Im belgischen Ort Puurs nahe der Hauptstadt Brüssel laufen im Impfstoff-Werk von Pfizer derzeit täglich tausende winzige Glasfläschchen über ein Fließband. Der Inhalt der Dosen wird sehnlichst erwartet: Es handelt sich um den Corona-Impfstoff BNT162b2. Der von Pfizer und der deutschen Biotech-Firma BioNtech entwickelte Impfstoff absolvierte kürzlich eine für die Zulassung entscheidende Studienphase. Demnach bietet er einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19.
Robin Rumler, Geschäftsführer der Pfizer Corporation Austria, ist optimistisch, dass die letzten Zulassungs-Hürden rasch genommen werden und der Impfstoff gegen Covid-19 früher als bisher erwartet auch in Österreich verfügbar ist: „Wenn alles so läuft wie geplant, könnte es noch zu einer EU-weiten Zulassung im Dezember oder Jänner kommen“, sagt der Pfizer-Chef im KURIER-Interview. „Wir produzieren diesen Impfstoff auf Hochtouren, um dann in weiterer Folge sofort den Impfprozess starten zu können.“ Sobald die – beschleunigte – Zulassung durch die EU-Arzneimittelagentur EMA da sei, könne mit der Auslieferung begonnen werden. „Unser Ziel ist ein Impfstoff, der sicher, hoch qualitativ und lieferbar ist.“
4 Mio. für Österreich
Die EU schloss Anfang November mit BioNTech/Pfizer einen Vertrag über 200 Millionen Impfstoff-Dosen mit einer Option auf weitere 100 Millionen für Europa ab. Zwei Prozent, das wären ca. 4 Millionen, davon für Österreich. Jeder brauche zwei Impfungen, um ausreichend geschützt zu sein. Die Dosen würden daher für zwei Millionen Österreicher reichen, so Rumler. Es gäbe eine Option für eine weitere Million: „Diese Art der Verträge geben uns eine gewisse Planbarkeit.“ Freilich würde nicht die gesamte Österreich-Bestellung „auf einen Schlag“ daherkommen, so der Pfizer-Chef, das wäre logistisch nicht machbar. Generell liegt der Prozess federführend bei der EU.
Das in Belgien produzierte Vakzin wird nicht in Fertigspritzen abgefüllt, sondern in Dosen an diverse Impfzentren geliefert, wo sie in Spritzen abgefüllt und verabreicht werden sollen. Rumler appelliert an die zuständigen Stellen, das Impfprozedere – also wer, wann, wo geimpft werden soll – rechtzeitig aufzusetzen. Einen Preis für den Impfstoff kann Rumler noch nicht nennen. „Es laufen die Verhandlungen mit der EU. Ich gehe nicht davon aus, dass sich hier jemand eine goldene Nase verdient.“ Die Bürger in Österreich sollen die Impfung jedenfalls kostenlos erhalten. Eine generelle Impfpflicht lehnt der Pfizer-Chef ab. Besser sei es, die Bevölkerung von der Wichtigkeit einer Schutzimpfung zu überzeugen.
Austro-Produktion?
Aktuell wird der Corona-Impfstoff für die EU zentral im Pfizer-Impfstoffzentrum in Belgien sowie zu einem kleineren Teil bei BioNtech in Deutschland vorproduziert. Branchengerüchte, wonach auch im Pfizer-Impfstoffwerk in Orth an der Donau/NÖ der neue Covid-19-Impfstoff hergestellt werden soll, bestätigt Rumler nicht. „Es wird in Orth weder getestet noch produziert werden.“ Er gibt zu bedenken: Die FSME-Impfstoff-Produktion in Orth sei zwar hocheffektiv, für den neuen Corona-Impfstoff brauche es aber ganz andere Rahmenbedingungen bezüglich technischer Anlagen und Logistik.
„Letztlich geht es bei Covid-19 um die Frage: Wo kann ich eine große Menge Impfstoff rasch und effektiv produzieren?“ Da kann Orth mit dem belgischen Großstandort Puurs mit einer Kapazität von mehr als 100 Millionen Dosen nicht mithalten.
Pfizer weltweit
Der zweitgrößte Pharmakonzern der Welt hinter Roche erforscht, entwickelt und vertreibt Arzneimittel und Impfstoffe zur Behandlung oder Vorbeugung von Krankheiten wie Krebs, Rheuma oder Schmerz. Das Unternehmen mit Hauptsitz in New York beschäftigt 90.000 Mitarbeiter und erzielte 2019 einen Umsatz von 51,8 Mrd. Euro. In Europa gibt es 46 Produktionsstätten
Pfizer Österreich
In Österreich beschäftigt Pfizer derzeit rund 500 Mitarbeiter, jeweils die Hälfte davon in Wien und im Werk Orth an der Donau/NÖ. Robin Rumler (57), studierter Mediziner, ist seit 2009 Geschäftsführer der
Pfizer Corp. Austria GmbH
Erweiterung in Orth
Dennoch wird das Werk in Niederösterreich weiter ausgebaut. Um 50 Millionen Euro entsteht ein neues Qualitätssicherungszentrum für Impfstoffe. „Wir werden in Österreich auch die Qualitätskontrolle für andere Pfizer-Impfstoffe vornehmen“, so Rumler, der sich generell mehr Pharma-Produktion in Österreich wünscht. Dazu bräuchte es aber wie in Skandinavien ein stärkeres politisches Bekenntnis samt entsprechender Standortpolitik.
Das Geschäft von Pfizer in Österreich lief im Corona-Jahr bisher gut. „Wir zählen nicht zu den Verlieren, sind aber auch keine Gewinnerbranche“, sagt Rumler. Er verweist auf die vielen verschobenen Operationen und Therapien, wodurch in den Spitälern auch weniger Medikamente gebraucht wurden. Den Begehrlichkeiten der Politik, nach Ende der Corona-Pandemie die Pharmabranche zur Sanierung der maroden Krankenkassen stärker zur Kasse zu bitten, kann er wenig abgewinnen. Die Medikamentenpreise in Österreich seien stabil und würden lediglich 13 Prozent der Kosten im Gesundheitssystem ausmachen.
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