Peter Eigen: "Bei Öl und Gas blüht die Korruption"

Peter Eigen: „Korruption pervertiert die Rechtsordnung und führt zur Verelendung von Millionen von Menschen“
Der Gründer von Transparency International warnt davor, das Problem Korruption kleinzureden.

Korruption hat den deutschen Juristen Peter Eigen nie kalt gelassen. Er hat die verheerenden Auswirkungen dieses weltweit verbreiteten Übels hautnah miterlebt, als er Anfang der 1970er-Jahre für die Weltbank in Afrika arbeitete. Damals schon reifte in ihm die Idee, etwas gegen die grassierende Korruption zu tun. 1993 schließlich gründete er Transparency International, eine Organisation, die Korruption aufdeckt und Mittel sucht, sie zu bekämpfen. Vergangene Woche kam er nach Wien, um in der Jury des Nachhaltigkeitspreises SEA (Sustainable Entrepreneurship Award) teilzunehmen.

KURIER: Herr Eigen, Sie beschäftigen sich seit mehr als 20 Jahren intensiv mit Korruption. Viele Menschen glauben, das Problem wird weltweit immer schlimmer. Können Sie dem zustimmen?

Peter Eigen: Nein, die Korruption ist weniger geworden. Aber man hört mehr darüber. Dadurch haben die Menschen das Gefühl, sie nimmt zu.

Woran kann man erkennen, dass die Welt heute weniger korrupt ist?

Bestechung durch deutsche oder österreichische Firmen, um zu Aufträgen zu kommen, war früher normal. Der Aufwand konnte sogar als Werbungsgeld von der Steuer abgesetzt werden. Darüber hat niemand gesprochen.

Was hat zu diesem Rückgang der Korruption geführt?

Ein großer Schritt nach vorne war die Konvention der OECD 1999. Diese besagt, dass die Staaten, die diese Konvention unterzeichnet haben, korrupte Personen verfolgen müssen. Erst dadurch war es möglich, dass Bestechungsskandale wie bei Siemens oder Ferrostahl aufgedeckt werden konnten.

Bestechen Unternehmen heutzutage viel seltener?

In vielen Wirtschaftsbereichen ist das Problem nicht überwunden. Bei Öl, Gas, der Forst- und Fischereiwirtschaft blüht die Korruption weiterhin. Immer dort, wo große Werte eine Rolle spielen, die nicht so leicht erkannt werden, ist Bestechung ein leichtes Spiel. Ich halte mich für einen gebildeten Menschen. Aber ich habe keine Ahnung, was Ölfelder wert sind.

Viele Menschen glauben, dass die Korruption vor allem in armen Ländern blüht ...

Dort werden Minister schlecht bezahlt. Die sind dann anfällig für Bestechung. Aber mindestens die Hälfte der Verantwortlichen für Korruption kommt aus großen Unternehmen der Industriestaaten.

Unternehmen kommen über Bestechung zu Aufträgen, in armen Ländern werden Straßen oder Staudämme gebaut. Was ist so schädlich an der Korruption?

Jeder Profit, den ein korruptes Unternehmen macht, geht einem ehrlichen verloren. Bosch, das immer sagte, es besteche nie, hatte da immer das Nachsehen. In den armen Ländern führt Korruption dazu, dass Politiker nicht nach Sachargumenten entscheiden. Die Wirtschaftspolitik wird ad absurdum geführt. Es werden Straßen gebaut, die keiner braucht.

Können Sie abschätzen, wie viel Geld jährlich in korrupte Kanäle fließt?

Rund 1000 Milliarden Dollar im Jahr sind es sicherlich. Das aber ist nur die Spitze des Eisbergs. Der Schaden, den Bestechung auslöst, ist noch viel größer. Korruption ist der Hauptgrund für die Verelendung von Millionen von Menschen. Denn große Armut entsteht durch korrupte Politiker. Geld fließt nicht in die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes und damit in mehr Wohlstand für alle, sondern in die Taschen weniger Menschen.

Wir haben viel über die Korruption im großen Stil gesprochen. Nun gibt es Bestechung auch im Kleinen. Beschäftigen Sie sich auch damit?

Ja, weil die kleine Korruption viel Unheil anrichtet. Etwa die Bestechlichkeit der Polizei in manchen Ländern. Das pervertiert die Rechtsordnung. Oder wenn es sich mittellose Mütter nicht leisten können, mit ihrem Kind zum Arzt zu gehen, weil der ohne Schmiergeld nichts macht. Das ist das Schlimmste überhaupt, wenn Lebensnotwendiges nur mit Bestechung erreicht werden kann.

Was macht Transparency International gegen die Korruption?

Wir haben inzwischen Büros in mehr als 100 Ländern. Wir versuchen, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren. Man kann zwar auch von oben einiges machen. Aber das Wichtigste ist: Die Menschen müssen glauben und das Vertrauen bekommen, dass etwas gegen die Korruption unternommen wird. Resignation ist tödlich. Wir unterstützen daher Whistleblower und die Freiheit der Medien.

Würden Sie auch Essenseinladungen unter Korruption einordnen?

Das ist Blödsinn. Jeder hat ein natürliches Gefühl dafür, wo Bestechung beginnt. Aber ein Mitarbeiter einer Finanzbehörde darf sich nicht von einem Steuerpflichtigen zum Essen einladen lassen. In den Behörden muss man besonders gut aufpassen.

Peter Eigen
Der deutsche Jurist, der 1938 in Augsburg geboren wurde, arbeitete ab 1967 in der Rechtsabteilung der Weltbank, war juristischer Berater der Regierung in Botswana und war für die Weltbank in Afrika und Lateinamerika tätig, wo er mit Korruption in Kontakt kam.

Transparency International
Die 1993 gegründete Nicht-Regierungsorganisation beschäftigt sich mit Korruption und deren Bekämpfung. Transparency International ist in mehr als 100 Ländern tätig und finanziert sich durch Beiträge von Entwicklungshilfegruppen, Stiftungen und Privaten.

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