Privatkonkurs: Brave Zahler werden bestraft
Im Juli soll die Novelle des Privatkursverfahrens in Kraft treten, die für viel Diskussionsstoff sorgt. Künftig können sich Privatpleitiers statt nach sieben schon nach drei Jahren entschulden. Außerdem fällt die bisher verpflichtende Mindestquote von zehn Prozent weg. Über das Für und Wider diskutierten der Schuldnerberater Alexander Maly und Gläubigerschützer Gerhard Weinhofer von Creditreform.
KURIER: Herr Weinhofer, warum stemmen Sie sich so vehement gegen diese Novelle?
Gerhard Weinhofer: Bisher haben die Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichtet, wenn der Schuldner alles in seiner Macht Stehende nutzte, eine möglichst hohe Rückzahlung an die Gläubiger zu leisten. Künftig erhält ein Schuldner mit null Prozent die Restschuldbefreiung, die Gläubiger erleiden einen Totalverlust. Dem ungenierten Schuldenmachen wird nun Tür und Tor geöffnet.
Herr Maly, Sie sehen das anders?
Alexander Maly: Natürlich müssen Kredite zurückgezahlt und Rechnungen beglichen werden. Es kommen Menschen zu uns, die im Schnitt mit 40.000 Euro überschuldet sind bei 1200 Euro Einkommen. Die Schulden produzieren monatlich 400 Euro Zinsen und verdoppeln sich in fünf Jahren. Wenn es künftig leichter wird, wieder schuldenfrei zu werden, dann wird das eine positive Folgewirkung auf die Gläubiger haben. Sie werden gezwungen, genauer zu schauen, was mit ihrem verborgten Geld finanziert wird.
Weinhofer: Die braven Zahler werden künftig bestraft, weil die Kredite durch die Novelle teurer werden. Ganz normale Unternehmen, wie Handwerker, können sich die Kunden nicht aussuchen und zahlen drauf. Sie bleiben auf unbezahlten Rechnungen sitzen. Die Mehrheit gibt mehr Geld aus, als sie im Geldbörserl hat.
Wer ist Ihre Hauptkundschaft?
Maly: Zwischen 18 und 25 Jahren werden die dümmsten Schulden gemacht. Wir sind aber nicht dafür, dass man jedem Deppen seinen Wunschtraum finanziert.
Vergeben die Banken zu leichtfertig Kredite?
Weinhofer: Das glaube ich nicht. Aber man sollte den Schuldner vor sich selbst und den Gläubiger vor einem Forderungsverlust schützen. Die neue Datenschutzverordnung sorgt dafür, dass wir keine bonitätsrelevanten Informationen über private Personen erhalten. Wir fordern, dass das gerichtliche Exekutionsregister wie in Deutschland zu einem öffentlichen Schuldenregister wird und die Gläubiger sich informieren können.
Was halten Sie davon?
Maly: Ich habe nichts gegen das Datensammeln. Es muss allerdings besser gemacht werden als bisher. Wir stellen immer wieder fest, dass Daten in der sogenannten Kleinkrediteevidenz der Banken nicht stimmen oder veraltet sind. Ein Register sollte einfach zu handhaben sein und man sollte falsche Daten berichtigen können.
Creditreform betreibt auch ein Inkassobüro. Fürchten Sie um Umsätze?
Maly: Die Inkassokosten sind ein großes Thema, das einer generellen Regelung bedarf. Es gibt internationale Inkassofirmen, die sich an nichts halten. Inkassobüros halte ich dort für notwendig, wo Menschen nicht überschuldet sind, sondern zu faul sind, Rechnungen zu zahlen oder nicht zahlen wollen und Fristen überreizen. Bei einem Überschuldeten ist ein Inkasso völlig sinnlos.
Weinhofer: Hätten wir eine Bonitätsdatenbank für Private, wie wir es sie für Unternehmen haben, wüssten wir, dass der eine oder der andere schon überschuldet ist.
Einig sind Sie sich aber bei der Verfahrenskürzung?
Weinhofer: Aus volkswirtschaftlichen Gründen sind wir für eine Verkürzung, weil der Schuldner dann schneller wieder ins Wirtschaftssystem integriert wird, wieder Steuern zahlt und konsumieren kann.
Entsteht durch Nullquoten ein volkswirtschaftlicher Schaden?
Maly: Im Gegenteil, die Leute werden künftig nicht in die Schwarzarbeit ausweichen und im Job wieder Aufstiegschancen haben. Jemand, der lohngepfändet wird, hat keine Aufstiegschancen. Wir haben jetzt aber die Situation, dass die Hälfte der überschuldeten Menschen, die wir als Schuldnerberater in ein Privatkonkursverfahren führen, kein pfändbares Einkommen haben. Sie zahlen trotzdem etwas, um die Zehn-Prozent-Hürde zu erreichen. Das wird in der Praxis mit der Familienbeihilfe bezahlt. Die Transferleistung ist dafür aber nicht gedacht.
Zur Person:
Alexander Maly: Seit dem Jahr 1988 ist der renommierte Experte bei der Schuldnerberatung Wien tätig, seit 2006 ist er auch deren Geschäftsführer. Er berät jährlich rund 600 Privatpersonen, damit sie aus der Schuldenmisere
wieder herauskommen.
Gerhard Weinhofer: Der studierte Jurist ist seit 2005 beim Wirtschaftsinformations- Dienstleister Creditreform in Wien tätig und leitet als ausgewiesener Insolvenzexperte die Gläubigerschutzabteilung. Mit seinem Mitarbeiterstab betreut er rund 12.000 Gläubiger pro Jahr.
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