Raus aus der Stadt, rauf auf den Berg: In turbulenten Zeiten wie diesen gewinnt das Draußensein in der Natur für viele Menschen enorm an Bedeutung. Weitwandern, Trailrunning, Bergsteigen und Klettern liegen im Trend wie schon lange nicht. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach der passenden Bekleidung und Ausrüstung – möglichst funktionell, modisch, leicht und wenn geht aus natürlichen Materialien nachhaltig produziert.
Gespart wird dabei nicht, der Outdoor-Bereich zählt derzeit zu den wenigen Bereichen im Einzelhandel, dessen Umsätze sich stabil entwickeln. Davon profitieren nicht nur große Sportartikelmarken wie Nike oder adidas, sondern auch kleinere, spezialisierte Hersteller aus Bayern oder Südtirol, die sich in Nischen gesetzt haben und durch Produkterweiterungen in den vergangenen Jahren stetig gewachsen sind.
Einer davon ist der bayrische Bergsportprofi Ortovox mit Sitz in Taufkirchen bei München. „Durch die andauernde Reizüberflutung im Alltag gibt es eine zunehmende Sehnsucht der Menschen nach einsamen und abgeschiedenen Bergerlebnissen mit minimalistischer Ausrüstung“, erzählt Michael Sieber, Mitglied der Geschäftsleitung bei Ortovox, dem KURIER.
Umso größer sei der Wunsch, mit leichtem Gepäck und Materialien abseits von Modetouren Bergeindrücke zu sammeln. Starke Nachfrage gebe es aktuell vor allem nach Leichtrucksäcken und -windjacken.
Gründer Österreicher
Ortovox wurde 1980 vom Österreicher Gerald Kampel gegründet und hatte ursprünglich nichts mit Bekleidung zu tun. Der Firmenname setzt sich zusammen aus „Ortung“ und „Vox“ für Stimme. Der begeisterte Tourengeher Kampel revolutionierte die Suche nach Lawinenverschütteten mit dem ersten Gerät, das auf mehreren Frequenzen Signale senden und empfangen konnte. Die fehlende Kompatibilität der Geräte erschwerte bis dahin die Rettung.
Seit 1988 produziert das bayrische Unternehmen funktionale Bergsportbekleidung aus und mit Wolle – und widersetzte sich dem Synthetik-Trend in der Branche. 2011 übernahm die deutsche Schwan-Stabilo-Gruppe den Bergsportprofi mit rund 150 Mitarbeitenden. Zur Gruppe gehören auch die Marken Deuter (Rucksäcke), Maier (Skibekleidung) und Gonso (Fahrradbekleidung).
Bis heute zählt Österreich zu den wichtigsten Märkten, sagt Sieber: „Der sehr bergsportlastige Markt passt perfekt zu unseren Kernsportarten Alpinklettern, Skitouren, Freeriden, Hochtouren und Bergsteigen“. Ganz speziell sei hier, dass sehr viele Frauen am Berg unterwegs sind: „Wir machen mit Damen- und Herrenprodukten in etwa gleich viel Umsatz“. Ortovox rüstet in Österreich auch die Bergrettung mit speziellen Kollektionen aus.
Merinowolle
Ein Markenzeichen des eher hochpreisigen Bergsportspezialisten sind natürliche Materialien wie Merinowolle, die aus Tasmanien stammt. Bei den Isolationsjacken wird Wolle von Schweizer Schafbauern verwendet, die bis vor wenigen Jahren noch ein Abfallprodukt war. Wirtschaftskrise und Inflation haben auch bei Ortovox Spuren hinterlassen. Sieber spricht von einer „rasanten Berg- und Talfahrt“. Auf der einen Seite corona-bedingte Lieferengpässe und gestiegene Frachtkosten, auf der anderen ein Nachfrageboom beim Bergsport. „Auch wir mussten die Preise anpassen“. Strategisch sollen nun weitere Märkte, etwa Frankreich, Italien oder Skandinavien erschlossen werden.
Gegen Vermarktung der Alpen
Eher außergewöhnlich für eine Bergsportmarke, die auch vom Tourismus profitiert, engagiert sich Ortovox aktiv gegen die zunehmende Vermarktung der Alpen als Event-Schauplatz. Botschaft: Wer ins Gebirge geht, sollte dies mit Respekt und Verantwortung der Natur gegenüber tun. „Uns ist bewusst, das wir Teil des Problems sind, wir wollen aber auch Teil der Lösung sein. Hier muss man ehrlich auftreten“, meint Sieber.
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