Primark-Chef: "Ich mag den Begriff Fast Fashion nicht"
Jeans unter 20 Euro, T-Shirts um 5 Euro oder Mäntel ab 35 Euro. Mit günstiger Kleidung für alle Alterschichten ist der irische Modediskonter Primark groß geworden und mittlerweile in 17 Märkten in Europa und Nordamerika vertreten.
Das vor 55 Jahern als Teil des britischen Lebensmittelkonzerns AB Foods gegründete Unternehmen setzt ausschließlich auf das Filialgeschäft. Von der zuletzt stark gewachsenen Online-Konkurrenz aus China zeigt sich Primark-Chef Paul Marchant im Gespräch mit dem KURIER wenig beeindruckt.
Gegründet wurde Primark 1969 in Dublin unter dem Namen Penneys. Weil die Namensrechte in anderen Ländern vergeben waren, expandierte man als Primark.
Heute zählt Primark 453 Filialen. 5 davon in Österreich: In Innsbruck, Pasching bei Linz, Graz, Gerasdorf und Vörsendorf (SCS).
9,5Mrd. Pfund (11,4 Mrd. Euro) hat Primark im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023/24 umgesetzt. 1,1 Mrd. Pfund (1,3 Mrd. Euro) betrug der Jahresgewinn.
KURIER: In Österreich klagt der Handel über die billige Online-Konkurrenz aus China. Haben Sie auch mit Shein und Temu zu kämpfen?
Paul Marchant: Der Wettbewerb entwickelt sich weiter. Wenn wir uns den stationären Handel und den Online-Handel in den letzten 15 Jahren ansehen, sehen wir viele Veränderungen. Natürlich beobachten wir die Konkurrenz, aber wir konzentrieren uns auf das, was wir tun. Wenn wir das richtige Produkt, den richtigen Preis und die richtige Qualität bieten, dann gewinnen wir.
Im vergangenen Jahr haben Sie gut verdient. Welche Rolle hat die hohe Inflation gespielt?
Die Inflation hat auch unsere Kosten belastet, aber wir konnten wettbewerbsfähige Preise bieten. Wir haben im abgelaufenen Geschäftsjahr weltweit 22 neue Filialen eröffnet und wollen weiterwachsen. Wir sehen noch viele Möglichkeiten zur Expansion.
Auch in Österreich?
Derzeit haben wir in Österreich keine Expansionspläne. Wenn sich ein guter Standort ergibt, könnten wir das aber in Betracht ziehen.
Wie läuft Ihr Österreich-Geschäft?
Wir sind sehr zufrieden und auch für die Zukunft optimistisch.
Mit dem Weihnachtsgeschäft sind Sie zufrieden?
Unsere Weihnachtsprodukte – Pullis und Dekorationen – entwickeln sich gut. Die Kunden kaufen sie heuer früher. Ich vermute, weil sie sich aufmuntern wollen. Wir sehen Weihnachten sehr positiv entgegen.
Den Online-Handel verweigern Sie noch immer. Warum?
Das ist vor allem eine finanzielle Entscheidung. Unsere Margen sind nicht so hoch, dass wir zusätzliche Kosten tragen könnten. Im Online-Handel gibt es viele Retouren. Der stationäre Handel passt besser zu uns. Ich sehe uns dennoch als digitales Unternehmen.
Inwiefern?
Wir werden immer mehr zu einem digital erweiterten Geschäft. Unsere Website ist gut besucht. Kunden können dort sehen, ob die Waren in den Filialen vorrätig sind. Das bringt sie in die Läden. In Großbritannien haben wir in einigen Filialen Click&Collect gestartet. Das läuft sehr gut. Kunden können online bestellen. Wenn Sie die Ware abholen, nehmen sie oft noch etwas mit. Auch die Retouren sind im Vergleich zum Online-Handel gering. Wir wollen das auch in anderen Ländern anbieten.
Gesteuert wird die Maschinerie des Modekonzerns aus der Zentrale des Unternehmens in Dublin. Über dem ersten Geschäft des Unternehmens in der Mary Street im Zentrum der irischen Hauptstadt werden auf 5 Stockwerken zwischen vollbehängten Kleiderständern und dieKollektionen geplant und die Einkäufe koordiniert.
"Wir kaufen für alle Märkte zentral ein, normalerweise zwei Jahre im Voraus", sagt Lisa Shannon, die bei Primark das Filialgeschäft verantwortet. Das helfe dabei, bessere Preise zu bekommen. Ermöglicht wird das auch, weil die Hälfte des Sortiments aus sogenannten Essentials oder Basiscs, also etwa T-Shirts, Socken oder Jeans besteht. Mit dem Entwurf neuer Kollektionen beginnt man in der Regel zwölf Monate vor dem Verkaufsstart.
