Brieflose Zeiten als Schuldenfalle

"Wir machen uns hauptsächlich Gedanken, wie wir Gelder verteilen, aber immer weniger, wie man sie verdienen kann", kritisiert Georg Pölzl.
Georg Pölzl warnt vor Rechnungen per E-Mail und sorgt sich um den Wirtschaftsstandort.

KURIER: Viele Manager beklagen, dass die Politik mit ihnen nicht kommuniziert. Redet die Politik mit Ihnen?

Georg Pölzl: Ich kann mich nicht beklagen, wir haben ein gutes Gesprächsverhältnis. Sorgen mache ich mir aber um den Wirtschaftsstandort. Österreich als kleines Land ist von Ausbildung und Innovation abhängig. Ich glaube, wir lassen die Dinge da zu sehr schleifen, vor allem im universitären Bereich. Wobei ich die Kombination aus Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium nicht kritisch sehe. Die Wirtschaft sollte die Universitäten noch stärker unterstützen.

Nimmt die Wirtschaftsfeindlichkeit insgesamt zu?

Ja, nicht nur bei uns, auch zum Beispiel in Deutschland. Wir machen uns hauptsächlich Gedanken, wie wir Gelder verteilen, aber immer weniger, wie man sie verdienen kann. Ich wünsche mir weniger Staat und viel mehr Leistungsorientierung. Einkommen muss in Relation zur Leistung stehen.

Was wird die Post tun, wenn niemand mehr einen Brief verschickt?

Das geschriebene Wort hat Zukunft. 70 Prozent der Menschen wollen Dokumente, auch Rechnungen, schriftlich haben.

Je jünger, desto kleiner wird der Wunsch danach.

Ja, aber selbst bei den Jungen will das noch eine relativ hohe Anzahl. Durch den Entfall von Rechnungen geht Transparenz verloren. Wenn die erste schriftliche Rechnung die zweite Mahnung ist, dann ist das schlecht für die Kostendisziplin und kann bei Ärmeren direkt in die Schuldenfalle führen.

Kompensiert der Pakete-Zuwachs das Minus an Briefen?

Nein, wir machen im Paket nur 15 Prozent des Umsatzes, den wir beim Brief haben. Brief ist unser Kerngeschäft, auch wenn es rückläufig ist. Wir haben die Aufgabe, diesen Rückgang zu bremsen – über Service, aber auch über neue Produkte. Wir müssen das Unternehmen anpassen.

Heißt Downsizen, bis man bei null ist?

Das werden wir auf absehbare Zeit nicht erleben.

Die Dividende der Aktie ist gut, an der hohen Ausschüttung gibt es aber Kritik.

Ein profitables Unternehmen kann sich Gott sei Dank eine Dividende leisten. Die Post macht 2,4 Milliarden Euro Umsatz, hat ein Ergebnis von 180 Millionen, die Dividende beträgt 128 Millionen. Aber stellen Sie das mal in Relation zu unserer Steuerlast: 600 Millionen! Wir stecken trotzdem pro Jahr 100 Millionen in die Firmen-Substanz. Unsere gesamten Personalkosten plus Sozialleistungen belaufen sich übrigens auf eine Milliarde Euro.

Ihre Postler beklagen eine extrem verschärfte Arbeitssituation, die Fläche der Zustellgebiete habe sich verdoppelt.

Das ist eine glatte Lüge! Wir haben im Oktober Gewerkschaftswahl und es gibt zwei annähernd gleich starke Fraktionen, die um ihre Daseinsberechtigung kämpfen.

Um wie viel wurden die Rayons wirklich größer?

Wir sprechen hier von jährlichen Anpassungen von ein, drei, fünf Prozent. Die Rayons werden größer, weil es ja Mengenrückgänge auszugleichen gilt. Wir haben pro Jahr etwa 150 Millionen Stück Briefsendungen weniger.

Nehmen Sie trotz Sparkurs Mitarbeiter auf?

Wir stellen im Jahr etwa 2000 Mitarbeiter an.

Und wann wird der letzte Pragmatisierte die Post verlassen?

Wahrscheinlich um 2040.

Werden die Warteschlangen in der Post länger?

Dieser Vorwurf stimmt überhaupt nicht, wir werden beim Service messbar besser.

Aber drei Viertel aller Postämter wurden geschlossen, klagen Ihre Standesvertreter.

Als ich 2009 ins Unternehmen kam, hatten wir 1560 Postgeschäftsstellen, davon ca. 250 Postpartner. Heute haben wir knapp 1900 Postgeschäftsstellen, davon 1360 Postpartner. Dort haben wir zum Teil wesentlich bessere Öffnungszeiten als bisher.

Die deutsche Post verkauft seit dieser Woche Postempfangsboxen für private Haushalte.

Das haben sie uns abgekupfert, darauf sind wir stolz. Wir haben schon mehr als 6000 Postempfangsboxen und erreichen damit rund 120.000 Haushalte. Mit Jahresende werden es 8000 sein. Außerdem werden wir noch mehr rund um die Uhr geöffnete Selbstbedienungszonen mit Abholstationen errichten. Bisher gibt es 40, zu Jahresende 100.

Der Rechnungshof hat scharf kritisiert, dass das durchschnittliche Pensionsantrittsalter in der Post bei 55,6 Jahren liegt und jeder zweite wegen Dienstunfähigkeit in Pension geht. Ist der Job so hart oder wollen Sie die Leute so gern früh loswerden?

Zusteller fangen jung an und haben lange Dienstzeiten. Die Berufsunfähigkeit wird von Ärzten festgestellt, da haben wir keinen Einfluss.

Versuchen Sie denn, die Leute länger im Job zu halten?

Ja, wir haben Gesundheitsprogramme, aber die Briefzustellung ist natürlich ein Job, wo Gewichte und Distanzen im Freien zu bewältigen sind.

Gibt es zu wenig vernünftige Altersteilzeitmodelle?

Das ist kein Post-, sondern ein gesellschaftspolitisches Problem. Wir brauchen Modelle mit reduzierter Arbeitsleistung, aber natürlich auch mit daran angepasstem reduzierten Gehalt. Da sind wir jederzeit zu Gesprächen bereit.

Die ÖIAG hält noch 52 Prozent an der Post. Was halten Sie von weiterer Privatisierung?

Das ist eine Entscheidung des Eigentümers.

Ist Lebensmittelzustellung auch irgendwann Thema?

Wir testen das in Wien und Linz, zum Beispiel für die Firma kochabo.

Testen Sie auch Drohnen wie – angeblich – Amazon?

Das war der beste PR-Coup, den ich je gesehen habe, mich hat der Neid gefressen!

Wo bleibt die Post-Drohne?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das im besiedelten Gebiet funktioniert – von der Sicherheit und den Kosten her.

Wie macht man aus möglicherweise unfreundlichen Postlern freundliche Postler?

Das ist eine Führungssache, wir denken aber auch über Prämien nach. Der überwiegende Teil unserer Mitarbeiter war aber immer für die Kunden da. Die Leute lieben vor allem ihre Zusteller.

Seit 2009 ist der gebürtige Steirer Vorstandsvorsitzender der Post. Davor arbeitete er mehr als zehn Jahre lang in der Telekommunikationsbranche, zuletzt als Boss von T-Mobile Deutschland.

Seine berufliche Laufbahn startete Pölzl (geb. 1957) nach dem Studium an der Montanuni Leoben als Berater bei McKinsey. Mit "seinen" Gewerkschaften focht Pölzl bereits diverse Sträuße aus. Sie kritisieren u. a. zu hohe Dividenden. Die Post-Aktie ist keine Rakete, aber solide.

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