EU-Lieferkettengesetz geht an den Start: Droht Firmen eine Flut an Klagen?

EU-Lieferkettengesetz geht an den Start: Droht Firmen eine Flut an Klagen?
Das umstrittene Lieferkettengesetz der EU geht an den Start. Entschärft und mit langen Übergangsfristen könnte es trotzdem harte Konsequenzen für Unternehmen haben

Kinderarbeit in Bangladesch, Zwangsarbeit in China, illegale Urwaldrodungen in Lateinamerika: Nur ein paar Beispiele für die manchmal erschreckenden Bedingungen, unter denen Produkte für den europäischen Markt und im Auftrag europäischer Firmen hergestellt werden. Für diese Bedingungen sollen in Zukunft zumindest die Großen unter diesen Unternehmen verantwortlich gemacht werden: Durch behördliche Sanktionen und Strafen und zuletzt auch vor Gericht, durch die Klagen von Betroffenen. Das ist – in aller Kürze – der Inhalt des EU-Lieferkettengesetzes, das am Freitag in Brüssel endgültig abgesegnet wurde und damit in Kraft tritt.

Übergangsfristen

Schlagend wird das Ganze für die Unternehmen in den einzelnen EU-Staaten erst, wenn die es auch zum nationalen Gesetz gemacht haben. Das kann bis zu zwei Jahre dauern. Danach gibt es erst einmal großzügige Übergangsfristen. Nach drei Jahren gilt es nur für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern, nach fünf Jahren erst sind es dann Firmen mit mehr als 1.000 Angestellten und mehr als 450 Millionen Jahresumsatz.

Weniger als ein Prozent betroffen

Zwar sind damit deutlich weniger als ein Prozent der heimischen Unternehmen betroffen, die Wirtschaftskammer sieht trotzdem auch ein Problem für kleinere Zulieferer, die ja den Abnehmern saubere Lieferketten garantieren müssen.

Österreichs Wirtschaftsminister Martin Kocher hatte sich deshalb bis zuletzt in Brüssel gegen das Gesetz gestellt. Er sieht aufwendige Berichte und Dokumentationen auf die Firmen zukommen.

Unternehmen müssen Missstände melden

Grundsätzlich müssen die Unternehmen einmal entdeckte Missstände melden und danach innerhalb gewisser Fristen beseitigen. Tun sie das nicht, oder gibt es einen schwerwiegenden Verdacht auf Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht, können staatliche Behörden Untersuchungen des Falles einleiten und Strafen von bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes verhängen. Welche Behörde das zuletzt übernimmt, muss in Österreich erst im Detail geklärt werden.

Schwerer zu kalkulieren für die Unternehmer wird das Risiko von Klagen durch Betroffene, also etwa Arbeiter einer Firma in einem Entwicklungsland, die dort unter unmenschlichen Bedingungen Produkte für Abnehmer in der EU hergestellt haben.

Prozesse in der EU

Anders als etwa das bereits gültige deutsche Lieferkettengesetz, sieht die EU ganz ausdrücklich die Möglichkeit vor, diese Klagen vor ein Gericht in der EU zu bringen. Anwaltskanzleien warnen daher vor einer möglichen Flut von Klagen auf Schadenersatz, also etwa für Umweltschäden in einer Region, oder aber für Verletzungen der Menschenrechte.

Betroffene könnten sich auch einer Sammelklage durch eine Menschenrechtsorganisation anschließen. „Diese Verfahren werden vor einem Gericht in Österreich ausgetragen“, betont die Chefverhandlerin des EU-Parlaments, die Niederländerin Lara Wolters: „Klar ist auf jeden Fall: Am Ende ist die Firma in der EU verantwortlich.“

Kommentare