Petritsch: "Griechische Verwaltung trägt Züge eines Entwicklungslandes"
Griechenland ist "reformunfähig", sagt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Österreichs OECD-Botschafter Wolfgang Petritsch sagt über ...
... den Griechenland-Befund Erstmals hat die OECD systematisch untersucht und belegt, was in der Verwaltung und im Regierungsapparat nicht funktioniert und das Land hindert voranzukommen.
... die Hürden für Athen Es fehlen wichtige institutionelle Voraussetzungen, um Reformen umzusetzen. Das Steuersystem ist ineffizient, die öffentliche Verwaltung trägt laut Experten Züge eines Entwicklungslandes, kurz es hapert an moderner öffentlicher Verwaltung. Es bedarf jedenfalls dringend eines Know how-Transfers für ein effizientes Public Service. Die OECD besitzt dieses Wissen und auch die entsprechenden Experten.
... Jugendarbeitslosigkeit Die OECD weist ständig auf das Krisenphänomen Jugendarbeitslosigkeit hin und nennt dabei Österreich als vorbildlich. Die EU darf diese soziale Herausforderung nicht scheuen. Zu den nötigen Strukturreformen – Going structural – fordert die OECD ein Going social ein. Das ist eine Wende in der bisherigen neoliberalen OECD-Politik. Dies bestätigt die jüngste Studie, wonach Ungleichheit in allen Mitgliedsländern zunimmt. Fazit: Gesellschaftliche Ungleichheit steigt. Das behindert Wachstum.
... Wende in der OECD-Politik Die Krise hat ein Umdenken eingeleitet. Der Markt macht alles und alles richtig, ist nicht mehr oberstes Dogma. In der Krise kommt den Staaten eine viel aktivere Rolle zu, der Regulierungsbedarf steigt, bessere Planung und punktgenaue Strukturreformen, die verhindern, dass die Gesellschaft auseinander bricht, mit all den Folgen für soziale Sicherheit und Wohlstand.
... staatliches Handeln
Das ist wieder gefragt, wenn es um Wachstum geht: Bildung, Wissenschaft, Forschung, Innovation, Green Growth und Nachhaltigkeit – in diese Bereiche soll Geld fließen. Der Kurs heißt: Intelligent Sparen und produktiv Investieren.
... EU-Sparpolitik Die OECD kritisiert, dass die Sparpolitik nicht koordiniert wird; wenn alle sparen, wer investiert, wer kauft dann noch was? Die EU-Länder sollen sich auch nicht von Ratingagenturen schikanieren lassen. Diese argumentieren pro-zyklisch, wirken als Trend-Verstärker – vor der Krise nach oben, jetzt ins Negative.
... Wachstum und Beschäftigung Die EU ist schon in die Krise geschwächt hineingegangen. Die OECD bedauert, dass die EU in der Krise nicht als Union handelt, dazu fehlten noch wichtige Integrationsschritte, die rasch nachgeholt werden sollen. Für die OECD sind die Reformen zu langsam und zu wenig weitreichend. Es fehlen gemeinsame europäische Mechanismen. Da steht die OECD für mehr Europa.
... die Kapitalismus-Kritik Das Denken "out of the box" ist noch sehr zögerlich. Die OECD steht für den historischen Erfolg des westlichen Wirtschaftsmodells, damit fällt es ihr schwer vom Kapitalismus des 20. Jahrhunderts Abschied zu nehmen und energisch nach neuen, adäquaten Modellen zu forschen. Die kritischen Analysen – siehe Ungleichheit, Ökologisierung der Wirtschaft, qualitativer Wachstumsbegriff – weisen jedoch in die richtige Richtung. Zu diesem dringenden Umbau unseres Systems kann die OECD viel beitragen.
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