzen mehr gibt, wenn sich jemand überschuldet. Diese Schuldner schädigen aber alle, die brav und pünktlich bezahlen", sagt Gerhard Weinhofer vom Creditreform zum KURIER. "Es kann doch nicht sein, dass jemand bei Online-Händlern, Versandfirmen oder anderen Unternehmen auf Teufel komm raus Waren bestellt, obwohl er weiß, dass er die Raten dafür nicht bezahlen kann." Ein solches missbräuchliches Vorgehen, meint der Experte, soll nach den Plänen der Politik bald keine Sanktionen nach sich ziehen.

Keine Generalprävention mehr

"Der Schuldner muss in Zukunft nichts mehr zahlen", sagt Weinhofer. "Über die Verkürzung der Verfahren von sieben auf fünf Jahre kann man sicherlich reden." Dazu muss man wissen, dass 35 Prozent der Betroffenen aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Einkommensverschlechterungen in die Pleite schlittern. Rund 20 Prozent sind gescheiterte Selbstständige und Unternehmer, die auf einem Schuldenberg sitzen. Weitere 18 Prozent der Pleitiers waren im Umgang mit Geld "grob fahrlässig" und 13 Prozent hat die Scheidung in den Ruin geführt.

Schuldnerberatung

Clemens Mitterlehner vom Dachverband der staatlich anerkannten Schuldnerberatungen sagt, dass vor allem jene Gläubigerschutzverbände, die auch Inkassobüros betreiben, die Reform verteufeln. Sie fürchten um ihre lukrativen Einnahmen.

"Durch die Streichung der Mindestquote und die Verkürzung des Verfahrens wird es mehr Menschen ermöglicht, aus den Schulden wieder herauszukommen", sagt Mitterlehner. "Mehr Menschen werden dadurch wieder ein normales und anständiges Leben führen können." Auch künftig müssen sie das an die Gläubiger zahlen, was ihrer Einkommens- und Lebenssituation entspricht.

Wer trickst, kann auch schon jetzt bestraft werden. Mitterlehner sagte zum KURIER: "Wenn jemand seine Beschäftigung mutwillig beendet, damit er möglichst wenig zahlt, dann hat man heute schon die Möglichkeit, ihn aus dem Verfahren zu kicken und dieses ohne Entschuldung zu stoppen."

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