Pensions-Expertin: Höheres Antrittsalters ja, aber erst nach 2033 sinnvoll
Die frisch ernannte Vorsitzende der Alterssicherungskommission, Wifo-Vize-Direktorin Christine Mayrhuber (55), geht bei einem entsprechend langen Planungshorizont davon aus, dass die Politik an einer Anhebung des Pensionsantrittsalters nicht herum kommt. Dabei gelte es jedoch verschiedenste Faktoren zu berücksichtigen.
Beispielsweise nur auf die gestiegene Lebenserwartung abzustellen, hält die Ökonomin für „nicht durchdacht“. Hier gebe es „enorme Unterschiede“ zwischen den Bevölkerungsgruppen, die man nicht über einen Kamm scheren dürfe.
Akademiker haben beispielsweise in Österreich mit 65 noch eine Rest-Lebenserwartung von 21 Jahren, während Männer mit lediglich Pflichtschulabschluss auf durchschnittlich 16 Jahre weitere Lebensjahre kommen. Mayrhuber: „Wenn man also nur die Lebenserwartung berücksichtigt, erzeugt man sehr starke soziale Verwerfungen.“
Überhaupt steht Mayrhuber allzu abrupten Änderungen und Ho-Ruck-Aktionen im Pensionssystem, wie sie in den vergangenen Jahren typisch geworden sind, sehr skeptisch gegenüber. Sie spricht von einem „Wildwuchs an kurzfristigen Maßnahmen.“
Die gebürtige Oberösterreicherin denkt längerfristig: Ab dem zweiten Halbjahr steigt das Frauenpensionsalter schrittweise an, bis es Ende 2033 bei 65 Jahren angelangt ist, wo die Männer heute schon sind. Mayrhubers Ansicht nach ist es sinnvoll „zuerst diesen Übergangszeitraum abzuwarten“, und erst danach über ein höheres Antrittsalter zu diskutieren. Mayrhuber: „Es braucht permanente Anpassungen. Wir müssen dabei aber in zwei, drei Jahrzehnten denken für eine vernünftige Herangehensweise. Der Zeithorizont muss zumindest 2035 sein.“
Auch beim tatsächlichen Antrittsalter ließe sich noch etwas machen. So gehen heute zwei Drittel aller Männer mit 62 bis 63 und mit Abschlägen in Pension, anstatt erst mit 65. Hier könnte man durchrechnen, regt Mayrhuber an, ob die Höhe der Anschläge in der Korridorpension versicherungsmathematisch „noch in Ordnung“ sind.
Junge können Pension erwarten
Dass aber eine Art „Pensionsbombe ticken“ würde oder ähnliche drastische Aussagen lehnt die langjährige Wifo-Forscherin strikt ab. Ihre Sprache ist eine der Daten und Fakten und ökonomischen Zusammenhänge. Vielfach sei auch zu wenig Wissen über das Pensionssystem mit seinem Pensionskonto vorhanden. Dazu kämen diverse Mythen. So könnten junge Erwerbstätige natürlich weiterhin eine staatliche Pension erwarten, auch wenn sie in Umfragen oftmals das Gegenteil behaupten würden.
In der Kommission, der sie nun zunächst bis Herbst ehrenamtlich vorsitzt, geht es dem Gesetzesauftrag folgend um die Erstellung eines jährlichen Mittelfristgutachtens zur Nachhaltigkeit des Pensionssystems. Alle drei Jahre steht dann ein neues Langfristgutachten an. Mayrhubers Ziel und Wunsch ist es, dass künftig die bisher getrennten Berichte zu den ASVG- und Beamten-Pensionen zusammen geführt werden. „Das wäre für die Sache enorm wichtig“, sagte sie einer Journalistenrunde aus KURIER, Presse und Kleine Zeitung.
Größte Errungenschaft, größtes Problem
Für eine der größten Errungenschaften hält die Expertin, dass es gelungen ist, den Anteil der Frauen ohne Pensionsanspruch in zwei Jahrzehnten auf mittlerweile neun Prozent (rund 80.000 Frauen) massiv zu drücken. Für ein zentrales Problem des an sich „sehr guten“ Pensionssystem hält Mayrhuber die Überfrachtung mit Aufgaben aus anderen Bereichen: Familien, Invalidität, Armutsvermeidung. „Da hängt man einen ganzen Bauchladen dem Alterungssicherungssystem um“ – mit entsprechend hohen Kosten. Aber nur weil man eventuell eine Milliarde beim Pensionszuschuss des Staates einsparen könne, um die Mittel etwa ins Bildungssystem umzuschichten, habe man deshalb nicht gleich ein besseres Bildungssystem, warnt Mayrhuber vor überzogenen Erwartungen an künftige Reformen.
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