Plattformarbeit: EU-Richtlinie versagt bei Schutz von Solo-Selbstständigen
Fahrtendienste und Essenszusteller vermitteln Solo-Selbstständige
Paket- und Essenszustellung, Fahrtendienste, Pflege- und Reinigungsdienste, IT-Services: Zehntausende Menschen gehen auch in Österreich einer Arbeit nach, die über Internet-Plattformen organisiert wird. Mehr als 500 solcher digitalen Arbeitsplattformen, die zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vermitteln, gibt es inzwischen in der EU.
Die sogenannten „Plattformarbeiter“ sind dabei nicht bei der Plattform angestellt, sondern agieren auf eigene Rechnung als Solo-Selbstständige oder freie Dienstnehmer. Ihre Anzahl wächst von Jahr zu Jahr, EU-weit ist sie von 28 Millionen 2022 auf geschätzte 43 Millionen angestiegen.
Prekäre Arbeitsverhältnisse
Die meisten sind schlecht bezahlt und kaum sozial abgesichert, die Gewerkschaft spricht von prekären, mitunter ausbeuterischen Beschäftigungsverhältnissen. Einer Erhebung der EU-Kommission zufolge verdienen 55 Prozent der Plattformarbeitenden weniger als den Nettomindestlohn in jenem Land, in dem sie arbeiten. 41 Prozent der Zeit, die sie der Plattform widmen, wird gar nicht abgegolten.
"Zahnlose" EU-Richtlinie
Eine im Vorjahr verabschiedete EU-Richtlinie soll mehr Rechte bringen und vor allem Scheinselbstständigkeit verhindern. Doch die Richtlinie sei zahnlos und umfasse viele Formen der Selbstständigkeit gar nicht, ergab nun ein Forschungsprojekt der Central European University (CEU) in Wien. „Die neue EU-Gesetzgebung wird nur für die kleine Gruppe gelten, die über Plattformen arbeitet. Alle anderen, die beispielsweise über Aufträge im Web arbeiten, oder Subunternehmer, die nicht über Plattformen ihre Aufträge bekommen, werden gar nicht erfasst“, erläutert Karin Lukas, Forscherin am Department of Legal Studies der CEU dem KURIER.
Die Richtlinie sei verwässert worden. So wurden Kriterien, die festlegen, wann jemand scheinselbstständig ist, den einzelnen Mitgliedsländern überlassen.
Foodora-Essenslieferant auf einem Fahrrad.
Wirtschaftliche Abhängigkeit ist gegeben
Es bestehe nach wie vor eine Schutzlücke, die nicht geschlossen worden sei. So müssten Arbeiter nur dann besser geschützt werden, wenn sie wie Angestellte arbeiten, also in persönlicher Abhängigkeit zum Arbeitgeber. Diese Definition sei aber angesichts der neuen Arbeitsformen überholt. „Es sollte das Kriterium der wirtschaftlichen Abhängigkeit zählen“, meint Lukas. Die derzeitige Rechtslage benachteilige daher Solo-Selbstständige gegenüber etwa freien Dienstnehmern, die auf Anstellung klagen können.
Gemeinsames Vorgehen als illegale Absprache
Weil sie selbstständig sind, könnten sie sich auch nicht gewerkschaftlich organisieren, um bessere Arbeitsbedingungen auszuverhandeln. Wenn sich aber mehrere Plattformarbeiter zusammenschließen, um gemeinsam zu verhandeln, könnten sie sogar wegen illegaler Absprachen nach dem Kartellrecht belangt werden, sagt Lukas und verweist auf Rechtslücken. Diese sollten rasch geschlossen werden, denn im Falle der Plattformarbeit gehe es auch um Umgehung des Arbeitsrechts zulasten der Arbeitnehmer sowie Abgabenhinterziehung. Betriebe wiederum beklagen den unlauteren Wettbewerb aus dem Netz.
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