Wie EU-Regeln Paketzusteller vor Ausbeutung schützen sollen
Zusammenfassung
- Paketzusteller leiden unter schlechten Arbeitsbedingungen wie unbezahlten Überstunden, Überwachung und undurchsichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
- Die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit soll Mindestanforderungen und mehr Transparenz bei digitalen Überwachungssystemen schaffen, benötigt aber konsequente Umsetzung.
- Die AK fordert Erstauftraggeberhaftung, strengere Kontrollen und höhere Strafen, um Lohn- und Sozialdumping einzudämmen.
Millionen von Paketen werden in der Vorweihnachtszeit täglich zugestellt. Die bequeme Lieferung vor die Haustür hat ihre Schattenseiten. Denn sie gehe meist auf Kosten der Zusteller, deren Arbeitsbedingungen an Ausbeutung grenzen würden, wie Adriana Mandl, Expertin der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien am Mittwoch bei einem Pressegespräch sagte.
Lange Arbeitstage, unbezahlten Überstunden, nicht bezahlte Löhne und die Überwachung durch digitale Systeme gehören demnach für die in vielen Fällen migrantischen Fahrer seit vielen Jahren zum Alltag. Eine EU-Richtlinie zur Plattformarbeit, die bis Dezember 2026 umgesetzt werden muss, könnte dabei helfen, zentrale Probleme anzugehen, sagte Mandl.
Lückenlose Überwachung
Eines davon ist die lückenlose Überwachung der Fahrer durch digitale Systeme. Sie überwachen die Geschwindigkeit beim Fahren, das Einhalten der Routen, das Bremsverhalten, aber auch, ob beim Fahren Musik gehört wird oder nicht.
Daraus werden automatisiert Bewertungen der Fahrer erstellt, die auch dazu führen können, dass die Fahrer gekündigt werden. Wie die Entscheidungen gefällt werden, sei undurchsichtig, auch Ansprechpersonen für die betroffenen Fahrer gebe es oft nicht, sagt die AK-Expertin. "Falsche Bewertungen können kaum berichtigt werden."
EU-Richtlinie gibt Mindestanforderungen vor
Die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit soll sicherstellen, dass die Plattformen, aber auch Vermittler, offenlegen müssen, ob solche Systeme eingesetzt werden und wie die Algorithmen entscheiden. Auch menschliche Aufsicht und das Recht der Betroffenen auf die Korrektur von Entscheidungen sei vorgesehen, sagte Mandl.
Mit der Richtlinie würden zwar Mindestanforderungen festgelegt. Damit sie auch tatsächlich zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitrage, seien aber politischer Wille und die Rechtsdurchsetzung notwendig.
Dazu kommen weitere Probleme. Denn viele der Fahrer seien über Subunternehmen beschäftigt und wüssten oft gar nicht, bei wem sie angestellt seien, sagte Bianca Schrittwieser, Abteilungsleiterin für Arbeitsrecht in der AK Wien. Sie spricht von Subunternehmerketten und undurchsichtige Strukturen.
"Probleme seit Jahren dieselben"
Löhne würden oft entweder gar nicht, zu spät oder zu niedrig ausbezahlt, kritisiert die AK-Arbeitsrechtlerin. Die Probleme seien seit Jahren dieselben, Verbesserungen gebe es aber kaum, sagt Schrittwieser: "Es hat sich wenig getan oder verändert."
Werden vorenthaltene Löhne oder Überstundenzahlungen eingefordert, passiere es auch nicht selten, dass die Firmen Insolvenz anmelden. Die offenen Ansprüche müssen dann vom Insolvenzentgeltfonds, also von der Allgemeinheit beglichen werden.
Die AK fordert deshalb auch eine Erstauftraggeberhaftung. Die soll es ermöglichen, an die eigentlichen Profiteure solcher Praktiken, nämlich die großen Unternehmen heranzukommen. Läge die Verantwortung beim Hauptprofiteuer, wäre auch die Vergabe an Subunternehmer weniger attraktiv, sagte Schrittwieser. Notwendig seien auch mehr Kontrollen bei Verstößen gegen Ruhezeiten, sagte Schrittwieser: "Die Behörden brauchen die notwendigen Ressourcen."
"Lohn- und Sozialdumping viel zu billig"
Die AK-Expertin forderte auch ein Überstunden-Duplum. Die Arbeitgeber müssten dann das Doppelte bezahlen, wenn sie Überstunden vorenthalten. Schrittwieser sprach sich auch für die Wiedereinführung des 2021 abgeschafften Kumulationsprinzips bei Lohn- und Sozialdumping aus. Das soll dafür sorgen, dass Gesetzesübertretungen seperat geahndet und die Strafen addiert wurden.
Lohn- und Sozialdumping sei für Arbeitgeber viel zu billig geworden, kritisierte die AK-Arbeitsrechtlerin. "Solche Geschäftsmodelle schaden auch Unternehmen, die ehrlich sind."
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