Rufe nach Pensionsreform mit höherem Antrittsalter werden immer lauter

Rufe nach Pensionsreform mit höherem Antrittsalter werden immer lauter
Experten sind für Arbeiten bis 67 und fordern die automatische Kopplung des Antrittsalters an die steigende Lebenserwartung.

Der große Sparbedarf im Budget, die am Boden liegende Wirtschaft und nicht zuletzt die laufenden Regierungsverhandlungen ergeben für Fachleute wie WIFO-Chef Gabriel Felbermayr den idealen Zeitpunkt, um endlich ernsthaft an eine Pensionsreform in Österreich zu denken. 20 Jahre lang sei das System nicht mehr adaptiert worden. Mittlerweile fließt rund ein Viertel des gesamten Bundesbudgets in das Pensionssystem und der Finanzierungsdruck steigt aufgrund der Alterung der Bevölkerung. 

"Bis 2029 steigt der Bundeszuschuss zu den Pensionen um 60 Prozent. Im selben Zeitraum fehlen 18 Milliarden Euro auf ein ausgeglichenes Budget. Daher ist es richtig und gerecht jetzt über eine Pensionsreform nachzudenken", sagt Felbermayr.

Reform schon vor 20 Jahren notwendig

Auch Eco-Austria-Chefin Monika Köppl-Turyna sagt: "Das Pensionssystem steht vor Herausforderungen, die zuletzt durch den neuen Bericht der Alterssicherungskommission bestätigt wurden. Hinzu kommt eine Verschlechterung der Prognose zur demografischen Entwicklung, die dringend beherzte und entschlossene Gegenmaßnahmen erfordert. Die beste Zeit für Reformen war vor 20 Jahren, die zweitbeste ist jetzt."

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Nicht nur WIFO-Chef Gabriel Felbermayr fordert eine Pensionsreform

Ein zentraler Grund für den Reformbedarf ist die steigende Lebenserwartung. Alle zehn Jahre steigt die Restlebenserwartung in Österreich bei Frauen und Männern um rund ein dreiviertel Jahr, sagt WIFO-Pensionsexperte Thomas Url. Und je länger die Menschen leben, ohne dass das Pensionsantrittsalter angehoben wird, desto länger beziehen sie Pension, was das System natürlich verteuert.

Automatismus sinnvoll

Url hat im Auftrag des privaten Vereins "Aktion Generationengerechtigkeit", dem etwa der renommierte Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal angehört, eine umfangreiche Studie erarbeitet. Darin zeigt Url die verschiedenen Reformoptionen auf, die andere Länder - allen voran skandinavische - längst gezogen haben. Unter anderem die automatische Anpassung des Antrittsalters. 

Sowohl Felbermayr als auch Url halten so eine Automatik persönlich für sinnvoll, wollen das aber nicht als offizielle WIFO-Position verstanden wissen. Diese lautet nämlich "nur", das Pensionsantrittsalter solle perspektivisch bis in die frühen 2040er-Jahre von 65 auf 67 Jahre steigen. 

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Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal meint, es wird künftig nur noch schwieriger 

Auch kurzfristig wirksame Maßnahmen gäbe es, etwa die jährlichen Pensionsanpassungen nicht immer an oder über der Inflation zu machen. Das würde nachhaltig viel Geld sparen. Auch Anpassungen der Korridorpension seien denkbar, also höhere Zu- und Abschläge oder ein höheres Mindestantrittsalter, sind sich die Experten einig. 

Längerfristig sei es neben der Anpassung an die Lebenserwartung sinnvoll, die zweite und dritte Säule des Pensionssystems zu stärken, also die betriebliche und private Altersvorsorge - verknüpft mit staatlichen Anreizen.

Die Experten waren im Rahmen einer Initiative der "Aktion Generationengerechtigkeit" zusammengekommen, deren Vertreter Georg Feith schon seit langem für entsprechende Maßnahmen eintritt. Seine Devise, die er bei einem gemeinsamen Pressegespräch kundtat, lautet: "It's the demography, stupid!". Was er damit meint, ist: 1980 kamen auf einen Pensionisten noch 4,5 Werktätige, im Vorjahr waren es drei und 2050 werden es nur noch 1,7 sein.

Sozialexperte Mazal argumentierte unter anderem, dass Reformen für künftige Generationen wegen der gestiegenen Zinslast noch schwieriger würden bzw. härter ausfallen würde. Daran könne man kein Interesse haben, weil ja niemand das System an die Wand fahren wolle.

Nicht beim AMS sparen

Bei allem Sparbedarf keinesfalls kürzen solle man jetzt die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik, sagt Felbermayr. Denn in vielen Bereichen und Branchen herrsche immer noch ein Fachkräftemangel. Und Menschen, die jetzt ihren Job beispielsweise bei KTM verlieren würden, würden anderweitig dringend gesucht. Daher sei ein ausreichendes Budget für die Vermittlungs- und Qualifizierungsarbeit des AMS sinnvoll.

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