Im Schnitt betrage der Lebenszyklus eines Kleidungsstückes in den Geschäften des Modediskonters 7,5 Monate, sagt Mary Lucas, die bei Primark für Damenmode zuständig ist. Die macht rund 50 Prozent des Geschäftes der Kette aus. Besonders stark punktet man bei Frauen zwischen 25 und 40. „Das ist unser Sweetspot“, sagt Lucas. Der Rest verteilt sich auf Herren- und Kinder mode (jeweils 20 Prozent) sowie Heimtextilien und Wohnaccessoires (10 Prozent).
Wichtig für die Kette sind auch Kollaborationen, etwa mit der Sängerin Rita Ora, aber auch mit dem Unterhaltungskonzern Disney oder Netflix. Auch mit dem Sportartikelhersteller Kappa arbeitet man zusammen. Um schnell auf Trends reagieren zu können oder vergriffene Produkte rasch nachproduzieren zu können, werden Produktionskapazitäten freigehalten. "Die kürzeste Zeit sind 10 Wochen", sagt Gavin Daniels, der den Bereich Kindermode verantwortet.
Mit Fast Fashion wollen Sie nicht in Zusammenhang gebracht werden?
Ich mag den Begriff Fast Fashion nicht. Er hat viele negative Assoziationen und wird unserem Geschäftsmodell nicht gerecht. Der Großteil unserer Waren hat lange Vorlaufzeiten. Da ist nichts schnell daran. Fast Fashion wird auch mit minderer Qualität in Zusammenhang gebracht. Wir haben hart daran gearbeitet, damit unsere Produkte lange halten.
Ihr Sortiment ändert sich häufig.
Wir bringen ständig neue Waren, weil die Kunden Neues sehen wollen. Weil sich Trends und auch das Wetter ändern. Wir haben auch Ostern, Halloween oder Weihnachten. Vieles planen wir Monate im Voraus.
Die Modeindustrie hat ein schlechtes Image, was die Nachhaltigkeit betrifft. Auch Primark scheint in Rankings im hinteren Feld auf.
Bei solchen Rankings werden unterschiedliche Kriterien angelegt. In einigen sind wir schlechter, in anderen besser platziert. Wir geben uns Mühe, mehr zu machen.
Wie auch andere Modeketten steht Primark in der Kritik von Umweltschützern. Das Unternehmen verweist auf zahlreiche Initiativen, die in den vergangenen Jahren eingeleitet wurden. Etwa das Primark Cotton Project, das Baumwollbauern dabei helfen soll, Anbaubedingungen zu verbessern und den Einsatz von Chemikalien zu reduzieren.
Es ist Teil des Programms Primark Cares, bei dem auch an der Langlebigkeit und Kreislauffähigkeit der Produkte gearbeitet wird. Bis 2027 will man alle Kleidungsstücke so entwerfen, dass sie recycelt werden können. Bis 2030 soll das gesamte Sortiment aus recycelten oder nachhaltigen Materialien bestehen. Noch ist man davon weit entfernt, wie der zuletzt veröffentlichte Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens zeigt.
Umweltschützer, darunter Greenpeace, bemängeln, dass als nachhaltig gekennzeichnete Produkte nicht von einer unabhängigen Stelle überprüft und das Materialmengen und -arten nicht detailliert offengelegt werden. „Es braucht Zeit“, sagt Primark-Cares-Leiterin Lynn Walker.
Wie spüren Sie das EU-Lieferkettengesetz?
Wir begrüßen es, weil es gleiche Spielregeln für alle schafft. Jeder, auch die Sheins dieser Welt, müssen sich daran halten und Daten veröffentlichen. Das schafft Transparenz. Wir sind überzeugt, dass wir uns von der Konkurrenz positiv abheben.
Viele Firmen klagen über die Bürokratie in der EU.
Wir kämpfen auch mit dem Ausmaß der Bürokratie. Wir sind in vielen Märkten aktiv. Wenn es in jedem Land zusätzlich eigene Regeln gibt, wird es zeitaufwendig und ineffizient.
In den USA expandieren Sie stark. Der künftige Präsident, Donald Trump, hat Importzölle angekündigt. Wie wird sich das auf ihr Geschäft auswirken?
Keiner von uns hat eine Kristallkugel. Wir wissen nicht, was kommen wird. Wir müssen sicherstellen, dass wir schnell darauf reagieren können. Wenn die Importzölle erhöht werden, ist jeder in unserer Branche gleichermaßen davon betroffen. Letztlich werden die Kunden darunter leiden.
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