Prekäre Arbeitsbedingungen: Paketzusteller schuften am Limit

Bis zu 500.000 Pakete werden täglich in Österreich zugestellt. Um die zunehmende Paketflut stemmen und eine schnelle Lieferung garantieren zu können, setzen große Paketdienstleister wie DPD, Hermes oder Amazon auf Subunternehmen, die sich um die Lagerung und Paketzustellung bis vor die Haustür kümmern. Das Problem dabei: Beschäftigte sind meist nicht angestellt, müssen sich selbst versichern und kennen ihre Arbeitsrechte nicht.
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Arbeitsbedingungen
Johanna Neuhauser vom Institut für Soziologie an der Uni Wien hat sich in einer Studie mit den Arbeitsbedingungen in der Paketlogistik beschäftigt. Sie bestätigt: „Die Branche ist geprägt von Auslagerungen und Subunternehmen. Je weiter die Arbeitnehmer vom Hauptunternehmen entfernt sind, desto prekärer die Situation.“ Hinzu kommt, dass die meisten Beschäftigten keine österreichische Staatsbürgerschaft haben. 2022 lag der Anteil ausländischer Beschäftigter bei Post-, Kurier- und Expressdiensten bei insgesamt 27 Prozent.
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Matthias Piffl-Stammberger, Leiter der Abteilung Rechtsschutz bei der Arbeiterkammer (AK) Wien, kennt die Probleme der Paketzusteller- und Fahrer: „Lohnrückstände, unberechtigte Abzüge, unplanbare Arbeitszeiten und unbezahlte Überstunden.“ Arbeitsrechtsverletzungen seien eher die Regel als Ausnahme. Doch „mangelnde Kenntnisse des österreichischen Arbeitsrechts, Sprachbarrieren und die Angst vor Kündigung erschweren es den Beschäftigten, ihre Rechte einzufordern“, konstatiert er.
An den Arbeitsbedingungen in der Paketbranche übt auch die Gewerkschaft Vida Kritik. In der Weihnachtszeit seien bei selbstständigen Paketzustellern sechs Arbeitstage pro Woche mit jeweils 14 Stunden-Tagen „an der Tagesordnung“, berichtet Vida-Gewerkschafter Karl Delfs. In Wien müssten Zusteller pro Tag teils 250 Pakete aufwärts ausfahren.
Umsätze
Die Umsätze im Post- und Paketmarkt betrugen 2019 rund 1 Mrd. Euro, 2022 schon 1,4 Mrd. Euro
Beschäftigte
Der Anteil von Beschäftigten ohne österreichische Staatsbürgerschaft in der Paketlogistik nahm von 15 Prozent 2017 auf 27 Prozent 2022 zu
355 Millionen
Pakete wurden im Jahr 2022 hierzulande versendet. Davon hatten 325 Millionen Paketsendungen ein inländisches und 30 Mio. Sendungen ein ausländisches Ziel
Zeitdruck
Den enormen Zeitdruck bestätigt auch ein Arbeiter einer Zustellfirma gegenüber der Studienautorin Neuhauser: „Ich habe mehrmals in der Firma gefragt, ob ich nicht eine Matratze zum Schlafen mitbringen soll, um gleich in der Früh hier zu sein“, erzählt der Fahrer, der lieber anonym bleiben möchte. Was aber könnte man konkret gegen die Missstände tun? Auf Basis der aktuellen Rechtslage nicht viel, weiß Matthias Piffl-Stammberger: „Die komplexen Subunternehmerketten machen es schwierig bis unmöglich, jene zu Verantwortung zu ziehen, die den größten Profit aus den Arbeitsrechtsverletzungen schlagen.“ Silvia Hofbauer, Abteilung Arbeitsmarkt und Integration bei der AK Wien, fordert deshalb: „Eine Haftung für Erstauftraggeber für die Löhne.“ Amazon und Co. sollen Pakete selbst ausliefern und diese Aufgabe nicht an Subunternehmer delegieren. Markus Fischer, Obmann des Fachverbands Güterbeförderung der Wirtschaftskammer, spricht indes von „schwarzen Schafen“, die „nicht repräsentativ für die gesamte Branche stehen.“
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