Pharmahändler warnen: Medikamentenmangel spitzt sich zu

Medikamente - Antibiotika
Antibiotika werden kontingentiert, eine Besserung der Lage ist vorerst nicht in Sicht. Die Grippewelle ist nur ein Grund für die akuten Engpässe.

Wer über die Feiertage mit Grippe darniederliegt und Medikamente benötigt, sollte rechtzeitig vorgesorgt haben. Weil so viele Menschen auf einmal erkranken, sind derzeit viele Fiebersenker, Erkältungs- und Halswehmittel und vor allem Antibiotika vergriffen. Wenn die Grippewelle nicht jäh abflaut, erwartet der Pharmagroßhandel für Jänner eine weitere Verschlechterung der Versorgungslage. Mit der Kontingentierung von Antibiotika wurde bereits begonnen. Der KURIER fasst die wichtigsten Fragen zusammen.

Was bedeutet die Kontingentierung?

Kurz gesagt: Nicht jede Apotheke bekommt die bestellte Menge. "Wir müssen zuteilen, um lieferfähig zu bleiben", sagt Andreas Windischbauer, Präsident des Verbands der Arzneimittelgroßhändler (Phago).

Wie viele Arzneimittel sind nicht verfügbar?
Laut Vertriebseinschränkungs-Register der AGES sind aktuell 514 Arzneimittel nicht oder eingeschränkt lieferbar. "Die Liste ist nicht aktuell, es werden etwa 1.000 Produkte sein, die wir in den nächsten Wochen nicht liefern können", sagt Windischbauer. Betroffen sind Antibiotika Amoxicillin/Penicillin, aber auch viele "Blockbuster" bei den Husten- und Grippe-Mitteln.

Welche bekannten Produkte sind darunter?

Laut Register ist etwa das Schmerzmittel Parkemed knapp. "Das Antibiotikum Ospen – das Medikament erster Wahl gegen Streptokokken, die Erreger von Scharlach – ist als Saft für Kinder aus, ebenso das Antibiotikum Ceclor", sagt die Wiener Kinderärztin Daniela Kasparek. Die meisten Kinder würden nur Säfte wollen, aber keine Tabletten. Knapp oder gar nicht mehr lieferbar sind auch Fentrinol Nasentropfen. Der zweite große Engpass betrifft Inhalationspräparate bei Bronchitis, vor allem derzeit als Folge einer RSV-Infektion, "das Cortison genauso wie das Sultanol", sagt der Wiener Kinderarzt Peter Voitl. Bei vergriffenen Fiebersenkern gibt es meist noch Alternativpräparate. Die Apotheken sind bemüht, sich gegenseitig auszuhelfen.

Was sind die Gründe für die Lieferengpässe?

Die Grippewelle, die heuer ungewöhnlich heftig über ganz Europa schwappt, hat den Bedarf sprunghaft erhöht. Schon im Herbst war die Nachfrage 40 bis 50 Prozent höher als im Vorjahr. Die Logistik kann da nicht mithalten. Zweiter, schon länger bekannter Grund ist der Preiswettbewerb auf dem Generika-Markt, der zur Konzentration der Wirkstoff-Produktion in Fernost geführt hat. China und Indien produzieren heute mehr als zwei Drittel der Antibiotika-Wirkstoffe. China könnte die Lage verschärfen und laut Medienberichten ob der wieder steigenden Corona-Infektionen im eigenen Land die Ausfuhr insbesondere von Paracetamol und Ibuprofen drosseln oder ganz einstellen.

Wie geht es jetzt weiter?

In den Spitälern ist die Behandlung bisher gesichert. "Bis jetzt ist es bei allen Erkrankungsfällen möglich, fehlende Medikamente durch gut geeignete Alternativpräparate zu ersetzen", heißt es beim Wiener Gesundheitsverbund. Bei fehlenden Kinderarzneimitteln versuchen die Pharmagroßhändler derzeit, noch verfügbare Wirkstoffe nach Österreich zu holen, damit sie in einigen Apotheken direkt zu Arzneien weiterverarbeitet werden. Windischbauer warnt vor Hamsterkäufen, diese seien "Gift" in der aktuell angespannten Lage.

Was kann die Politik tun?

Der Ruf nach einem Eingriff in den Arzneimittelmarkt wird lauter. In Deutschland werden die Preisregeln für Kinderarzneien gelockert, damit sich die Herstellung für die Pharmaindustrie wieder lohnt. In Österreich wird u. a. eine Vorratshaltung für den Krisenfall gefordert. "Es bräuchte für Epidemiespitzen ein nationales Lager mit den zumindest 20 wichtigsten Medikamenten", sagt Voitl: "Inhalationspräparate, Antibiotika und fiebersenkende Wirkstoffe."

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